Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
vom Deutschenhaß

Volke! Er selbst läßt sich durch Anfechtungen wenig stören; er geht mit der
heitern Sicherheit des Bewußtseins, das Wohl der Nation zu wollen, dem
Ziele zu, das ihm in der Ferne winkt, und er wird es erreichen, denn er muß
^ es erreichen.




Vom Deutschenhaß

aß sich die Deutschen keiner großen Beliebtheit bei andern
Nationen erfreuen, wird wohl allgemein zugegeben werden, und
wenn man auch mancherlei Gründe dafür vorbringt, lassen sie
sich doch meistens auf das unklare Gefühl zurückführen, das auch
im Leben der Einzelnen den Ausschlag für Sympathie und Anti¬
pathie giebt. Wir mögen sie nicht leiden, sagt schon der Süddeutsche von den
Deutschen nordwärts von der Mainliuie; aus dem Munde von Bayern, die
sich für gute Deutsche und für Politiker halten, kann man vernehmen, sie
seien gegen die Verstärkung der deutscheu Seemacht, weil diese wieder nur den
Preußen zu gute kommen werde. Was wir an Fremden, z. B. den Eng¬
ländern, nur zu oft bewundert haben, das rücksichtslos geltend gemachte starke
Selbstgefühl, die Anmaßung in der Politik wie im Verkehr, erscheint an Unsers-
gleichen unerträglich. Und zum größten Unheil haben wir es trotz aller Auf¬
klärung und aller Verträge noch immer nicht zu wirklicher Verträglichkeit und
Duldsamkeit gebracht. Da liegt die Schuld offenkundig auf beiden Seiten;
man bekümmert sich viel zu gern um das Seelenheil der andern, Mißachtung
und Mißtrauen verstärken immer aufs neue die verhängnisvolle Scheidewand
zwischen Katholiken und Protestanten, und Ungläubige wie Gläubige geben
den Fanatikern verschiedner Farben die Gelegenheit, sich in Angelegenheiten,
die Sache der Einzelnen sein sollten, versetzend einzumischen. Von einem
Parlamentarischen Minister in Österreich ist das Wort verbreitet worden: Wie
sollen wir für einander einstehen, wenn wir einander nicht ausstehen können!

Die Ursachen der unfreundlichen Stimmung, der wir so oft bei unsern
Nachbarn begegnen, liegen nicht immer so offen auf der Hand. Ein Staats¬
mann in den Niederlanden, mit dem ich unlängst über die namentlich auch
während des deutsch-französischen Krieges zur Schau getragne Abneigung seiner
Landsleute gegen Deutschland sprach, erklärte die Holländer für Thoren, die
nicht wissen wollen, daß ihr Feind immer Frankreich gewesen ist, daß noch
Louis Napoleon dem Könige Wilhelm eine Teilung des mitunter lästigen
Belgien nahegelegt hat -- eine Lockung, die man im Haag klugerweise nicht


vom Deutschenhaß

Volke! Er selbst läßt sich durch Anfechtungen wenig stören; er geht mit der
heitern Sicherheit des Bewußtseins, das Wohl der Nation zu wollen, dem
Ziele zu, das ihm in der Ferne winkt, und er wird es erreichen, denn er muß
^ es erreichen.




