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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Braunschweigisches

Einklang stehe, wenn sie auch die Verfassungsmäßigkeit der gegenwärtigen
Regierung voll anerkennten. Ihre Thätigkeit in den Vereinen und der Presse
wird als agitatorisch und leidenschaftlich bezeichnet. Sie bezwecke, in der Be¬
völkerung die Meinung hervorzurufen, daß die Regentschaft, wenn sie auch
formell zu Recht bestehe, doch materiell ein Unrecht einschließe, wodurch die
öffentliche Ruhe und der Friede im Lande gefährdet würden. Bis jetzt sei
die Gefahr wegen der geringen Zahl der Staatsangehörigen, die den Ver¬
einigungen beigetreten sei, nicht groß gewesen, deshalb sei ein Einschreiten gegen
die Vereine selbst nicht geboten gewesen. Die Beteiligung der Beamten stehe
jedoch mit der Bcamtenstcllnng schon an sich nicht im Einklange, weil Beamte
selbst den Schein zu vermeiden hätten, als bewahrten sie nicht die nötige
Objektivität und Unbefangenheit, die zur Erledigung ihrer Amtsgeschäfte er¬
forderlich sei. In erhöhtem Maße aber widerspreche den Pflichten der Be¬
amten eine Beteiligung an solchen Agitationen, durch die der oberste Inhaber
der Regierungsgewalt in das falsche Licht gestellt werde, als ob er der Ver¬
treter eines materiell unrechtmäßigen Zustandes im Lande sei. Die Beteiligung
der Beamten müsse ferner in weitern Kreisen den Glauben erwecken, als seien
die Agitationen begründet, und als werde dies von der Regierung dadurch
schweigend anerkannt, daß sie keine Gegenmaßregeln treffe. Die formelle Be¬
rechtigung des Ministeriums zu der, Aufforderung an die Beamten, aus den
Vereinen aufzutreten, wird mit dem dem Ministerium zustehenden Rechte der
Aufsicht über alle Beamten begründet; dieses Aufsichtsrecht erstrecke sich sowohl
auf das amtliche als auch auf das außeramtliche Verhalten und komme unter
Umständen auch da in Ausübung, wo eine disziplinarisch strafbare Handlung
nicht oder noch nicht begangen worden sei. Eine mit den Verfassungs-
bestimmungen über die Thronfolge im Widerspruche stehende Stellungnahme
werde den Beamten durch ihren Austritt nicht zugemutet. Das Ministerium
gab ferner die bedeutsame Erklärung ab, daß die Voraussetzung bei der Er¬
richtung der Regentschaft sowohl wie bei dem Buudesratsbeschlusse das An¬
erkenntnis gewesen sei, daß nach dem Ableben des Herzogs der älteste Agnat
des Hauses Vraunschweig zur Thronfolge im Herzogtum" berufen sei. Das
sei auch heute noch unbestritten. Die offiziöse Auslassung schloß mit der
Erklärung, daß die Regierung an den bisher bewährten Grundsätzen in der
Stellungnahme zu der aus der letzten Throncrledigung hervorgegangnen Lage
des Herzogtums festhalte und nicht unberufen andre Wege einschlagen werde,
von denen niemand sagen könnte, wohin sie das Herzogtum schließlich führen
Würden.

Diese Ausführungen sind natürlich in der welfischen Presse auf lebhaften
Widerspruch gestoßen. Man erkannte dankbar an, daß das Ministerium die
unbestrittene Erbfolge des "ältesten Agnaten des Hauses Braunschweig" hervor¬
hob, womit zugleich die Nechtsgiltigkeit des Erbhuldigungseidcs auch mit


Grenzboten II 1898 3
Braunschweigisches

Einklang stehe, wenn sie auch die Verfassungsmäßigkeit der gegenwärtigen
Regierung voll anerkennten. Ihre Thätigkeit in den Vereinen und der Presse
wird als agitatorisch und leidenschaftlich bezeichnet. Sie bezwecke, in der Be¬
völkerung die Meinung hervorzurufen, daß die Regentschaft, wenn sie auch
formell zu Recht bestehe, doch materiell ein Unrecht einschließe, wodurch die
öffentliche Ruhe und der Friede im Lande gefährdet würden. Bis jetzt sei
die Gefahr wegen der geringen Zahl der Staatsangehörigen, die den Ver¬
einigungen beigetreten sei, nicht groß gewesen, deshalb sei ein Einschreiten gegen
die Vereine selbst nicht geboten gewesen. Die Beteiligung der Beamten stehe
jedoch mit der Bcamtenstcllnng schon an sich nicht im Einklange, weil Beamte
selbst den Schein zu vermeiden hätten, als bewahrten sie nicht die nötige
Objektivität und Unbefangenheit, die zur Erledigung ihrer Amtsgeschäfte er¬
forderlich sei. In erhöhtem Maße aber widerspreche den Pflichten der Be¬
amten eine Beteiligung an solchen Agitationen, durch die der oberste Inhaber
der Regierungsgewalt in das falsche Licht gestellt werde, als ob er der Ver¬
treter eines materiell unrechtmäßigen Zustandes im Lande sei. Die Beteiligung
der Beamten müsse ferner in weitern Kreisen den Glauben erwecken, als seien
die Agitationen begründet, und als werde dies von der Regierung dadurch
schweigend anerkannt, daß sie keine Gegenmaßregeln treffe. Die formelle Be¬
rechtigung des Ministeriums zu der, Aufforderung an die Beamten, aus den
Vereinen aufzutreten, wird mit dem dem Ministerium zustehenden Rechte der
Aufsicht über alle Beamten begründet; dieses Aufsichtsrecht erstrecke sich sowohl
auf das amtliche als auch auf das außeramtliche Verhalten und komme unter
Umständen auch da in Ausübung, wo eine disziplinarisch strafbare Handlung
nicht oder noch nicht begangen worden sei. Eine mit den Verfassungs-
bestimmungen über die Thronfolge im Widerspruche stehende Stellungnahme
werde den Beamten durch ihren Austritt nicht zugemutet. Das Ministerium
gab ferner die bedeutsame Erklärung ab, daß die Voraussetzung bei der Er¬
richtung der Regentschaft sowohl wie bei dem Buudesratsbeschlusse das An¬
erkenntnis gewesen sei, daß nach dem Ableben des Herzogs der älteste Agnat
des Hauses Vraunschweig zur Thronfolge im Herzogtum« berufen sei. Das
sei auch heute noch unbestritten. Die offiziöse Auslassung schloß mit der
Erklärung, daß die Regierung an den bisher bewährten Grundsätzen in der
Stellungnahme zu der aus der letzten Throncrledigung hervorgegangnen Lage
des Herzogtums festhalte und nicht unberufen andre Wege einschlagen werde,
von denen niemand sagen könnte, wohin sie das Herzogtum schließlich führen
Würden.

