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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Zur Frage der Stipendienreform

wärts noch um die Nativualliberaleu gruppirt, so sehr auch deren Verhalten
im einzelnen gemißbilligt wird. Gegenwärtig ist ihre innere Organisation
noch immer besser als die der jüngern Parteien, die im Hannoverschen
die Erbschaft des Nationalliberalismus antreten wollen, z. B. die der Anti¬
semiten und der Nationalsozialen, Aber freilich als eine "Hochburg" der
Nationalliberalen wird die Provinz Hannover nach den nächsten Wahlen nicht
mehr gelten können.




Zur Frage der ^tipendienreform

le Schwierigkeiten, die einer zweckmäßigen Umgestaltung unsers
veralteten Stipendicnwesens an den Universitäten im Wege stehen,
sind überaus groß, und nach den bisherigen Erfahrungen möchte
man fast dazu kommen, sie wirklich für unüberwindlich zu halten.
Wenn mau uun aber auf Grund reichhaltiger praktischer Erfahrung
die Überzeugung gewonnen hat, daß bei der gegenwärtigen Einrichtung der
Nutzen auch nicht entfernt im richtigen Verhältnisse zu den aufgewandten
riesigen Mitteln steht, ja daß vielfach durch Verleihung von almosenhaft kleinen
Stipendienbeträgen thatsächlich nur Schaden gestiftet, demoralisirend auf manche
jungen Leute eingewirkt wird, dann darf man sich nicht die Mühe verdrießen
lassen, immer und immer wieder auf diese Frage zurückzukommen. Indem
wir dies hier thun, liegt uns hente vor allem daran, auch gleichzeitig Vor¬
schlüge zu machen, die sich auch ohne prinzipielle Umänderung des Stipendien¬
wesens im allgemeinen wohl durchführen, jedenfalls in bescheidnen Umfange
einmal praktisch versuchen ließen.

Die Mängel unsrer Stipendieneinrichtuug lassen sich im großen und ganzen
auf zwei Punkte zurückführen: wir haben eine zu formalistische Behandlung
der Stipendienverleihung auf der eine" und eine viel zu große Zersplitterung
der zur Verfügung stehenden Mittel auf der andern Seite.

Der erste Umstand beruht zum großen Teile auf der unvernünftigen Ge¬
staltung zahlreicher Stipendienstiftungen selbst; denn bei der Auswahl der vorzugs¬
weise oder ausschließlich zu berücksichtigenden Bewerber sind oft so viele Einzel¬
bedingungen (Heimat, Konfession, Berufstellnng der Eltern, spezielle Studien usw.)
zu berücksichtigen, daß die betreffenden Kommissionen froh sein müssen, wenn sie
überhaupt Bewerber haben, bei denen diese formalen Bedingungen zutreffen.
Ob sich bei entsprechender Entschlossenheit der Negierung hierin nicht Wandel
schaffen ließe, wollen wir vorerst nicht weiter erörtern; wohl aber muß mit
lebhaftem Bedauern festgestellt werden, daß Stipendienstiftungen mit solchen
Vcrklausulirnngen, die von vornherein jedes nützliche Wirken der Stiftung in
Zweifel stellen, auch heutzutage noch begründet und von den Verwaltungen


Zur Frage der Stipendienreform

wärts noch um die Nativualliberaleu gruppirt, so sehr auch deren Verhalten
im einzelnen gemißbilligt wird. Gegenwärtig ist ihre innere Organisation
noch immer besser als die der jüngern Parteien, die im Hannoverschen
die Erbschaft des Nationalliberalismus antreten wollen, z. B. die der Anti¬
semiten und der Nationalsozialen, Aber freilich als eine „Hochburg" der
Nationalliberalen wird die Provinz Hannover nach den nächsten Wahlen nicht
mehr gelten können.




Zur Frage der ^tipendienreform

le Schwierigkeiten, die einer zweckmäßigen Umgestaltung unsers
veralteten Stipendicnwesens an den Universitäten im Wege stehen,
sind überaus groß, und nach den bisherigen Erfahrungen möchte
man fast dazu kommen, sie wirklich für unüberwindlich zu halten.
Wenn mau uun aber auf Grund reichhaltiger praktischer Erfahrung
die Überzeugung gewonnen hat, daß bei der gegenwärtigen Einrichtung der
Nutzen auch nicht entfernt im richtigen Verhältnisse zu den aufgewandten
riesigen Mitteln steht, ja daß vielfach durch Verleihung von almosenhaft kleinen
Stipendienbeträgen thatsächlich nur Schaden gestiftet, demoralisirend auf manche
jungen Leute eingewirkt wird, dann darf man sich nicht die Mühe verdrießen
lassen, immer und immer wieder auf diese Frage zurückzukommen. Indem
wir dies hier thun, liegt uns hente vor allem daran, auch gleichzeitig Vor¬
schlüge zu machen, die sich auch ohne prinzipielle Umänderung des Stipendien¬
wesens im allgemeinen wohl durchführen, jedenfalls in bescheidnen Umfange
einmal praktisch versuchen ließen.

