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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Vas Recht der Fran nach dem bürgerlichen Gesetzbuch

Hanse oder Geschäfte verwendeten Gehilfen Erworbne" gehört. Schon die Recht¬
sprechung des Obertribunals hat erkannt, daß der landrechtliche Grundsatz in
seiner Allgemeinheit auf die wirtschaftlichen Verhältnisse unsrer Zeit nicht mehr
paßt, und es ist auch gar kein Zweifel möglich, daß die Ehefrau, die zur Er¬
haltung der Ihrigen einem selbständigen Erwerbe nachgeht, sei es als Künst¬
lerin, als Gewerbetreibende oder als Waschfrau, damit aus dem Rahmen der
Familie heraustritt. Die wirtschaftliche Entwicklung, die eine übergroße Anzahl
von Frauen so aus der Familie herausgeführt hat, besteht nun einmal; man
kann sie von heute auf morgen nicht ändern, so sehr mau sie für die reine
Entfaltung des deutschen Familienbegriffs bedauern mag. Sehen wir nun zu,
wie sich hierzu das bürgerliche Gesetzbuch stellt, so finden wir, daß darin uuter-
schiedlos alles, "was die Frau durch ihre Arbeit oder durch den selbständigen
Betrieb eines Erwerbsgcschäfts erwirbt," für Vorbehaltsgut erklärt, also von
der Verwaltung und Nutznießung des Mannes befreit ist. Es ist nicht über¬
flüssig zu erwähnen, daß sich diese Bestimmung schon in dem so übel beleum¬
deter ersten Entwürfe des bürgerlichen Gesetzbuchs vorfindet und in den amt¬
lichen Motiven mit einem Verständnis für die wirtschaftliche Entwicklung und
für die Würde der erwerbenden Frau begründet ist, wie man es bei dem
wärmsten Gönner der Frauenbewegung nicht besser wünschen kann.

Der zweite Punkt ist noch weit wichtiger, uicht weniger wegen seiner
praktischen Folgerungen als wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung. Die
Familie als Gesamtperson bedarf eines Hauptes, und es ist wohl im Ernste
noch niemals angefochten worden, daß dies der Mann ist, solange er lebt. Daß
bei seinem Tode an seine Stelle mit allen Rechten und Pflichten die Mutter
tritt, ist gleichfalls uicht zu bezweifelu, weder aus grundsätzlichen Bedenken,
noch wegen einer angeblichen Minderbegabtheit der Frauen zur Vermögens¬
verwaltung, noch mit Rücksicht auf die Kräftigung des Familienbandes, das
ja gerade in der Mutter beim Wegfall des Vaters den stärksten Halt findet.
Es giebt in dem geltenden Privatrecht keine schlimmere Verkümmerung eines
wirklichen Naturrechts, als die völlige Nichtachtung dieser Nachfolge der Frau
im Hausregiment. Stirbt der Vater mit Hinterlassung unmündiger Kinder, so
wird die gerichtliche Vormundschaft eingeleitet, gleichviel ob die Mutter lebt
oder uicht; ja die Mutter hat uicht einmal ein unbedingtes Recht auf die
Übertragung der Vormundschaft und unterliegt nur in einzelnen Punkten einer
weniger peinlichen Gerichtsaufsicht als andre Vormünder. So demütigend und
mit Umständlichkeiten verknüpft diese Rechtsstellung für die Witwe ist, so
zwecklos ist sie: der sichtbare Erfolg der Vermögensverzeichnisse, Vermögens-
übersichteu und Schlußrechnungen, womit die Mündclmütter nach der geltenden
Vormundschaftsorduung geplagt werden müssen, ist weniger eine Beförderung
des Wohles der dem Staatsschutze anvertrauten Waisen, als eine Vermehrung
der Akten der Vormundschaftsgerichte, und bekannt ist auch das schattenhafte


Grenzboten II 1898 M
Vas Recht der Fran nach dem bürgerlichen Gesetzbuch

Hanse oder Geschäfte verwendeten Gehilfen Erworbne" gehört. Schon die Recht¬
sprechung des Obertribunals hat erkannt, daß der landrechtliche Grundsatz in
seiner Allgemeinheit auf die wirtschaftlichen Verhältnisse unsrer Zeit nicht mehr
paßt, und es ist auch gar kein Zweifel möglich, daß die Ehefrau, die zur Er¬
haltung der Ihrigen einem selbständigen Erwerbe nachgeht, sei es als Künst¬
lerin, als Gewerbetreibende oder als Waschfrau, damit aus dem Rahmen der
Familie heraustritt. Die wirtschaftliche Entwicklung, die eine übergroße Anzahl
von Frauen so aus der Familie herausgeführt hat, besteht nun einmal; man
kann sie von heute auf morgen nicht ändern, so sehr mau sie für die reine
Entfaltung des deutschen Familienbegriffs bedauern mag. Sehen wir nun zu,
wie sich hierzu das bürgerliche Gesetzbuch stellt, so finden wir, daß darin uuter-
schiedlos alles, „was die Frau durch ihre Arbeit oder durch den selbständigen
Betrieb eines Erwerbsgcschäfts erwirbt," für Vorbehaltsgut erklärt, also von
der Verwaltung und Nutznießung des Mannes befreit ist. Es ist nicht über¬
flüssig zu erwähnen, daß sich diese Bestimmung schon in dem so übel beleum¬
deter ersten Entwürfe des bürgerlichen Gesetzbuchs vorfindet und in den amt¬
lichen Motiven mit einem Verständnis für die wirtschaftliche Entwicklung und
für die Würde der erwerbenden Frau begründet ist, wie man es bei dem
wärmsten Gönner der Frauenbewegung nicht besser wünschen kann.

