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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Goethe als Kriegsminister

nach außen stellte sich dem Auge Goethes die kleine Militärmacht dar. Wohl
waren nach den "Stamm- und Nationallisten" vom 1. Juli 1779 schon viel
überflüssige Anhängsel beseitigt, das herzogliche Artilleriekorps auf den Kapitän
Jean Antoine Joseph de Castrvp mit einem Zeugwärter, einem Zeugschreiber,
einem Korporal, einem Schafter und sechs Kanonieren beschränkt, das Husaren¬
korps unter dem Rittmeister Friedrich von Lichtenberg auf einen Wachtmeister,
einen Quartiermeister, vier Korporals, einen Trompeter und vierundvierzig
Husaren gebracht, das Infanterieregiment uuter dem Obersten Johann Maxi¬
milian von Laßberg bestand außer den Stäben nur noch aus acht Kom¬
pagnien, von denen die sechs ersten in Weimar und Eisenach durchschnittlich
einen Bestand von hundert Mann (Offiziere, Unteroffiziere und Spielleute mit
eingerechnet), die beiden Garnisonkompagnicn zu Jena gar nur von fünfzig bis
sechzig Mann hatten. Aber selbst diese geringfügige Zahl verschlang für die
Verhältnisse des vom siebenjährigen Kriege her noch schwer verschuldeten Landes
dann zu große Summen, wenn sie dauernd uuter Waffen blieb.

Goethe schrieb am 10. Juni 1779 in sein Tagebuch: "Der Herzog ist
bald über die große Krise weg und giebt mir schone Hoffnung, daß er auch
auf diesen Fels herauf komme und eine Weile in der Ebne wandeln wird. --
Dunkler Plan der Reduction des Militairs und Hoffnung, den gew. (Volg-
ftedt?) bald los zu werden"; damit bezeichnete er die Erwartung und Sehn¬
sucht, womit er die Kriegsministerschaft hauptsächlich übernommen hatte. Und
nun wurden in der That von 1780 an seine Pläne verwirklicht. Der Herzog
stimmte zu, daß umfassende Beurlaubungen eintraten, die sich auf den größten
Teil des Jahres erstreckten. In jedem Herbst wurde die gesamte Infanterie
zu vierwöchigen Übungen zusammengezogen, darnach aber ins Land entlassen,
was nur ein Daheim hatte. Die Kompagnien schmolzen ans vierzig Mann
zusammen, man hatte in Weimar und Eisenach gerade genug Soldaten, um
die Schloßwachen und Thorwachen zu besetzen, zu plötzlichen Kommandos
waren die Husaren geeignet, die, nebenbei gesagt, dem Herrn Kriegsminister
mehr Unruhe und Verdruß bereiteten, als die ganze Infanterie und Artillerie
zusammengenommen. Da war uach den Akten unendlich viel zu schlichten und
zu regeln, unter den "Exzessen" der Militärkommissionsakten spielten die
Schlägereien zwischen Reitern und Fußgängern ihre Rolle (eine besonders
schlimme von 1780 zwischen dem Husaren Bricke und dem Grenadier Gollum);
da verlangte Eva Susanna Meißner in Weimar aus beweglichen Gründen,
daß der Husarenquartiermeister Giehan angehalten werden möchte, "die Ehe
mit ihr durch priesterliche Kopulation zu vollziehen" (Militärwesen, Exzesse
und Strafen. Geheime Kanzlei Acten Cap. XIX. 90 u. 155); da führte der
Husarenrittmeister Lichtenberg grimmige Beschwerde gegen den Stadtschreiber
Voigt zu Buttelstädt, der 1783 wegen des Jahrmarkts in diesem Städtchen
die Einquartierung der Husaren in Bürgerhäuser verweigert hatte. Die In¬
fanterie war natürlich zahmer, der Wacht- und Garnisondienst, wenn auch nicht


Goethe als Kriegsminister

nach außen stellte sich dem Auge Goethes die kleine Militärmacht dar. Wohl
waren nach den „Stamm- und Nationallisten" vom 1. Juli 1779 schon viel
überflüssige Anhängsel beseitigt, das herzogliche Artilleriekorps auf den Kapitän
Jean Antoine Joseph de Castrvp mit einem Zeugwärter, einem Zeugschreiber,
einem Korporal, einem Schafter und sechs Kanonieren beschränkt, das Husaren¬
korps unter dem Rittmeister Friedrich von Lichtenberg auf einen Wachtmeister,
einen Quartiermeister, vier Korporals, einen Trompeter und vierundvierzig
Husaren gebracht, das Infanterieregiment uuter dem Obersten Johann Maxi¬
milian von Laßberg bestand außer den Stäben nur noch aus acht Kom¬
pagnien, von denen die sechs ersten in Weimar und Eisenach durchschnittlich
einen Bestand von hundert Mann (Offiziere, Unteroffiziere und Spielleute mit
eingerechnet), die beiden Garnisonkompagnicn zu Jena gar nur von fünfzig bis
sechzig Mann hatten. Aber selbst diese geringfügige Zahl verschlang für die
Verhältnisse des vom siebenjährigen Kriege her noch schwer verschuldeten Landes
dann zu große Summen, wenn sie dauernd uuter Waffen blieb.