Die Mängel unsrer Stipendieneinrichtuug lassen sich im großen und ganzen
auf zwei Punkte zurückführen: wir haben eine zu formalistische Behandlung
der Stipendienverleihung auf der eine» und eine viel zu große Zersplitterung
der zur Verfügung stehenden Mittel auf der andern Seite.

Der erste Umstand beruht zum großen Teile auf der unvernünftigen Ge¬
staltung zahlreicher Stipendienstiftungen selbst; denn bei der Auswahl der vorzugs¬
weise oder ausschließlich zu berücksichtigenden Bewerber sind oft so viele Einzel¬
bedingungen (Heimat, Konfession, Berufstellnng der Eltern, spezielle Studien usw.)
zu berücksichtigen, daß die betreffenden Kommissionen froh sein müssen, wenn sie
überhaupt Bewerber haben, bei denen diese formalen Bedingungen zutreffen.
Ob sich bei entsprechender Entschlossenheit der Negierung hierin nicht Wandel
schaffen ließe, wollen wir vorerst nicht weiter erörtern; wohl aber muß mit
lebhaftem Bedauern festgestellt werden, daß Stipendienstiftungen mit solchen
Vcrklausulirnngen, die von vornherein jedes nützliche Wirken der Stiftung in
Zweifel stellen, auch heutzutage noch begründet und von den Verwaltungen


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[0382] Zur Frage der Stipendienreform wärts noch um die Nativualliberaleu gruppirt, so sehr auch deren Verhalten im einzelnen gemißbilligt wird. Gegenwärtig ist ihre innere Organisation noch immer besser als die der jüngern Parteien, die im Hannoverschen die Erbschaft des Nationalliberalismus antreten wollen, z. B. die der Anti¬ semiten und der Nationalsozialen, Aber freilich als eine „Hochburg" der Nationalliberalen wird die Provinz Hannover nach den nächsten Wahlen nicht mehr gelten können. Zur Frage der ^tipendienreform le Schwierigkeiten, die einer zweckmäßigen Umgestaltung unsers veralteten Stipendicnwesens an den Universitäten im Wege stehen, sind überaus groß, und nach den bisherigen Erfahrungen möchte man fast dazu kommen, sie wirklich für unüberwindlich zu halten. Wenn mau uun aber auf Grund reichhaltiger praktischer Erfahrung die Überzeugung gewonnen hat, daß bei der gegenwärtigen Einrichtung der Nutzen auch nicht entfernt im richtigen Verhältnisse zu den aufgewandten riesigen Mitteln steht, ja daß vielfach durch Verleihung von almosenhaft kleinen Stipendienbeträgen thatsächlich nur Schaden gestiftet, demoralisirend auf manche jungen Leute eingewirkt wird, dann darf man sich nicht die Mühe verdrießen lassen, immer und immer wieder auf diese Frage zurückzukommen. Indem wir dies hier thun, liegt uns hente vor allem daran, auch gleichzeitig Vor¬ schlüge zu machen, die sich auch ohne prinzipielle Umänderung des Stipendien¬ wesens im allgemeinen wohl durchführen, jedenfalls in bescheidnen Umfange einmal praktisch versuchen ließen. Die Mängel unsrer Stipendieneinrichtuug lassen sich im großen und ganzen auf zwei Punkte zurückführen: wir haben eine zu formalistische Behandlung der Stipendienverleihung auf der eine» und eine viel zu große Zersplitterung der zur Verfügung stehenden Mittel auf der andern Seite. Der erste Umstand beruht zum großen Teile auf der unvernünftigen Ge¬ staltung zahlreicher Stipendienstiftungen selbst; denn bei der Auswahl der vorzugs¬ weise oder ausschließlich zu berücksichtigenden Bewerber sind oft so viele Einzel¬ bedingungen (Heimat, Konfession, Berufstellnng der Eltern, spezielle Studien usw.) zu berücksichtigen, daß die betreffenden Kommissionen froh sein müssen, wenn sie überhaupt Bewerber haben, bei denen diese formalen Bedingungen zutreffen. Ob sich bei entsprechender Entschlossenheit der Negierung hierin nicht Wandel schaffen ließe, wollen wir vorerst nicht weiter erörtern; wohl aber muß mit lebhaftem Bedauern festgestellt werden, daß Stipendienstiftungen mit solchen Vcrklausulirnngen, die von vornherein jedes nützliche Wirken der Stiftung in Zweifel stellen, auch heutzutage noch begründet und von den Verwaltungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/382>, abgerufen am 23.07.2024.