Der zweite Punkt ist noch weit wichtiger, uicht weniger wegen seiner
praktischen Folgerungen als wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung. Die
Familie als Gesamtperson bedarf eines Hauptes, und es ist wohl im Ernste
noch niemals angefochten worden, daß dies der Mann ist, solange er lebt. Daß
bei seinem Tode an seine Stelle mit allen Rechten und Pflichten die Mutter
tritt, ist gleichfalls uicht zu bezweifelu, weder aus grundsätzlichen Bedenken,
noch wegen einer angeblichen Minderbegabtheit der Frauen zur Vermögens¬
verwaltung, noch mit Rücksicht auf die Kräftigung des Familienbandes, das
ja gerade in der Mutter beim Wegfall des Vaters den stärksten Halt findet.
Es giebt in dem geltenden Privatrecht keine schlimmere Verkümmerung eines
wirklichen Naturrechts, als die völlige Nichtachtung dieser Nachfolge der Frau
im Hausregiment. Stirbt der Vater mit Hinterlassung unmündiger Kinder, so
wird die gerichtliche Vormundschaft eingeleitet, gleichviel ob die Mutter lebt
oder uicht; ja die Mutter hat uicht einmal ein unbedingtes Recht auf die
Übertragung der Vormundschaft und unterliegt nur in einzelnen Punkten einer
weniger peinlichen Gerichtsaufsicht als andre Vormünder. So demütigend und
mit Umständlichkeiten verknüpft diese Rechtsstellung für die Witwe ist, so
zwecklos ist sie: der sichtbare Erfolg der Vermögensverzeichnisse, Vermögens-
übersichteu und Schlußrechnungen, womit die Mündclmütter nach der geltenden
Vormundschaftsorduung geplagt werden müssen, ist weniger eine Beförderung
des Wohles der dem Staatsschutze anvertrauten Waisen, als eine Vermehrung
der Akten der Vormundschaftsgerichte, und bekannt ist auch das schattenhafte


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[0281] Vas Recht der Fran nach dem bürgerlichen Gesetzbuch Hanse oder Geschäfte verwendeten Gehilfen Erworbne" gehört. Schon die Recht¬ sprechung des Obertribunals hat erkannt, daß der landrechtliche Grundsatz in seiner Allgemeinheit auf die wirtschaftlichen Verhältnisse unsrer Zeit nicht mehr paßt, und es ist auch gar kein Zweifel möglich, daß die Ehefrau, die zur Er¬ haltung der Ihrigen einem selbständigen Erwerbe nachgeht, sei es als Künst¬ lerin, als Gewerbetreibende oder als Waschfrau, damit aus dem Rahmen der Familie heraustritt. Die wirtschaftliche Entwicklung, die eine übergroße Anzahl von Frauen so aus der Familie herausgeführt hat, besteht nun einmal; man kann sie von heute auf morgen nicht ändern, so sehr mau sie für die reine Entfaltung des deutschen Familienbegriffs bedauern mag. Sehen wir nun zu, wie sich hierzu das bürgerliche Gesetzbuch stellt, so finden wir, daß darin uuter- schiedlos alles, „was die Frau durch ihre Arbeit oder durch den selbständigen Betrieb eines Erwerbsgcschäfts erwirbt," für Vorbehaltsgut erklärt, also von der Verwaltung und Nutznießung des Mannes befreit ist. Es ist nicht über¬ flüssig zu erwähnen, daß sich diese Bestimmung schon in dem so übel beleum¬ deter ersten Entwürfe des bürgerlichen Gesetzbuchs vorfindet und in den amt¬ lichen Motiven mit einem Verständnis für die wirtschaftliche Entwicklung und für die Würde der erwerbenden Frau begründet ist, wie man es bei dem wärmsten Gönner der Frauenbewegung nicht besser wünschen kann. Der zweite Punkt ist noch weit wichtiger, uicht weniger wegen seiner praktischen Folgerungen als wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung. Die Familie als Gesamtperson bedarf eines Hauptes, und es ist wohl im Ernste noch niemals angefochten worden, daß dies der Mann ist, solange er lebt. Daß bei seinem Tode an seine Stelle mit allen Rechten und Pflichten die Mutter tritt, ist gleichfalls uicht zu bezweifelu, weder aus grundsätzlichen Bedenken, noch wegen einer angeblichen Minderbegabtheit der Frauen zur Vermögens¬ verwaltung, noch mit Rücksicht auf die Kräftigung des Familienbandes, das ja gerade in der Mutter beim Wegfall des Vaters den stärksten Halt findet. Es giebt in dem geltenden Privatrecht keine schlimmere Verkümmerung eines wirklichen Naturrechts, als die völlige Nichtachtung dieser Nachfolge der Frau im Hausregiment. Stirbt der Vater mit Hinterlassung unmündiger Kinder, so wird die gerichtliche Vormundschaft eingeleitet, gleichviel ob die Mutter lebt oder uicht; ja die Mutter hat uicht einmal ein unbedingtes Recht auf die Übertragung der Vormundschaft und unterliegt nur in einzelnen Punkten einer weniger peinlichen Gerichtsaufsicht als andre Vormünder. So demütigend und mit Umständlichkeiten verknüpft diese Rechtsstellung für die Witwe ist, so zwecklos ist sie: der sichtbare Erfolg der Vermögensverzeichnisse, Vermögens- übersichteu und Schlußrechnungen, womit die Mündclmütter nach der geltenden Vormundschaftsorduung geplagt werden müssen, ist weniger eine Beförderung des Wohles der dem Staatsschutze anvertrauten Waisen, als eine Vermehrung der Akten der Vormundschaftsgerichte, und bekannt ist auch das schattenhafte Grenzboten II 1898 M

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/281>, abgerufen am 23.07.2024.