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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Die Rechtskonsulentenfrage

ersten Instanz übernommen haben, den Anwalt für die Berufungsinstanz sollten
bestimmen können. Jedenfalls wäre diese Vertretung auf die Dauer des Be¬
dürfnisses zu beschränken-

Über die Bedürfnisfrage, die schon erwähnt worden ist, kann an dieser
Stelle um so eher hinweggegangen werden, als es sich die Eingabe hier zu
leicht gemacht hat, indem sie das Bedürfnis ohne jede Begründung einfach
leugnet. Im übrigen will sie glauben mache", daß durch die Novelle eine
Konkurrenz zwischen Nechtsanwälten und Nechtsagenten erst geschaffen werden
solle, während sie in Wirklichkeit schon längst besteht. Der Unterschied liegt
nur darin, daß diese Konkurrenz nach dem gegenwärtigen Recht, soweit die
Vertretung vor den Amtsgerichten in Betracht kommt, von dem Willen des
Amtsrichters, während sie nach der Novelle außerdem noch von der Justiz¬
verwaltung abhängig ist. Daß es aber der Nechtsanwaltschaft würdiger ist,
wenn die Konkurrenzfrage von einer über ihr stehenden Behörde, als von dem
dem Anwalt gesellschaftlich gleichstehenden Amtsrichter gelöst wird, ist außer
Zweifel. Freilich darf daneben auch das freie Zulassuugsrecht des Amtsrichters
nicht bestehen bleiben.

Die Konkurrenz mit den Nechtskonsulenten und die Übelstünde daraus
bleiben also, nur werden die Konkurrenten meist anständigere Menschen sein
als jetzt, da von der Justizverwaltung eher ein "Durchsieben" zu erwarten ist
als vom Amtsrichter. Nach ihrer gegenwärtigen Organisation ist die Rechts¬
anwaltschaft freilich nicht imstande, die Winkelkvnsulenten von den Amtsgerichten
zu verdrängen. Vorschläge, die darauf abzielten, dies durch Schaffung einer
Amtsgerichtsanwaltschaft zu erreichen, die von den Kollegialgerichten aus¬
zuschließen sei (Grenzboten 1896, IV. 112), haben die Rechtsanwälte abgelehnt
oder totgeschwiegen. Auf der einen Seite sträuben sie sich also gegen Reformen,
die ihnen die Möglichkeit verschafft hätten, daß die Vertretung vor den Amts¬
gerichten ausschließlich auf sie übergehe, auf der andern dagegen wehren sie
sich, daß die infolgedessen unvermeidliche und längst bestehende Konkurrenz
würdiger werde!

Es bleibt nun noch die Frage zu prüfen, ob die Zulassung eines Nechts¬
konsulenten als Partcivertretcr bei dem Amtsgerichte auf den Fall und die
Dauer eines Bedürfnisses zu beschränken sei. Da jedoch die Justizverwaltung
verpflichtet ist, vertrauenswürdige Personen hierzu zu berufen, so schließt sich
eine Zulassung von Nechtskonsulenten auf Widerruf von selbst aus. Was die
Besorgung der amtsgerichtlichen Vertretung durch Anwälte aus den benach¬
barten Orten betrifft, so wird sie durch die hohen Neisegebühren erschwert, die
oft zu der geringen Höhe des Prozeßobjekts in gar keinem Verhältnis stehen.
Die Justizverwaltung wird freilich die Bedürfnisfrage zu prüfen haben, doch
muß ihr in dieser Beziehung ein gewisser Spielraum überlassen werden, da
dabei verschiedne Erwägungen lokaler Natur in Betracht kommen. So kann
z. B. der Fall eintreten, selbst an Landgerichtssitzen Nechtskonsulenten zur


Die Rechtskonsulentenfrage

ersten Instanz übernommen haben, den Anwalt für die Berufungsinstanz sollten
bestimmen können. Jedenfalls wäre diese Vertretung auf die Dauer des Be¬
dürfnisses zu beschränken-

Über die Bedürfnisfrage, die schon erwähnt worden ist, kann an dieser
Stelle um so eher hinweggegangen werden, als es sich die Eingabe hier zu
leicht gemacht hat, indem sie das Bedürfnis ohne jede Begründung einfach
leugnet. Im übrigen will sie glauben mache», daß durch die Novelle eine
Konkurrenz zwischen Nechtsanwälten und Nechtsagenten erst geschaffen werden
solle, während sie in Wirklichkeit schon längst besteht. Der Unterschied liegt
nur darin, daß diese Konkurrenz nach dem gegenwärtigen Recht, soweit die
Vertretung vor den Amtsgerichten in Betracht kommt, von dem Willen des
Amtsrichters, während sie nach der Novelle außerdem noch von der Justiz¬
verwaltung abhängig ist. Daß es aber der Nechtsanwaltschaft würdiger ist,
wenn die Konkurrenzfrage von einer über ihr stehenden Behörde, als von dem
dem Anwalt gesellschaftlich gleichstehenden Amtsrichter gelöst wird, ist außer
Zweifel. Freilich darf daneben auch das freie Zulassuugsrecht des Amtsrichters
nicht bestehen bleiben.

