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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Die Doktorfrage

sie angewiesen. Das legt leicht die Versuchung nahe, daß sie bei Übertretungen
zu schonend gegen diese Beamten vorgehn. Sie und die Gerichte müssen mit
eiserner Strenge Amtsüberschreitungen der Polizeibeamten verfolgen. Und
ebenso mögen die Beamten, die in Begnadigungsfällen den ausschlaggebenden
Vortrag halten, recht gründlich prüfen und auch auf das verletzte Rechts-
bewußtsein im Volke Rücksicht nehmen. Geschieht dies, so ist mit den be¬
stehenden Gesetzen wohl auszukommen, und die Gefahr ist völlig ausgeschlossen,
daß wir uns dem unerträglichen Zustand eines uniformirten Banditentums
nähern. Dem Publikum bleibt die Aufgabe, bei einem Konflikt mit Polizei¬
beamten um jeden Preis Ruhe zu halten, freilich auch ihre Amtsüberschrei¬
tungen rücksichtslos anzuzeigen.


F. Llvers


Die Doktorfrage

ehrfach ist in den letzten Jahren bei den Verhandlungen des
preußischen Abgeordnetenhauses eine Frage zur Sprache gebracht
worden, die gegenüber den gewaltigen andern Aufgaben der Unter¬
richtsverwaltung nur eine bescheidne Bedeutung beanspruchen
kann, deren endliche Regelung aber einmal wird erfolgen müssen;
es ist dies die Frage einer einheitlichen Regelung der Bedingungen, unter
denen an einer Universität des Deutschen Reichs die Doktorwürde erworben
werden kann.

Schon etwa vor zwanzig Jahren brachte Theodor Mommsen im preußischen
Abgeordnetenhause diese Frage zur Sprache, und zwar bei einem in jener
Zeit vielfach besprochnen Falle: die philosophische Fakultät einer deutschen
Universität hatte einem ihr ganz unbekannten Manne ohne jede nähere Prüfung
den Doktortitel verliehen, lediglich auf Grund einer von ihm vorgelegten Ab¬
handlung, die, wie sich alsbald nach ihrer Veröffentlichung herausstellte, wört¬
lich aus schon früher erschienenen wissenschaftlichen Arbeiten abgeschrieben war.
Mommsen regte damals die Frage an, ob es sich nicht empföhle, daß das
Reich die Promotionsfrage einheitlich regle, um in Zukunft derartige Mi߬
bräuche auszuschließen. Irgend welchen Erfolg hat diese Anregung nicht gehabt;
noch heute herrscht an den verschiednen Universitäten -- oft sogar desselben
Bundesstnats -- eine erstaunliche Verschiedenheit der Anforderungen, die bei
der Erteilung der Doktorwürde gestellt werden. Daraus erklären sich That¬
sachen, die von Zeit zu Zeit in der Tagespresse hämisch besprochen werden,
und die der deutschen Wissenschaft, insbesondre den Universitäten, nicht zur


Die Doktorfrage

sie angewiesen. Das legt leicht die Versuchung nahe, daß sie bei Übertretungen
zu schonend gegen diese Beamten vorgehn. Sie und die Gerichte müssen mit
eiserner Strenge Amtsüberschreitungen der Polizeibeamten verfolgen. Und
ebenso mögen die Beamten, die in Begnadigungsfällen den ausschlaggebenden
Vortrag halten, recht gründlich prüfen und auch auf das verletzte Rechts-
bewußtsein im Volke Rücksicht nehmen. Geschieht dies, so ist mit den be¬
stehenden Gesetzen wohl auszukommen, und die Gefahr ist völlig ausgeschlossen,
daß wir uns dem unerträglichen Zustand eines uniformirten Banditentums
nähern. Dem Publikum bleibt die Aufgabe, bei einem Konflikt mit Polizei¬
beamten um jeden Preis Ruhe zu halten, freilich auch ihre Amtsüberschrei¬
tungen rücksichtslos anzuzeigen.


F. Llvers


Die Doktorfrage

ehrfach ist in den letzten Jahren bei den Verhandlungen des
preußischen Abgeordnetenhauses eine Frage zur Sprache gebracht
worden, die gegenüber den gewaltigen andern Aufgaben der Unter¬
richtsverwaltung nur eine bescheidne Bedeutung beanspruchen
kann, deren endliche Regelung aber einmal wird erfolgen müssen;
es ist dies die Frage einer einheitlichen Regelung der Bedingungen, unter
denen an einer Universität des Deutschen Reichs die Doktorwürde erworben
werden kann.

Schon etwa vor zwanzig Jahren brachte Theodor Mommsen im preußischen
Abgeordnetenhause diese Frage zur Sprache, und zwar bei einem in jener
Zeit vielfach besprochnen Falle: die philosophische Fakultät einer deutschen
Universität hatte einem ihr ganz unbekannten Manne ohne jede nähere Prüfung
den Doktortitel verliehen, lediglich auf Grund einer von ihm vorgelegten Ab¬
handlung, die, wie sich alsbald nach ihrer Veröffentlichung herausstellte, wört¬
lich aus schon früher erschienenen wissenschaftlichen Arbeiten abgeschrieben war.
Mommsen regte damals die Frage an, ob es sich nicht empföhle, daß das
Reich die Promotionsfrage einheitlich regle, um in Zukunft derartige Mi߬
bräuche auszuschließen. Irgend welchen Erfolg hat diese Anregung nicht gehabt;
noch heute herrscht an den verschiednen Universitäten — oft sogar desselben
Bundesstnats — eine erstaunliche Verschiedenheit der Anforderungen, die bei
der Erteilung der Doktorwürde gestellt werden. Daraus erklären sich That¬
sachen, die von Zeit zu Zeit in der Tagespresse hämisch besprochen werden,
und die der deutschen Wissenschaft, insbesondre den Universitäten, nicht zur


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/434>, abgerufen am 23.07.2024.