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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Siams Uulturbestrebungen und Deutschlands Anteil

In frühern Jahren hatte man sich mehrfach, wie das wohl am nächsten
lag, an England angelehnt und Engländer in den siamesischen Dienst über¬
nommen. So finden wir auch noch englische Ratgeber in der Zoll-, Finanz-
und Justizverwaltung. Aber in neuerer Zeit hat man die Deutschen vorge¬
zogen, weil die Siamesische Regierung mit ihnen besser fuhr als mit den eng¬
lischen Beamten. Es soll daher kommen, daß England die Beamten einfach
aus ihrem Dienstverhältnis entläßt, während Deutschland sie nur beurlaubt.
Dieses fortdauernde Abhängigkeitsverhältnis vom Heimatlande soll nach den
Ersahrungen der siamesischen Regierung günstig auf die Pflichttreue der über-
nommnen Beamten wirken. Schon 1890 klagten englische Zeitungen, wie
^lo,ö8 und LtanäMä, über den wachsenden Einfluß der Deutschen, die sich
auf friedlichem Wege mit jedem Tage in Siam fester setzten. Natürlich fehlte
es nun nicht an Eifersüchteleien und Treibereien der Engländer. Trotz alledem
schwand aber der englische Einfluß immer mehr, und der deutsche trat an seiue
Stelle. Es wurde dies auch mit veranlaßt durch die schlechten Erfahrungen,
die Siam beim Vahnbau mit den Engländern machte.

Obgleich ein Deutscher, Baurat Bethge, an die Spitze des 1890 be¬
gonnenen Nagara-Rajasema-Bauunternehmens gestellt worden war, so wußte
doch die englische Regierung durch Druck auf Siam der Firma Murray und
Campbell die Lieferungen zu verschaffen; die deutschen Firmen, mit denen schon
verhandelt worden war, mußten zurücktreten. Da aber bald Zwistigkeiten
zwischen den Bauleitern und der englischen Gesellschaft entstanden, mußten
1896 infolge eines Schiedsspruchs, bei dem auch der Geheime Oberbaurat
Lange aus Berlin mitwirkte, die Engländer zurücktreten, und deutsche Kopfe
und Hände förderten nun in sehr schneller Zeit das gänzlich "erfahrne Unter¬
nehmen, und zwar bedeutend billiger. Bis jetzt sind 150 Kilometer dieser
Bahn, die eine Länge von 265 Kilometer erreichen soll, fertig. Sie wird
Bangkok mit dem im Innern, nach Nordosten zu gelegnen, ziemlich bedeutenden
Handelsplätze Korat verbinden. Außer Baurat Bethge wirkt als Betriebs¬
direktor Oberbaurat Rvhus. Die höhern Betriebsbeamten sind fast ausschlie߬
lich Deutsche, die höhern Techniker aber sind nur zur Hälfte Deutsche, zur
andern Hälfte Engländer und Dänen. Die Wagen sind von England geliefert
worden; bei der Lieferung der Lokomotiven war auch die Firma Krauß und
Comp. in München beteiligt. Der Betrieb auf der Bahn ist pünktlich und
sicher, und überall macht sich hier deutscher Einfluß auf das vorteilhafteste
bemerkbar. Auch die siamesischen Schaffner und Bahnhofsvorsteher machen in
ihren saubern Uniformen einen guten Eindruck.

In noch höheren Maße zeigt sich der deutsche Einfluß im PostWesen.
Es lag wohl nahe, Vertretern des Landes, von dem die Begründung des
Weltpostvereins ausging, die Einrichtung der Post und des Telegraphenwesens
anzuvertrauen. Mitte der achtziger Jahre übernahm der damalige Postinspektor
Pankow mit Bewilligung des Reichspostamts die Aufgabe, als oberster


Siams Uulturbestrebungen und Deutschlands Anteil

In frühern Jahren hatte man sich mehrfach, wie das wohl am nächsten
lag, an England angelehnt und Engländer in den siamesischen Dienst über¬
nommen. So finden wir auch noch englische Ratgeber in der Zoll-, Finanz-
und Justizverwaltung. Aber in neuerer Zeit hat man die Deutschen vorge¬
zogen, weil die Siamesische Regierung mit ihnen besser fuhr als mit den eng¬
lischen Beamten. Es soll daher kommen, daß England die Beamten einfach
aus ihrem Dienstverhältnis entläßt, während Deutschland sie nur beurlaubt.
Dieses fortdauernde Abhängigkeitsverhältnis vom Heimatlande soll nach den
Ersahrungen der siamesischen Regierung günstig auf die Pflichttreue der über-
nommnen Beamten wirken. Schon 1890 klagten englische Zeitungen, wie
^lo,ö8 und LtanäMä, über den wachsenden Einfluß der Deutschen, die sich
auf friedlichem Wege mit jedem Tage in Siam fester setzten. Natürlich fehlte
es nun nicht an Eifersüchteleien und Treibereien der Engländer. Trotz alledem
schwand aber der englische Einfluß immer mehr, und der deutsche trat an seiue
Stelle. Es wurde dies auch mit veranlaßt durch die schlechten Erfahrungen,
die Siam beim Vahnbau mit den Engländern machte.

