Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Die hannoverschen Nationalliberalen

in Laufe dieses Sommers wird, wie jedermann weiß, über die
Natioualliberalen ein Strafgericht ergehen. Von diesem wird
anch ihr Gebiet zwischen Weser und Elbe, das sie noch immer
stolz als "ihre Hochburg" bezeichnen, nicht verschont bleiben.
Wie sich auch dort die Volksstimmung gegen sie gewandt hat,
das werden die Neichstagswahlen kundthun, die -- man mag von dem all¬
gemeinen und direkten Wahlrechte denken, wie man will -- immerhin ein
lebendiges und deutliches Bild von solcher Stimmung geben, ein deutlicheres
jedenfalls, als die Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus".', die sich auch
diesem Jahre vollziehen werden- Die Landtagswahlen bezeichnen in Preußen
nach der Umgestaltung des direkten Steuersystems, wodurch die Stimmen der
Mittlern und niedern Schichte" der Bevölkerung an Geltung beträchtlich ein¬
gebüßt haben, nicht mehr die politischen Anschauungen der Gesamtheit des
Volkes, sondern die der relativ reichsten und steuerkräftigsten Personen inner¬
halb der einzelnen Wahlkreise, wogegen die mittlern Bevölkerungklassen mit
ihrem reichen politischen Kapitale durch jene Reform noch weiter in den Hinter¬
grund geschoben sind und bei diesen Wahlen noch viel weniger Gewicht in die
^agschale legen können als früher. Dennoch werden auch in der Provinz
Hannover bei den künftigen Landtagswahlen die Nationalliberalen, die jetzt
"übt mehr mit den ^konservativen und Gouvernementalcn dort unter sich sind,
sondern mit neuen, zum Teil machtvolle" Gegnern rechnen müssen, schlimme
Erfahrungen machen.

Die nationalliberale Partei hat eine ruhmreiche Jugend hinter sich. An
dem Glänze der Vergangenheit haben die Hannoveraner einen gut bemessenen


Grenzboten II 1808 3!"


Die hannoverschen Nationalliberalen

in Laufe dieses Sommers wird, wie jedermann weiß, über die
Natioualliberalen ein Strafgericht ergehen. Von diesem wird
anch ihr Gebiet zwischen Weser und Elbe, das sie noch immer
stolz als „ihre Hochburg" bezeichnen, nicht verschont bleiben.
Wie sich auch dort die Volksstimmung gegen sie gewandt hat,
das werden die Neichstagswahlen kundthun, die — man mag von dem all¬
gemeinen und direkten Wahlrechte denken, wie man will — immerhin ein
lebendiges und deutliches Bild von solcher Stimmung geben, ein deutlicheres
jedenfalls, als die Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus«.', die sich auch
diesem Jahre vollziehen werden- Die Landtagswahlen bezeichnen in Preußen
nach der Umgestaltung des direkten Steuersystems, wodurch die Stimmen der
Mittlern und niedern Schichte» der Bevölkerung an Geltung beträchtlich ein¬
gebüßt haben, nicht mehr die politischen Anschauungen der Gesamtheit des
Volkes, sondern die der relativ reichsten und steuerkräftigsten Personen inner¬
halb der einzelnen Wahlkreise, wogegen die mittlern Bevölkerungklassen mit
ihrem reichen politischen Kapitale durch jene Reform noch weiter in den Hinter¬
grund geschoben sind und bei diesen Wahlen noch viel weniger Gewicht in die
^agschale legen können als früher. Dennoch werden auch in der Provinz
Hannover bei den künftigen Landtagswahlen die Nationalliberalen, die jetzt
"übt mehr mit den ^konservativen und Gouvernementalcn dort unter sich sind,
sondern mit neuen, zum Teil machtvolle» Gegnern rechnen müssen, schlimme
Erfahrungen machen.

