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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Die Delagoabucht und Samoa

und Pflanzer über die nörgelnde Bureaukratie in unsern Schutzgebieten, die
nicht um der Assessoren und Leutnants, sondern um der deutschen Unternehmer
und Ansiedler willen gewonnen worden sind, wie Bismarck allezeit betont hat. Ehe
wir statt dieser abgewiesenen Boeren fünftausend Deutsche nach Südwestafrika
bringen, kann ein Jahrzehnt vergehen. Was nützen die gewiß erfreulichen
Agitationsreden des Gouverneurs Leutwein im Mutterlande, wenn er selbst
unter der Billigung der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts das einzige
einheimische Element Afrikas in so unüberlegter Weise behandelt und damit
nur die Geschäfte Englands besorgt. Ohne das Niederdeutschtum Südafrikas
ist unser Schutzgebiet als Ansiedlung wertlos. Unsre Zukunft beruht auf
dessen Sieg und der Entfernung der Engländer aus Südafrika, wo sie noch
immer selbst im Kapland nur in der Minderheit sind.

Die Delagvabucht ist der Schlüssel zum freien Verkehr für die Boeren
und für uns selbst, ohne sie würden wir England tributpflichtig bleiben. Die
Boeren sind aufs Reich angewiesen, da sie sich auf die Dauer aus eigner Kraft
nicht gegen Englands Übermacht halten können. Und wir sind ohne ihre
Hilfe ja doch auch zu schwach; vereint mit ihnen sind wir England gewachsen,
und seine Stunde wird dann bald schlagen. In Südwestafrika wird der
Kampf, um die Vorherrschaft zwischen Deutschtum und Angelsachsentum zu
Lande ausgefochten werden müssen, und somit haben wir dort Englands
Schiffe nicht zu fürchten. Haben doch sogar die Boeren sich bisher allein des
britischen Löwen erwehren können, wie sehr er auch brüllte. Die Delcigoa-
bucht ist der Zankapfel des künftigen Streits, wir dürfen aber auch schon jetzt
nicht die Hände müßig in den Schoß legen, wo das englische Gold auf fried¬
liche, wirtschaftliche Eroberung ausgeht. Unsre Finanzmächte haben leider noch
nicht auf eignen Füßen stehen und die nationalen Interessen mit ihren Geld¬
interessen verbinden gelernt. Der englische Geldgeber opfert sein Vermögen
auch nicht dem Vaterlande, aber seine Anlagen im Auslande nützen der eng¬
lischen Macht. Unsre deutsche Finanz führt dagegen lieber in einem fremden
Schlepptau. Nur in Kleinasten hat sich jetzt ein weiterer, selbständiger Blick
gezeigt, und die Früchte werden auch nicht ausbleiben. In Anatolien sind
Diplomatie und Börse erfolgreich Hand in Hand gegangen, und in derselben
Weise müssen wir auch die portugiesische Kolonie wirtschaftlich unter unsre
Obhut nehmen. Für Portugal sind wir angenehmere Gläubiger als das
herrische Albion. Wir sind aber in Südafrika überhaupt zu wenig in finan¬
zieller Beziehung beteiligt und zu spät gekommen, während sich England.
Frankreich und Holland schon den Löwenanteil gesichert hatten. Dabei blieben
wir abhängig vom englischen Kapital und traten ohne eigne Thatkraft auf.
Ja angesichts des Telegramms unsers Kaisers an Krüger mahnte der Leiter
einer der größten deutschen Banken vor deutscher Anmaßung und empfahl recht
patriotisch und mutig engsten Anschluß an Großbritannien, und auch jetzt ver-


Die Delagoabucht und Samoa

und Pflanzer über die nörgelnde Bureaukratie in unsern Schutzgebieten, die
nicht um der Assessoren und Leutnants, sondern um der deutschen Unternehmer
und Ansiedler willen gewonnen worden sind, wie Bismarck allezeit betont hat. Ehe
wir statt dieser abgewiesenen Boeren fünftausend Deutsche nach Südwestafrika
bringen, kann ein Jahrzehnt vergehen. Was nützen die gewiß erfreulichen
Agitationsreden des Gouverneurs Leutwein im Mutterlande, wenn er selbst
unter der Billigung der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts das einzige
einheimische Element Afrikas in so unüberlegter Weise behandelt und damit
nur die Geschäfte Englands besorgt. Ohne das Niederdeutschtum Südafrikas
ist unser Schutzgebiet als Ansiedlung wertlos. Unsre Zukunft beruht auf
dessen Sieg und der Entfernung der Engländer aus Südafrika, wo sie noch
immer selbst im Kapland nur in der Minderheit sind.