Obgleich ein Deutscher, Baurat Bethge, an die Spitze des 1890 be¬
gonnenen Nagara-Rajasema-Bauunternehmens gestellt worden war, so wußte
doch die englische Regierung durch Druck auf Siam der Firma Murray und
Campbell die Lieferungen zu verschaffen; die deutschen Firmen, mit denen schon
verhandelt worden war, mußten zurücktreten. Da aber bald Zwistigkeiten
zwischen den Bauleitern und der englischen Gesellschaft entstanden, mußten
1896 infolge eines Schiedsspruchs, bei dem auch der Geheime Oberbaurat
Lange aus Berlin mitwirkte, die Engländer zurücktreten, und deutsche Kopfe
und Hände förderten nun in sehr schneller Zeit das gänzlich »erfahrne Unter¬
nehmen, und zwar bedeutend billiger. Bis jetzt sind 150 Kilometer dieser
Bahn, die eine Länge von 265 Kilometer erreichen soll, fertig. Sie wird
Bangkok mit dem im Innern, nach Nordosten zu gelegnen, ziemlich bedeutenden
Handelsplätze Korat verbinden. Außer Baurat Bethge wirkt als Betriebs¬
direktor Oberbaurat Rvhus. Die höhern Betriebsbeamten sind fast ausschlie߬
lich Deutsche, die höhern Techniker aber sind nur zur Hälfte Deutsche, zur
andern Hälfte Engländer und Dänen. Die Wagen sind von England geliefert
worden; bei der Lieferung der Lokomotiven war auch die Firma Krauß und
Comp. in München beteiligt. Der Betrieb auf der Bahn ist pünktlich und
sicher, und überall macht sich hier deutscher Einfluß auf das vorteilhafteste
bemerkbar. Auch die siamesischen Schaffner und Bahnhofsvorsteher machen in
ihren saubern Uniformen einen guten Eindruck.

In noch höheren Maße zeigt sich der deutsche Einfluß im PostWesen.
Es lag wohl nahe, Vertretern des Landes, von dem die Begründung des
Weltpostvereins ausging, die Einrichtung der Post und des Telegraphenwesens
anzuvertrauen. Mitte der achtziger Jahre übernahm der damalige Postinspektor
Pankow mit Bewilligung des Reichspostamts die Aufgabe, als oberster


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[0419] Siams Uulturbestrebungen und Deutschlands Anteil In frühern Jahren hatte man sich mehrfach, wie das wohl am nächsten lag, an England angelehnt und Engländer in den siamesischen Dienst über¬ nommen. So finden wir auch noch englische Ratgeber in der Zoll-, Finanz- und Justizverwaltung. Aber in neuerer Zeit hat man die Deutschen vorge¬ zogen, weil die Siamesische Regierung mit ihnen besser fuhr als mit den eng¬ lischen Beamten. Es soll daher kommen, daß England die Beamten einfach aus ihrem Dienstverhältnis entläßt, während Deutschland sie nur beurlaubt. Dieses fortdauernde Abhängigkeitsverhältnis vom Heimatlande soll nach den Ersahrungen der siamesischen Regierung günstig auf die Pflichttreue der über- nommnen Beamten wirken. Schon 1890 klagten englische Zeitungen, wie ^lo,ö8 und LtanäMä, über den wachsenden Einfluß der Deutschen, die sich auf friedlichem Wege mit jedem Tage in Siam fester setzten. Natürlich fehlte es nun nicht an Eifersüchteleien und Treibereien der Engländer. Trotz alledem schwand aber der englische Einfluß immer mehr, und der deutsche trat an seiue Stelle. Es wurde dies auch mit veranlaßt durch die schlechten Erfahrungen, die Siam beim Vahnbau mit den Engländern machte. Obgleich ein Deutscher, Baurat Bethge, an die Spitze des 1890 be¬ gonnenen Nagara-Rajasema-Bauunternehmens gestellt worden war, so wußte doch die englische Regierung durch Druck auf Siam der Firma Murray und Campbell die Lieferungen zu verschaffen; die deutschen Firmen, mit denen schon verhandelt worden war, mußten zurücktreten. Da aber bald Zwistigkeiten zwischen den Bauleitern und der englischen Gesellschaft entstanden, mußten 1896 infolge eines Schiedsspruchs, bei dem auch der Geheime Oberbaurat Lange aus Berlin mitwirkte, die Engländer zurücktreten, und deutsche Kopfe und Hände förderten nun in sehr schneller Zeit das gänzlich »erfahrne Unter¬ nehmen, und zwar bedeutend billiger. Bis jetzt sind 150 Kilometer dieser Bahn, die eine Länge von 265 Kilometer erreichen soll, fertig. Sie wird Bangkok mit dem im Innern, nach Nordosten zu gelegnen, ziemlich bedeutenden Handelsplätze Korat verbinden. Außer Baurat Bethge wirkt als Betriebs¬ direktor Oberbaurat Rvhus. Die höhern Betriebsbeamten sind fast ausschlie߬ lich Deutsche, die höhern Techniker aber sind nur zur Hälfte Deutsche, zur andern Hälfte Engländer und Dänen. Die Wagen sind von England geliefert worden; bei der Lieferung der Lokomotiven war auch die Firma Krauß und Comp. in München beteiligt. Der Betrieb auf der Bahn ist pünktlich und sicher, und überall macht sich hier deutscher Einfluß auf das vorteilhafteste bemerkbar. Auch die siamesischen Schaffner und Bahnhofsvorsteher machen in ihren saubern Uniformen einen guten Eindruck. In noch höheren Maße zeigt sich der deutsche Einfluß im PostWesen. Es lag wohl nahe, Vertretern des Landes, von dem die Begründung des Weltpostvereins ausging, die Einrichtung der Post und des Telegraphenwesens anzuvertrauen. Mitte der achtziger Jahre übernahm der damalige Postinspektor Pankow mit Bewilligung des Reichspostamts die Aufgabe, als oberster

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/419>, abgerufen am 26.08.2024.