Diese Ausführungen sind natürlich in der welfischen Presse auf lebhaften
Widerspruch gestoßen. Man erkannte dankbar an, daß das Ministerium die
unbestrittene Erbfolge des „ältesten Agnaten des Hauses Braunschweig" hervor¬
hob, womit zugleich die Nechtsgiltigkeit des Erbhuldigungseidcs auch mit


Grenzboten II 1898 3
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[0025] Braunschweigisches Einklang stehe, wenn sie auch die Verfassungsmäßigkeit der gegenwärtigen Regierung voll anerkennten. Ihre Thätigkeit in den Vereinen und der Presse wird als agitatorisch und leidenschaftlich bezeichnet. Sie bezwecke, in der Be¬ völkerung die Meinung hervorzurufen, daß die Regentschaft, wenn sie auch formell zu Recht bestehe, doch materiell ein Unrecht einschließe, wodurch die öffentliche Ruhe und der Friede im Lande gefährdet würden. Bis jetzt sei die Gefahr wegen der geringen Zahl der Staatsangehörigen, die den Ver¬ einigungen beigetreten sei, nicht groß gewesen, deshalb sei ein Einschreiten gegen die Vereine selbst nicht geboten gewesen. Die Beteiligung der Beamten stehe jedoch mit der Bcamtenstcllnng schon an sich nicht im Einklange, weil Beamte selbst den Schein zu vermeiden hätten, als bewahrten sie nicht die nötige Objektivität und Unbefangenheit, die zur Erledigung ihrer Amtsgeschäfte er¬ forderlich sei. In erhöhtem Maße aber widerspreche den Pflichten der Be¬ amten eine Beteiligung an solchen Agitationen, durch die der oberste Inhaber der Regierungsgewalt in das falsche Licht gestellt werde, als ob er der Ver¬ treter eines materiell unrechtmäßigen Zustandes im Lande sei. Die Beteiligung der Beamten müsse ferner in weitern Kreisen den Glauben erwecken, als seien die Agitationen begründet, und als werde dies von der Regierung dadurch schweigend anerkannt, daß sie keine Gegenmaßregeln treffe. Die formelle Be¬ rechtigung des Ministeriums zu der, Aufforderung an die Beamten, aus den Vereinen aufzutreten, wird mit dem dem Ministerium zustehenden Rechte der Aufsicht über alle Beamten begründet; dieses Aufsichtsrecht erstrecke sich sowohl auf das amtliche als auch auf das außeramtliche Verhalten und komme unter Umständen auch da in Ausübung, wo eine disziplinarisch strafbare Handlung nicht oder noch nicht begangen worden sei. Eine mit den Verfassungs- bestimmungen über die Thronfolge im Widerspruche stehende Stellungnahme werde den Beamten durch ihren Austritt nicht zugemutet. Das Ministerium gab ferner die bedeutsame Erklärung ab, daß die Voraussetzung bei der Er¬ richtung der Regentschaft sowohl wie bei dem Buudesratsbeschlusse das An¬ erkenntnis gewesen sei, daß nach dem Ableben des Herzogs der älteste Agnat des Hauses Vraunschweig zur Thronfolge im Herzogtum« berufen sei. Das sei auch heute noch unbestritten. Die offiziöse Auslassung schloß mit der Erklärung, daß die Regierung an den bisher bewährten Grundsätzen in der Stellungnahme zu der aus der letzten Throncrledigung hervorgegangnen Lage des Herzogtums festhalte und nicht unberufen andre Wege einschlagen werde, von denen niemand sagen könnte, wohin sie das Herzogtum schließlich führen Würden. Diese Ausführungen sind natürlich in der welfischen Presse auf lebhaften Widerspruch gestoßen. Man erkannte dankbar an, daß das Ministerium die unbestrittene Erbfolge des „ältesten Agnaten des Hauses Braunschweig" hervor¬ hob, womit zugleich die Nechtsgiltigkeit des Erbhuldigungseidcs auch mit Grenzboten II 1898 3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/25>, abgerufen am 23.07.2024.