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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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werden. Diese drei Übergangsjahre sind mit Ostern 1894 zu Ende gegangen.
Nun behandelt der neuste Band der "Statistik der preußischen Landesuniver-
sitüten" die Zeit vom Herbst 1892 bis Ostern 1895, also sowohl die Über¬
gangsjahre wie auch zwei weitere Semester, wo sich das neue System der
Stipendienverleihung in voller Kraft äußern müßte. Obwohl nnn dieses
amtliche Quelleuwerk unglaublicherweise die Stipendien und Freitische zusammen¬
wirft, also die Gewinnung eines zutreffenden Bildes von dem Stipendien¬
wesen für sich allein unmöglich macht, ist doch mindestens so viel zweifellos,
daß die Ministerialverfügung sowohl in den Übergangsjahren wie auch in den
beiden Semestern darnach in der Praxis überhaupt nicht beobachtet worden
ist -- eine Erscheinung, die gerade in Preußen überaus sonderbar anmutet.
In deu erwähnten fünf Semestern vom Herbst 1892 bis Ostern 1895 haben
1669, 1248, 1669. 1262 und 1704 Empfänger gleich 60, 49, 62, 48 und
63 Prozent der Empfänger überhaupt Stipendien in geringerm Maße als dem
in der Ministerialverfügung festgesetzten Minimalbetrage bekommen. Und die
Summen, die man auch in diesen fünf Semestern noch in so winzigen Beträgen
-- man mochte wirklich fast sagen, verschleudert hat, belaufen sich auf nicht
weniger als 157040, 89288, 156562, 90644 und 163047 Mark, was 34,
24, 33, 20 und 34 Prozent der Gesamtausgaben, für Stipendien und Freitische
zusammen, ausmacht. Dieses unerquickliche Bild verändert sich noch weiter
zu seinen Ungunsten, sobald man nur einige ins einzelne gehende Berechnungen
anstellt. An einer andern Stelle des erwähnten amtlichen Quellcnwerks wird
der Geldwert der gewährten Freitische auf 71382. 64478, 72674. 67110 und
72014 Mark angegeben. Mit wenig Ausnahmen werden nnn zweifellos die
Freitische gerade an solche Stipendiaten gegeben worden sein, die nur kleinere
Stipendien beziehen. Man kann also wohl ohne großen Fehler den auf
diese Freitische entfallenden Betrag bei unsern obigen Summen in Abzug
bringen, um im großen und ganzen ungefähr den Stipendienbetrag zu er¬
mitteln, der in Wirklichkeit auf diese Empfänger der kleinern Stipenden ge¬
troffen haben mag. Thut man dies, dann berechnet sich für diese Kategorie
der Stipendiaten in deu Wintersemestern ein Durchschnitt der bezvgnen Sti¬
pendien von 50 bis 53, in den beiden Sommersemestern ein solcher von rund
20 Mark! Daß dieser lächerliche Durchschnitt aber wohl ein zutreffendes Bild
der wirklichen Sachlage giebt, entnehmen wir der Thatsache, mit der wir
diese statistischen Angaben abschließen wollen: die Zahl solcher Stipendiaten, die
an Stipendien und Freitischen zusammen höchstens 50 Mark (!) in den erwähnten
fünf Semestern bezogen haben, betrug nach unserm amtlichen Quellenwerke
311, 343, 298, 361 und 302, und die Gesamtbeträge, die auf diese Stipen¬
diaten verwandt worden sind, beliefen sich auf 12251, 12878, 11719,
13927 und 11934 Mark!

Obgleich wir bei diesen Feststellungen durch die in diesem Punkte nicht
glückliche Einrichtung des Quellenmaterials auf eine völlige Genauigkeit von


werden. Diese drei Übergangsjahre sind mit Ostern 1894 zu Ende gegangen.
Nun behandelt der neuste Band der „Statistik der preußischen Landesuniver-
sitüten" die Zeit vom Herbst 1892 bis Ostern 1895, also sowohl die Über¬
gangsjahre wie auch zwei weitere Semester, wo sich das neue System der
Stipendienverleihung in voller Kraft äußern müßte. Obwohl nnn dieses
amtliche Quelleuwerk unglaublicherweise die Stipendien und Freitische zusammen¬
wirft, also die Gewinnung eines zutreffenden Bildes von dem Stipendien¬
wesen für sich allein unmöglich macht, ist doch mindestens so viel zweifellos,
daß die Ministerialverfügung sowohl in den Übergangsjahren wie auch in den
beiden Semestern darnach in der Praxis überhaupt nicht beobachtet worden
ist — eine Erscheinung, die gerade in Preußen überaus sonderbar anmutet.
In deu erwähnten fünf Semestern vom Herbst 1892 bis Ostern 1895 haben
1669, 1248, 1669. 1262 und 1704 Empfänger gleich 60, 49, 62, 48 und
63 Prozent der Empfänger überhaupt Stipendien in geringerm Maße als dem
in der Ministerialverfügung festgesetzten Minimalbetrage bekommen. Und die
Summen, die man auch in diesen fünf Semestern noch in so winzigen Beträgen
— man mochte wirklich fast sagen, verschleudert hat, belaufen sich auf nicht
weniger als 157040, 89288, 156562, 90644 und 163047 Mark, was 34,
24, 33, 20 und 34 Prozent der Gesamtausgaben, für Stipendien und Freitische
zusammen, ausmacht. Dieses unerquickliche Bild verändert sich noch weiter
zu seinen Ungunsten, sobald man nur einige ins einzelne gehende Berechnungen
anstellt. An einer andern Stelle des erwähnten amtlichen Quellcnwerks wird
der Geldwert der gewährten Freitische auf 71382. 64478, 72674. 67110 und
72014 Mark angegeben. Mit wenig Ausnahmen werden nnn zweifellos die
Freitische gerade an solche Stipendiaten gegeben worden sein, die nur kleinere
Stipendien beziehen. Man kann also wohl ohne großen Fehler den auf
diese Freitische entfallenden Betrag bei unsern obigen Summen in Abzug
bringen, um im großen und ganzen ungefähr den Stipendienbetrag zu er¬
mitteln, der in Wirklichkeit auf diese Empfänger der kleinern Stipenden ge¬
troffen haben mag. Thut man dies, dann berechnet sich für diese Kategorie
der Stipendiaten in deu Wintersemestern ein Durchschnitt der bezvgnen Sti¬
pendien von 50 bis 53, in den beiden Sommersemestern ein solcher von rund
20 Mark! Daß dieser lächerliche Durchschnitt aber wohl ein zutreffendes Bild
der wirklichen Sachlage giebt, entnehmen wir der Thatsache, mit der wir
diese statistischen Angaben abschließen wollen: die Zahl solcher Stipendiaten, die
an Stipendien und Freitischen zusammen höchstens 50 Mark (!) in den erwähnten
fünf Semestern bezogen haben, betrug nach unserm amtlichen Quellenwerke
311, 343, 298, 361 und 302, und die Gesamtbeträge, die auf diese Stipen¬
diaten verwandt worden sind, beliefen sich auf 12251, 12878, 11719,
13927 und 11934 Mark!

Obgleich wir bei diesen Feststellungen durch die in diesem Punkte nicht
glückliche Einrichtung des Quellenmaterials auf eine völlige Genauigkeit von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/384>, abgerufen am 23.07.2024.