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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Goethe als Kriegsminister

an der Straße von Weimar nach dem Lustschlosse Belvedere) und hielt kost¬
spielige "Campements" ab. Auch als sich das Verhältnis zum Kaiserhof in
Wien löste, und nachdem Ernst August 1741 das Herzogtum Eisenach geerbt
hatte, fuhr er fort, Truppen zu errichten; so hatte er um das Jahr 1742,
neben einem Regiment schwerer Reiter, ein Husarenregiment, zwei Garde¬
kompagnien zu Fuß, zwei Bataillone Infanterie, vier Kanonierkompagnien
unter Waffen, während er die alten "Landregimenter" als bloße Milizen
gering schätzte und vernachlässigte. Noch in seinen letzten Negierungsjcchren
entwarf der Herzog einen Plan, um als formidabler Kriegsfürst dazustehen,
seine Armee auf 10000 Manu mit nahezu 2000 Pferden zu bringen, was
dann wohl hingereicht haben würde, seine beiden Herzogtümer innerhalb eines
Lustrums aufzuzehren. Da der Tod am 19. Januar 1748 die weitere Aus¬
führung abenteuerlicher Entwürfe hemmte, so hatte die für den minderjährigen
Herzog Ernst August Konstantin eintretende Vormundschaftsregierung Herzog
Friedrichs III. von Gotha zwar immer noch die übergroße Truppenzahl auf
einen der Kleinheit des Landes und der Mittel besser entsprechenden Bestand
zurückzuführen, aber die geplanten dreizehn Bataillone und vier Reiterregimenter
mußte sie nicht auflösen. Immerhin blieben von den verschiednen militärischen
Formationen bei jeder Veränderung Stämme und Neste zurück, auch verharrte
namentlich eine Anzahl von Offizieren, für die irgend welche Verwendung ge¬
funden werden mußte, in den seitherigen Diensten.

Herzog Ernst August Konstantin stellte das Weimarische und Eisenachische
Landregiment sonne ein Jenaisches Landbataillon auf Andrängen der Stände
wieder her, vermehrte auch die unter der vormundschaftlichen Negierung ver¬
ringerten kleinen Neiterabteilungen (Garde du Corps und Husaren) wieder um
einige Leute und hinterließ seiner Witwe, der Herzogin-Regentin Anna Amalia,
einen Generalmajor, vier Obersten, drei Oberstleutnants und acht Majors,
einen Militäretat, der immer noch viel zu groß für Leute und Land war,
aber im wesentlichen beibehalten wurde. Das Weimarische Zeughaus bewahrte
noch gegen sechzig Geschütze und viel überflüssige Waffen, obwohl die Reichs-
armee während des siebenjährigen Krieges zwei Geschütze und 1500 Musketen
und Karabiner wie ans Feindesland entführt hatte. In den kleinen Städten
des kleinen Landes saßen Kommandanten, die nichts zu kommandiren hatten,
Hof- und Staatsdiener des Herzogtums waren, ohne militärische Aufgaben,
mit "einem militärischen Charakter beehrt," überall zeigten sich noch Über¬
bleibsel und Bruchstücke des babylonischen Turmbaus, den Ernst August auf¬
zuführen begonnen hatte. Als Goethe im November 1775 nach Weimar kam,
thaten die schweren Gardereiter in den fürstlichen Schlossern noch Dienst, die
Husaren begleiteten den wandernden Hof und hielten zu den abendlichen
glänzenden Eisfahrten, die der Frankfurter Doktor und Dichter als neuen
Sport mitbrachte, die Fackeln; der Artillcriehauptmann Castrop hatte gerade
noch soviel Konstabler unter seinem Befehl, daß bei großen Festlichkeiten die


Goethe als Kriegsminister

an der Straße von Weimar nach dem Lustschlosse Belvedere) und hielt kost¬
spielige „Campements" ab. Auch als sich das Verhältnis zum Kaiserhof in
Wien löste, und nachdem Ernst August 1741 das Herzogtum Eisenach geerbt
hatte, fuhr er fort, Truppen zu errichten; so hatte er um das Jahr 1742,
neben einem Regiment schwerer Reiter, ein Husarenregiment, zwei Garde¬
kompagnien zu Fuß, zwei Bataillone Infanterie, vier Kanonierkompagnien
unter Waffen, während er die alten „Landregimenter" als bloße Milizen
gering schätzte und vernachlässigte. Noch in seinen letzten Negierungsjcchren
entwarf der Herzog einen Plan, um als formidabler Kriegsfürst dazustehen,
seine Armee auf 10000 Manu mit nahezu 2000 Pferden zu bringen, was
dann wohl hingereicht haben würde, seine beiden Herzogtümer innerhalb eines
Lustrums aufzuzehren. Da der Tod am 19. Januar 1748 die weitere Aus¬
führung abenteuerlicher Entwürfe hemmte, so hatte die für den minderjährigen
Herzog Ernst August Konstantin eintretende Vormundschaftsregierung Herzog
Friedrichs III. von Gotha zwar immer noch die übergroße Truppenzahl auf
einen der Kleinheit des Landes und der Mittel besser entsprechenden Bestand
zurückzuführen, aber die geplanten dreizehn Bataillone und vier Reiterregimenter
mußte sie nicht auflösen. Immerhin blieben von den verschiednen militärischen
Formationen bei jeder Veränderung Stämme und Neste zurück, auch verharrte
namentlich eine Anzahl von Offizieren, für die irgend welche Verwendung ge¬
funden werden mußte, in den seitherigen Diensten.