Vom Deutschenhaß

aß sich die Deutschen keiner großen Beliebtheit bei andern
Nationen erfreuen, wird wohl allgemein zugegeben werden, und
wenn man auch mancherlei Gründe dafür vorbringt, lassen sie
sich doch meistens auf das unklare Gefühl zurückführen, das auch
im Leben der Einzelnen den Ausschlag für Sympathie und Anti¬
pathie giebt. Wir mögen sie nicht leiden, sagt schon der Süddeutsche von den
Deutschen nordwärts von der Mainliuie; aus dem Munde von Bayern, die
sich für gute Deutsche und für Politiker halten, kann man vernehmen, sie
seien gegen die Verstärkung der deutscheu Seemacht, weil diese wieder nur den
Preußen zu gute kommen werde. Was wir an Fremden, z. B. den Eng¬
ländern, nur zu oft bewundert haben, das rücksichtslos geltend gemachte starke
Selbstgefühl, die Anmaßung in der Politik wie im Verkehr, erscheint an Unsers-
gleichen unerträglich. Und zum größten Unheil haben wir es trotz aller Auf¬
klärung und aller Verträge noch immer nicht zu wirklicher Verträglichkeit und
Duldsamkeit gebracht. Da liegt die Schuld offenkundig auf beiden Seiten;
man bekümmert sich viel zu gern um das Seelenheil der andern, Mißachtung
und Mißtrauen verstärken immer aufs neue die verhängnisvolle Scheidewand
zwischen Katholiken und Protestanten, und Ungläubige wie Gläubige geben
den Fanatikern verschiedner Farben die Gelegenheit, sich in Angelegenheiten,
die Sache der Einzelnen sein sollten, versetzend einzumischen. Von einem
Parlamentarischen Minister in Österreich ist das Wort verbreitet worden: Wie
sollen wir für einander einstehen, wenn wir einander nicht ausstehen können!