Die nationalliberale Partei hat eine ruhmreiche Jugend hinter sich. An
dem Glänze der Vergangenheit haben die Hannoveraner einen gut bemessenen


Grenzboten II 1808 3!»
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0313" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227949"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341867_227635/figures/grenzboten_341867_227635_227949_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die hannoverschen Nationalliberalen</head><lb/>
          <p xml:id="ID_829"> in Laufe dieses Sommers wird, wie jedermann weiß, über die<lb/>
Natioualliberalen ein Strafgericht ergehen. Von diesem wird<lb/>
anch ihr Gebiet zwischen Weser und Elbe, das sie noch immer<lb/>
stolz als &#x201E;ihre Hochburg" bezeichnen, nicht verschont bleiben.<lb/>
Wie sich auch dort die Volksstimmung gegen sie gewandt hat,<lb/>
das werden die Neichstagswahlen kundthun, die &#x2014; man mag von dem all¬<lb/>
gemeinen und direkten Wahlrechte denken, wie man will &#x2014; immerhin ein<lb/>
lebendiges und deutliches Bild von solcher Stimmung geben, ein deutlicheres<lb/>
jedenfalls, als die Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus«.', die sich auch<lb/>
diesem Jahre vollziehen werden- Die Landtagswahlen bezeichnen in Preußen<lb/>
nach der Umgestaltung des direkten Steuersystems, wodurch die Stimmen der<lb/>
Mittlern und niedern Schichte» der Bevölkerung an Geltung beträchtlich ein¬<lb/>
gebüßt haben, nicht mehr die politischen Anschauungen der Gesamtheit des<lb/>
Volkes, sondern die der relativ reichsten und steuerkräftigsten Personen inner¬<lb/>
halb der einzelnen Wahlkreise, wogegen die mittlern Bevölkerungklassen mit<lb/>
ihrem reichen politischen Kapitale durch jene Reform noch weiter in den Hinter¬<lb/>
grund geschoben sind und bei diesen Wahlen noch viel weniger Gewicht in die<lb/>
^agschale legen können als früher. Dennoch werden auch in der Provinz<lb/>
Hannover bei den künftigen Landtagswahlen die Nationalliberalen, die jetzt<lb/>
"übt mehr mit den ^konservativen und Gouvernementalcn dort unter sich sind,<lb/>
sondern mit neuen, zum Teil machtvolle» Gegnern rechnen müssen, schlimme<lb/>
Erfahrungen machen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_830" next="#ID_831"> Die nationalliberale Partei hat eine ruhmreiche Jugend hinter sich. An<lb/>
dem Glänze der Vergangenheit haben die Hannoveraner einen gut bemessenen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1808 3!»</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0313] [Abbildung] Die hannoverschen Nationalliberalen in Laufe dieses Sommers wird, wie jedermann weiß, über die Natioualliberalen ein Strafgericht ergehen. Von diesem wird anch ihr Gebiet zwischen Weser und Elbe, das sie noch immer stolz als „ihre Hochburg" bezeichnen, nicht verschont bleiben. Wie sich auch dort die Volksstimmung gegen sie gewandt hat, das werden die Neichstagswahlen kundthun, die — man mag von dem all¬ gemeinen und direkten Wahlrechte denken, wie man will — immerhin ein lebendiges und deutliches Bild von solcher Stimmung geben, ein deutlicheres jedenfalls, als die Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus«.', die sich auch diesem Jahre vollziehen werden- Die Landtagswahlen bezeichnen in Preußen nach der Umgestaltung des direkten Steuersystems, wodurch die Stimmen der Mittlern und niedern Schichte» der Bevölkerung an Geltung beträchtlich ein¬ gebüßt haben, nicht mehr die politischen Anschauungen der Gesamtheit des Volkes, sondern die der relativ reichsten und steuerkräftigsten Personen inner¬ halb der einzelnen Wahlkreise, wogegen die mittlern Bevölkerungklassen mit ihrem reichen politischen Kapitale durch jene Reform noch weiter in den Hinter¬ grund geschoben sind und bei diesen Wahlen noch viel weniger Gewicht in die ^agschale legen können als früher. Dennoch werden auch in der Provinz Hannover bei den künftigen Landtagswahlen die Nationalliberalen, die jetzt "übt mehr mit den ^konservativen und Gouvernementalcn dort unter sich sind, sondern mit neuen, zum Teil machtvolle» Gegnern rechnen müssen, schlimme Erfahrungen machen. Die nationalliberale Partei hat eine ruhmreiche Jugend hinter sich. An dem Glänze der Vergangenheit haben die Hannoveraner einen gut bemessenen Grenzboten II 1808 3!»

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/313
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/313>, abgerufen am 27.12.2024.