Die Konkurrenz mit den Nechtskonsulenten und die Übelstünde daraus
bleiben also, nur werden die Konkurrenten meist anständigere Menschen sein
als jetzt, da von der Justizverwaltung eher ein „Durchsieben" zu erwarten ist
als vom Amtsrichter. Nach ihrer gegenwärtigen Organisation ist die Rechts¬
anwaltschaft freilich nicht imstande, die Winkelkvnsulenten von den Amtsgerichten
zu verdrängen. Vorschläge, die darauf abzielten, dies durch Schaffung einer
Amtsgerichtsanwaltschaft zu erreichen, die von den Kollegialgerichten aus¬
zuschließen sei (Grenzboten 1896, IV. 112), haben die Rechtsanwälte abgelehnt
oder totgeschwiegen. Auf der einen Seite sträuben sie sich also gegen Reformen,
die ihnen die Möglichkeit verschafft hätten, daß die Vertretung vor den Amts¬
gerichten ausschließlich auf sie übergehe, auf der andern dagegen wehren sie
sich, daß die infolgedessen unvermeidliche und längst bestehende Konkurrenz
würdiger werde!

Es bleibt nun noch die Frage zu prüfen, ob die Zulassung eines Nechts¬
konsulenten als Partcivertretcr bei dem Amtsgerichte auf den Fall und die
Dauer eines Bedürfnisses zu beschränken sei. Da jedoch die Justizverwaltung
verpflichtet ist, vertrauenswürdige Personen hierzu zu berufen, so schließt sich
eine Zulassung von Nechtskonsulenten auf Widerruf von selbst aus. Was die
Besorgung der amtsgerichtlichen Vertretung durch Anwälte aus den benach¬
barten Orten betrifft, so wird sie durch die hohen Neisegebühren erschwert, die
oft zu der geringen Höhe des Prozeßobjekts in gar keinem Verhältnis stehen.
Die Justizverwaltung wird freilich die Bedürfnisfrage zu prüfen haben, doch
muß ihr in dieser Beziehung ein gewisser Spielraum überlassen werden, da
dabei verschiedne Erwägungen lokaler Natur in Betracht kommen. So kann
z. B. der Fall eintreten, selbst an Landgerichtssitzen Nechtskonsulenten zur


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[0536] Die Rechtskonsulentenfrage ersten Instanz übernommen haben, den Anwalt für die Berufungsinstanz sollten bestimmen können. Jedenfalls wäre diese Vertretung auf die Dauer des Be¬ dürfnisses zu beschränken- Über die Bedürfnisfrage, die schon erwähnt worden ist, kann an dieser Stelle um so eher hinweggegangen werden, als es sich die Eingabe hier zu leicht gemacht hat, indem sie das Bedürfnis ohne jede Begründung einfach leugnet. Im übrigen will sie glauben mache», daß durch die Novelle eine Konkurrenz zwischen Nechtsanwälten und Nechtsagenten erst geschaffen werden solle, während sie in Wirklichkeit schon längst besteht. Der Unterschied liegt nur darin, daß diese Konkurrenz nach dem gegenwärtigen Recht, soweit die Vertretung vor den Amtsgerichten in Betracht kommt, von dem Willen des Amtsrichters, während sie nach der Novelle außerdem noch von der Justiz¬ verwaltung abhängig ist. Daß es aber der Nechtsanwaltschaft würdiger ist, wenn die Konkurrenzfrage von einer über ihr stehenden Behörde, als von dem dem Anwalt gesellschaftlich gleichstehenden Amtsrichter gelöst wird, ist außer Zweifel. Freilich darf daneben auch das freie Zulassuugsrecht des Amtsrichters nicht bestehen bleiben. Die Konkurrenz mit den Nechtskonsulenten und die Übelstünde daraus bleiben also, nur werden die Konkurrenten meist anständigere Menschen sein als jetzt, da von der Justizverwaltung eher ein „Durchsieben" zu erwarten ist als vom Amtsrichter. Nach ihrer gegenwärtigen Organisation ist die Rechts¬ anwaltschaft freilich nicht imstande, die Winkelkvnsulenten von den Amtsgerichten zu verdrängen. Vorschläge, die darauf abzielten, dies durch Schaffung einer Amtsgerichtsanwaltschaft zu erreichen, die von den Kollegialgerichten aus¬ zuschließen sei (Grenzboten 1896, IV. 112), haben die Rechtsanwälte abgelehnt oder totgeschwiegen. Auf der einen Seite sträuben sie sich also gegen Reformen, die ihnen die Möglichkeit verschafft hätten, daß die Vertretung vor den Amts¬ gerichten ausschließlich auf sie übergehe, auf der andern dagegen wehren sie sich, daß die infolgedessen unvermeidliche und längst bestehende Konkurrenz würdiger werde! Es bleibt nun noch die Frage zu prüfen, ob die Zulassung eines Nechts¬ konsulenten als Partcivertretcr bei dem Amtsgerichte auf den Fall und die Dauer eines Bedürfnisses zu beschränken sei. Da jedoch die Justizverwaltung verpflichtet ist, vertrauenswürdige Personen hierzu zu berufen, so schließt sich eine Zulassung von Nechtskonsulenten auf Widerruf von selbst aus. Was die Besorgung der amtsgerichtlichen Vertretung durch Anwälte aus den benach¬ barten Orten betrifft, so wird sie durch die hohen Neisegebühren erschwert, die oft zu der geringen Höhe des Prozeßobjekts in gar keinem Verhältnis stehen. Die Justizverwaltung wird freilich die Bedürfnisfrage zu prüfen haben, doch muß ihr in dieser Beziehung ein gewisser Spielraum überlassen werden, da dabei verschiedne Erwägungen lokaler Natur in Betracht kommen. So kann z. B. der Fall eintreten, selbst an Landgerichtssitzen Nechtskonsulenten zur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/536>, abgerufen am 23.07.2024.