Herzog Ernst August Konstantin stellte das Weimarische und Eisenachische
Landregiment sonne ein Jenaisches Landbataillon auf Andrängen der Stände
wieder her, vermehrte auch die unter der vormundschaftlichen Negierung ver¬
ringerten kleinen Neiterabteilungen (Garde du Corps und Husaren) wieder um
einige Leute und hinterließ seiner Witwe, der Herzogin-Regentin Anna Amalia,
einen Generalmajor, vier Obersten, drei Oberstleutnants und acht Majors,
einen Militäretat, der immer noch viel zu groß für Leute und Land war,
aber im wesentlichen beibehalten wurde. Das Weimarische Zeughaus bewahrte
noch gegen sechzig Geschütze und viel überflüssige Waffen, obwohl die Reichs-
armee während des siebenjährigen Krieges zwei Geschütze und 1500 Musketen
und Karabiner wie ans Feindesland entführt hatte. In den kleinen Städten
des kleinen Landes saßen Kommandanten, die nichts zu kommandiren hatten,
Hof- und Staatsdiener des Herzogtums waren, ohne militärische Aufgaben,
mit „einem militärischen Charakter beehrt," überall zeigten sich noch Über¬
bleibsel und Bruchstücke des babylonischen Turmbaus, den Ernst August auf¬
zuführen begonnen hatte. Als Goethe im November 1775 nach Weimar kam,
thaten die schweren Gardereiter in den fürstlichen Schlossern noch Dienst, die
Husaren begleiteten den wandernden Hof und hielten zu den abendlichen
glänzenden Eisfahrten, die der Frankfurter Doktor und Dichter als neuen
Sport mitbrachte, die Fackeln; der Artillcriehauptmann Castrop hatte gerade
noch soviel Konstabler unter seinem Befehl, daß bei großen Festlichkeiten die


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[0346] Goethe als Kriegsminister an der Straße von Weimar nach dem Lustschlosse Belvedere) und hielt kost¬ spielige „Campements" ab. Auch als sich das Verhältnis zum Kaiserhof in Wien löste, und nachdem Ernst August 1741 das Herzogtum Eisenach geerbt hatte, fuhr er fort, Truppen zu errichten; so hatte er um das Jahr 1742, neben einem Regiment schwerer Reiter, ein Husarenregiment, zwei Garde¬ kompagnien zu Fuß, zwei Bataillone Infanterie, vier Kanonierkompagnien unter Waffen, während er die alten „Landregimenter" als bloße Milizen gering schätzte und vernachlässigte. Noch in seinen letzten Negierungsjcchren entwarf der Herzog einen Plan, um als formidabler Kriegsfürst dazustehen, seine Armee auf 10000 Manu mit nahezu 2000 Pferden zu bringen, was dann wohl hingereicht haben würde, seine beiden Herzogtümer innerhalb eines Lustrums aufzuzehren. Da der Tod am 19. Januar 1748 die weitere Aus¬ führung abenteuerlicher Entwürfe hemmte, so hatte die für den minderjährigen Herzog Ernst August Konstantin eintretende Vormundschaftsregierung Herzog Friedrichs III. von Gotha zwar immer noch die übergroße Truppenzahl auf einen der Kleinheit des Landes und der Mittel besser entsprechenden Bestand zurückzuführen, aber die geplanten dreizehn Bataillone und vier Reiterregimenter mußte sie nicht auflösen. Immerhin blieben von den verschiednen militärischen Formationen bei jeder Veränderung Stämme und Neste zurück, auch verharrte namentlich eine Anzahl von Offizieren, für die irgend welche Verwendung ge¬ funden werden mußte, in den seitherigen Diensten. Herzog Ernst August Konstantin stellte das Weimarische und Eisenachische Landregiment sonne ein Jenaisches Landbataillon auf Andrängen der Stände wieder her, vermehrte auch die unter der vormundschaftlichen Negierung ver¬ ringerten kleinen Neiterabteilungen (Garde du Corps und Husaren) wieder um einige Leute und hinterließ seiner Witwe, der Herzogin-Regentin Anna Amalia, einen Generalmajor, vier Obersten, drei Oberstleutnants und acht Majors, einen Militäretat, der immer noch viel zu groß für Leute und Land war, aber im wesentlichen beibehalten wurde. Das Weimarische Zeughaus bewahrte noch gegen sechzig Geschütze und viel überflüssige Waffen, obwohl die Reichs- armee während des siebenjährigen Krieges zwei Geschütze und 1500 Musketen und Karabiner wie ans Feindesland entführt hatte. In den kleinen Städten des kleinen Landes saßen Kommandanten, die nichts zu kommandiren hatten, Hof- und Staatsdiener des Herzogtums waren, ohne militärische Aufgaben, mit „einem militärischen Charakter beehrt," überall zeigten sich noch Über¬ bleibsel und Bruchstücke des babylonischen Turmbaus, den Ernst August auf¬ zuführen begonnen hatte. Als Goethe im November 1775 nach Weimar kam, thaten die schweren Gardereiter in den fürstlichen Schlossern noch Dienst, die Husaren begleiteten den wandernden Hof und hielten zu den abendlichen glänzenden Eisfahrten, die der Frankfurter Doktor und Dichter als neuen Sport mitbrachte, die Fackeln; der Artillcriehauptmann Castrop hatte gerade noch soviel Konstabler unter seinem Befehl, daß bei großen Festlichkeiten die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/346>, abgerufen am 23.07.2024.