Die Ursachen der unfreundlichen Stimmung, der wir so oft bei unsern
Nachbarn begegnen, liegen nicht immer so offen auf der Hand. Ein Staats¬
mann in den Niederlanden, mit dem ich unlängst über die namentlich auch
während des deutsch-französischen Krieges zur Schau getragne Abneigung seiner
Landsleute gegen Deutschland sprach, erklärte die Holländer für Thoren, die
nicht wissen wollen, daß ihr Feind immer Frankreich gewesen ist, daß noch
Louis Napoleon dem Könige Wilhelm eine Teilung des mitunter lästigen
Belgien nahegelegt hat — eine Lockung, die man im Haag klugerweise nicht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0519" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/228155"/>
          <fw type="header" place="top"> vom Deutschenhaß</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1411" prev="#ID_1410"> Volke! Er selbst läßt sich durch Anfechtungen wenig stören; er geht mit der<lb/>
heitern Sicherheit des Bewußtseins, das Wohl der Nation zu wollen, dem<lb/>
Ziele zu, das ihm in der Ferne winkt, und er wird es erreichen, denn er muß<lb/><note type="byline"> ^</note> es erreichen. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Vom Deutschenhaß</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1412"> aß sich die Deutschen keiner großen Beliebtheit bei andern<lb/>
Nationen erfreuen, wird wohl allgemein zugegeben werden, und<lb/>
wenn man auch mancherlei Gründe dafür vorbringt, lassen sie<lb/>
sich doch meistens auf das unklare Gefühl zurückführen, das auch<lb/>
im Leben der Einzelnen den Ausschlag für Sympathie und Anti¬<lb/>
pathie giebt. Wir mögen sie nicht leiden, sagt schon der Süddeutsche von den<lb/>
Deutschen nordwärts von der Mainliuie; aus dem Munde von Bayern, die<lb/>
sich für gute Deutsche und für Politiker halten, kann man vernehmen, sie<lb/>
seien gegen die Verstärkung der deutscheu Seemacht, weil diese wieder nur den<lb/>
Preußen zu gute kommen werde. Was wir an Fremden, z. B. den Eng¬<lb/>
ländern, nur zu oft bewundert haben, das rücksichtslos geltend gemachte starke<lb/>
Selbstgefühl, die Anmaßung in der Politik wie im Verkehr, erscheint an Unsers-<lb/>
gleichen unerträglich. Und zum größten Unheil haben wir es trotz aller Auf¬<lb/>
klärung und aller Verträge noch immer nicht zu wirklicher Verträglichkeit und<lb/>
Duldsamkeit gebracht. Da liegt die Schuld offenkundig auf beiden Seiten;<lb/>
man bekümmert sich viel zu gern um das Seelenheil der andern, Mißachtung<lb/>
und Mißtrauen verstärken immer aufs neue die verhängnisvolle Scheidewand<lb/>
zwischen Katholiken und Protestanten, und Ungläubige wie Gläubige geben<lb/>
den Fanatikern verschiedner Farben die Gelegenheit, sich in Angelegenheiten,<lb/>
die Sache der Einzelnen sein sollten, versetzend einzumischen. Von einem<lb/>
Parlamentarischen Minister in Österreich ist das Wort verbreitet worden: Wie<lb/>
sollen wir für einander einstehen, wenn wir einander nicht ausstehen können!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1413" next="#ID_1414"> Die Ursachen der unfreundlichen Stimmung, der wir so oft bei unsern<lb/>
Nachbarn begegnen, liegen nicht immer so offen auf der Hand. Ein Staats¬<lb/>
mann in den Niederlanden, mit dem ich unlängst über die namentlich auch<lb/>
während des deutsch-französischen Krieges zur Schau getragne Abneigung seiner<lb/>
Landsleute gegen Deutschland sprach, erklärte die Holländer für Thoren, die<lb/>
nicht wissen wollen, daß ihr Feind immer Frankreich gewesen ist, daß noch<lb/>
Louis Napoleon dem Könige Wilhelm eine Teilung des mitunter lästigen<lb/>
Belgien nahegelegt hat &#x2014; eine Lockung, die man im Haag klugerweise nicht</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0519] vom Deutschenhaß Volke! Er selbst läßt sich durch Anfechtungen wenig stören; er geht mit der heitern Sicherheit des Bewußtseins, das Wohl der Nation zu wollen, dem Ziele zu, das ihm in der Ferne winkt, und er wird es erreichen, denn er muß ^ es erreichen. Vom Deutschenhaß aß sich die Deutschen keiner großen Beliebtheit bei andern Nationen erfreuen, wird wohl allgemein zugegeben werden, und wenn man auch mancherlei Gründe dafür vorbringt, lassen sie sich doch meistens auf das unklare Gefühl zurückführen, das auch im Leben der Einzelnen den Ausschlag für Sympathie und Anti¬ pathie giebt. Wir mögen sie nicht leiden, sagt schon der Süddeutsche von den Deutschen nordwärts von der Mainliuie; aus dem Munde von Bayern, die sich für gute Deutsche und für Politiker halten, kann man vernehmen, sie seien gegen die Verstärkung der deutscheu Seemacht, weil diese wieder nur den Preußen zu gute kommen werde. Was wir an Fremden, z. B. den Eng¬ ländern, nur zu oft bewundert haben, das rücksichtslos geltend gemachte starke Selbstgefühl, die Anmaßung in der Politik wie im Verkehr, erscheint an Unsers- gleichen unerträglich. Und zum größten Unheil haben wir es trotz aller Auf¬ klärung und aller Verträge noch immer nicht zu wirklicher Verträglichkeit und Duldsamkeit gebracht. Da liegt die Schuld offenkundig auf beiden Seiten; man bekümmert sich viel zu gern um das Seelenheil der andern, Mißachtung und Mißtrauen verstärken immer aufs neue die verhängnisvolle Scheidewand zwischen Katholiken und Protestanten, und Ungläubige wie Gläubige geben den Fanatikern verschiedner Farben die Gelegenheit, sich in Angelegenheiten, die Sache der Einzelnen sein sollten, versetzend einzumischen. Von einem Parlamentarischen Minister in Österreich ist das Wort verbreitet worden: Wie sollen wir für einander einstehen, wenn wir einander nicht ausstehen können! Die Ursachen der unfreundlichen Stimmung, der wir so oft bei unsern Nachbarn begegnen, liegen nicht immer so offen auf der Hand. Ein Staats¬ mann in den Niederlanden, mit dem ich unlängst über die namentlich auch während des deutsch-französischen Krieges zur Schau getragne Abneigung seiner Landsleute gegen Deutschland sprach, erklärte die Holländer für Thoren, die nicht wissen wollen, daß ihr Feind immer Frankreich gewesen ist, daß noch Louis Napoleon dem Könige Wilhelm eine Teilung des mitunter lästigen Belgien nahegelegt hat — eine Lockung, die man im Haag klugerweise nicht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/519
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/519>, abgerufen am 27.12.2024.