Goethe schrieb am 10. Juni 1779 in sein Tagebuch: „Der Herzog ist
bald über die große Krise weg und giebt mir schone Hoffnung, daß er auch
auf diesen Fels herauf komme und eine Weile in der Ebne wandeln wird. —
Dunkler Plan der Reduction des Militairs und Hoffnung, den gew. (Volg-
ftedt?) bald los zu werden"; damit bezeichnete er die Erwartung und Sehn¬
sucht, womit er die Kriegsministerschaft hauptsächlich übernommen hatte. Und
nun wurden in der That von 1780 an seine Pläne verwirklicht. Der Herzog
stimmte zu, daß umfassende Beurlaubungen eintraten, die sich auf den größten
Teil des Jahres erstreckten. In jedem Herbst wurde die gesamte Infanterie
zu vierwöchigen Übungen zusammengezogen, darnach aber ins Land entlassen,
was nur ein Daheim hatte. Die Kompagnien schmolzen ans vierzig Mann
zusammen, man hatte in Weimar und Eisenach gerade genug Soldaten, um
die Schloßwachen und Thorwachen zu besetzen, zu plötzlichen Kommandos
waren die Husaren geeignet, die, nebenbei gesagt, dem Herrn Kriegsminister
mehr Unruhe und Verdruß bereiteten, als die ganze Infanterie und Artillerie
zusammengenommen. Da war uach den Akten unendlich viel zu schlichten und
zu regeln, unter den „Exzessen" der Militärkommissionsakten spielten die
Schlägereien zwischen Reitern und Fußgängern ihre Rolle (eine besonders
schlimme von 1780 zwischen dem Husaren Bricke und dem Grenadier Gollum);
da verlangte Eva Susanna Meißner in Weimar aus beweglichen Gründen,
daß der Husarenquartiermeister Giehan angehalten werden möchte, „die Ehe
mit ihr durch priesterliche Kopulation zu vollziehen" (Militärwesen, Exzesse
und Strafen. Geheime Kanzlei Acten Cap. XIX. 90 u. 155); da führte der
Husarenrittmeister Lichtenberg grimmige Beschwerde gegen den Stadtschreiber
Voigt zu Buttelstädt, der 1783 wegen des Jahrmarkts in diesem Städtchen
die Einquartierung der Husaren in Bürgerhäuser verweigert hatte. Die In¬
fanterie war natürlich zahmer, der Wacht- und Garnisondienst, wenn auch nicht


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[0391] Goethe als Kriegsminister nach außen stellte sich dem Auge Goethes die kleine Militärmacht dar. Wohl waren nach den „Stamm- und Nationallisten" vom 1. Juli 1779 schon viel überflüssige Anhängsel beseitigt, das herzogliche Artilleriekorps auf den Kapitän Jean Antoine Joseph de Castrvp mit einem Zeugwärter, einem Zeugschreiber, einem Korporal, einem Schafter und sechs Kanonieren beschränkt, das Husaren¬ korps unter dem Rittmeister Friedrich von Lichtenberg auf einen Wachtmeister, einen Quartiermeister, vier Korporals, einen Trompeter und vierundvierzig Husaren gebracht, das Infanterieregiment uuter dem Obersten Johann Maxi¬ milian von Laßberg bestand außer den Stäben nur noch aus acht Kom¬ pagnien, von denen die sechs ersten in Weimar und Eisenach durchschnittlich einen Bestand von hundert Mann (Offiziere, Unteroffiziere und Spielleute mit eingerechnet), die beiden Garnisonkompagnicn zu Jena gar nur von fünfzig bis sechzig Mann hatten. Aber selbst diese geringfügige Zahl verschlang für die Verhältnisse des vom siebenjährigen Kriege her noch schwer verschuldeten Landes dann zu große Summen, wenn sie dauernd uuter Waffen blieb. Goethe schrieb am 10. Juni 1779 in sein Tagebuch: „Der Herzog ist bald über die große Krise weg und giebt mir schone Hoffnung, daß er auch auf diesen Fels herauf komme und eine Weile in der Ebne wandeln wird. — Dunkler Plan der Reduction des Militairs und Hoffnung, den gew. (Volg- ftedt?) bald los zu werden"; damit bezeichnete er die Erwartung und Sehn¬ sucht, womit er die Kriegsministerschaft hauptsächlich übernommen hatte. Und nun wurden in der That von 1780 an seine Pläne verwirklicht. Der Herzog stimmte zu, daß umfassende Beurlaubungen eintraten, die sich auf den größten Teil des Jahres erstreckten. In jedem Herbst wurde die gesamte Infanterie zu vierwöchigen Übungen zusammengezogen, darnach aber ins Land entlassen, was nur ein Daheim hatte. Die Kompagnien schmolzen ans vierzig Mann zusammen, man hatte in Weimar und Eisenach gerade genug Soldaten, um die Schloßwachen und Thorwachen zu besetzen, zu plötzlichen Kommandos waren die Husaren geeignet, die, nebenbei gesagt, dem Herrn Kriegsminister mehr Unruhe und Verdruß bereiteten, als die ganze Infanterie und Artillerie zusammengenommen. Da war uach den Akten unendlich viel zu schlichten und zu regeln, unter den „Exzessen" der Militärkommissionsakten spielten die Schlägereien zwischen Reitern und Fußgängern ihre Rolle (eine besonders schlimme von 1780 zwischen dem Husaren Bricke und dem Grenadier Gollum); da verlangte Eva Susanna Meißner in Weimar aus beweglichen Gründen, daß der Husarenquartiermeister Giehan angehalten werden möchte, „die Ehe mit ihr durch priesterliche Kopulation zu vollziehen" (Militärwesen, Exzesse und Strafen. Geheime Kanzlei Acten Cap. XIX. 90 u. 155); da führte der Husarenrittmeister Lichtenberg grimmige Beschwerde gegen den Stadtschreiber Voigt zu Buttelstädt, der 1783 wegen des Jahrmarkts in diesem Städtchen die Einquartierung der Husaren in Bürgerhäuser verweigert hatte. Die In¬ fanterie war natürlich zahmer, der Wacht- und Garnisondienst, wenn auch nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/391>, abgerufen am 23.07.2024.