Die Delagvabucht ist der Schlüssel zum freien Verkehr für die Boeren
und für uns selbst, ohne sie würden wir England tributpflichtig bleiben. Die
Boeren sind aufs Reich angewiesen, da sie sich auf die Dauer aus eigner Kraft
nicht gegen Englands Übermacht halten können. Und wir sind ohne ihre
Hilfe ja doch auch zu schwach; vereint mit ihnen sind wir England gewachsen,
und seine Stunde wird dann bald schlagen. In Südwestafrika wird der
Kampf, um die Vorherrschaft zwischen Deutschtum und Angelsachsentum zu
Lande ausgefochten werden müssen, und somit haben wir dort Englands
Schiffe nicht zu fürchten. Haben doch sogar die Boeren sich bisher allein des
britischen Löwen erwehren können, wie sehr er auch brüllte. Die Delcigoa-
bucht ist der Zankapfel des künftigen Streits, wir dürfen aber auch schon jetzt
nicht die Hände müßig in den Schoß legen, wo das englische Gold auf fried¬
liche, wirtschaftliche Eroberung ausgeht. Unsre Finanzmächte haben leider noch
nicht auf eignen Füßen stehen und die nationalen Interessen mit ihren Geld¬
interessen verbinden gelernt. Der englische Geldgeber opfert sein Vermögen
auch nicht dem Vaterlande, aber seine Anlagen im Auslande nützen der eng¬
lischen Macht. Unsre deutsche Finanz führt dagegen lieber in einem fremden
Schlepptau. Nur in Kleinasten hat sich jetzt ein weiterer, selbständiger Blick
gezeigt, und die Früchte werden auch nicht ausbleiben. In Anatolien sind
Diplomatie und Börse erfolgreich Hand in Hand gegangen, und in derselben
Weise müssen wir auch die portugiesische Kolonie wirtschaftlich unter unsre
Obhut nehmen. Für Portugal sind wir angenehmere Gläubiger als das
herrische Albion. Wir sind aber in Südafrika überhaupt zu wenig in finan¬
zieller Beziehung beteiligt und zu spät gekommen, während sich England.
Frankreich und Holland schon den Löwenanteil gesichert hatten. Dabei blieben
wir abhängig vom englischen Kapital und traten ohne eigne Thatkraft auf.
Ja angesichts des Telegramms unsers Kaisers an Krüger mahnte der Leiter
einer der größten deutschen Banken vor deutscher Anmaßung und empfahl recht
patriotisch und mutig engsten Anschluß an Großbritannien, und auch jetzt ver-


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[0528] Die Delagoabucht und Samoa und Pflanzer über die nörgelnde Bureaukratie in unsern Schutzgebieten, die nicht um der Assessoren und Leutnants, sondern um der deutschen Unternehmer und Ansiedler willen gewonnen worden sind, wie Bismarck allezeit betont hat. Ehe wir statt dieser abgewiesenen Boeren fünftausend Deutsche nach Südwestafrika bringen, kann ein Jahrzehnt vergehen. Was nützen die gewiß erfreulichen Agitationsreden des Gouverneurs Leutwein im Mutterlande, wenn er selbst unter der Billigung der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts das einzige einheimische Element Afrikas in so unüberlegter Weise behandelt und damit nur die Geschäfte Englands besorgt. Ohne das Niederdeutschtum Südafrikas ist unser Schutzgebiet als Ansiedlung wertlos. Unsre Zukunft beruht auf dessen Sieg und der Entfernung der Engländer aus Südafrika, wo sie noch immer selbst im Kapland nur in der Minderheit sind. Die Delagvabucht ist der Schlüssel zum freien Verkehr für die Boeren und für uns selbst, ohne sie würden wir England tributpflichtig bleiben. Die Boeren sind aufs Reich angewiesen, da sie sich auf die Dauer aus eigner Kraft nicht gegen Englands Übermacht halten können. Und wir sind ohne ihre Hilfe ja doch auch zu schwach; vereint mit ihnen sind wir England gewachsen, und seine Stunde wird dann bald schlagen. In Südwestafrika wird der Kampf, um die Vorherrschaft zwischen Deutschtum und Angelsachsentum zu Lande ausgefochten werden müssen, und somit haben wir dort Englands Schiffe nicht zu fürchten. Haben doch sogar die Boeren sich bisher allein des britischen Löwen erwehren können, wie sehr er auch brüllte. Die Delcigoa- bucht ist der Zankapfel des künftigen Streits, wir dürfen aber auch schon jetzt nicht die Hände müßig in den Schoß legen, wo das englische Gold auf fried¬ liche, wirtschaftliche Eroberung ausgeht. Unsre Finanzmächte haben leider noch nicht auf eignen Füßen stehen und die nationalen Interessen mit ihren Geld¬ interessen verbinden gelernt. Der englische Geldgeber opfert sein Vermögen auch nicht dem Vaterlande, aber seine Anlagen im Auslande nützen der eng¬ lischen Macht. Unsre deutsche Finanz führt dagegen lieber in einem fremden Schlepptau. Nur in Kleinasten hat sich jetzt ein weiterer, selbständiger Blick gezeigt, und die Früchte werden auch nicht ausbleiben. In Anatolien sind Diplomatie und Börse erfolgreich Hand in Hand gegangen, und in derselben Weise müssen wir auch die portugiesische Kolonie wirtschaftlich unter unsre Obhut nehmen. Für Portugal sind wir angenehmere Gläubiger als das herrische Albion. Wir sind aber in Südafrika überhaupt zu wenig in finan¬ zieller Beziehung beteiligt und zu spät gekommen, während sich England. Frankreich und Holland schon den Löwenanteil gesichert hatten. Dabei blieben wir abhängig vom englischen Kapital und traten ohne eigne Thatkraft auf. Ja angesichts des Telegramms unsers Kaisers an Krüger mahnte der Leiter einer der größten deutschen Banken vor deutscher Anmaßung und empfahl recht patriotisch und mutig engsten Anschluß an Großbritannien, und auch jetzt ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/528>, abgerufen am 23.07.2024.