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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Joseph Lhamberlain

überzeugt, während am Nil ägyptische Bajonette den Völkern des Mcchdi ähn¬
liche Unterweisung angedeihen lassen. Gegen diese Thätigkeit wird niemand
Einwendungen machen, außer den also unterwiesenen Schülern und vielleicht
unsern gallischen Nachbarn. Minder löblich dagegen ist Chamberlains Ver¬
bindung mit dem recht ehrenwerten Cecil Rhodes, der auch gern mit dem
Pinsel über die Landkarte fährt. Was soll man von einem Minister sagen,
der, nach Rücksprache mit Rhodes, im Parlament erklärt, Rhodes sei an
Jamesons Transvaalabenteuer unschuldig, der später als Mitglied des Unter¬
suchungsausschusses das Schriftstück unterzeichnet, das Rhodes als den Urheber
und Hauptschuldigen brandmarkt und unmittelbar darauf uM Et orbi ver¬
kündet, an Rhodes hafte kein Makel. Jameson und seine Offiziere wurden
ins Gefängnis gesteckt, und die Offiziere verloren ihre Patente; Rhodes ging
frei aus und ist noch heute wie Chamberlain selbst das recht ehrenwerte Mit¬
glied des Geheimen Rates Ihrer Großbritannischer Majestät. Es ist schwer,
nicht zu demselben Schlüsse zu kommen wie der ehrliche radikale Journalist
Stead, der in seiner Rsvisv ok Rsvisvs Chamberlain als Mitverschwornen
an den Pranger stellt.

Über Rhodes ist alle Welt einig, und dieselbe Einigkeit würde auch über
Chamberlain herrschen, wenn die Aufgabe des Untersnchnngsausschusses ge¬
wesen wäre, die Wahrheit zu ergründen, anstatt Chamberlain weiß zu waschen.
Chamberlain wußte, weshalb er einen Sitz im Ausschusse einnahm, wo er
Richter in eigner Sache war. Rhodes, das muß man ihm lassen, hat seine
Schuld nie geleugnet, und um ihn hätte kein Ausschuß zu tagen brauchen.
Aber das Verhalten Chamberlains war mehr als verdächtig. Handelte Rhodes
wirklich nur auf eigne Faust, als er Jameson zu verstehen gab, d"ß das
Kolonialamt den Plan gegen Transvaal billige? Wenn es der Fall war, dann
hätte die Vorlegung der berüchtigten Kabeltelegramme Chamberlains Unschuld
über allen Zweifel gestellt. Doch diese wichtigen Beweisstücke wurden zurück¬
gehalten, und der Ausschuß drückte beide Augen zu und erklärte Rhodes für
den alleinigen Sündenbock.

Von einem gewandten Politiker wie Chamberlain war zu erwarten, daß
er sich aus den Dornen herauswinden würde. Ohne Einbuße an moralischer
Wolle aber hat er das Stückchen nicht fertig gebracht. Als er sich im Parla¬
mente für Rhodes Unschuld verbürgte, mußte er von Rhodes die Wahrheit
erfahren haben, und dann log er; oder er hatte sich von Rhodes über die
Grenzen des Möglichen belügen lassen, und dann Hütte er nicht später den
recht ehrenwerten Herrn für makellos erklären dürfen, sondern hätte auf einer
Strafverfolgung bestehen müssen. Nun, Rhodes hat nicht gelogen. Der
Mangel an Wahrheitsliebe fällt Chamberlain zur Last, und wo einmal ge¬
logen worden ist, darf man annehmen, daß es auch im übrigen mit der Wahr¬
heit nicht allzu genau genommen wird. Alle Anzeichen deuten auf Chamber-


Grcnzboten II I8W Z0
Joseph Lhamberlain

überzeugt, während am Nil ägyptische Bajonette den Völkern des Mcchdi ähn¬
liche Unterweisung angedeihen lassen. Gegen diese Thätigkeit wird niemand
Einwendungen machen, außer den also unterwiesenen Schülern und vielleicht
unsern gallischen Nachbarn. Minder löblich dagegen ist Chamberlains Ver¬
bindung mit dem recht ehrenwerten Cecil Rhodes, der auch gern mit dem
Pinsel über die Landkarte fährt. Was soll man von einem Minister sagen,
der, nach Rücksprache mit Rhodes, im Parlament erklärt, Rhodes sei an
Jamesons Transvaalabenteuer unschuldig, der später als Mitglied des Unter¬
suchungsausschusses das Schriftstück unterzeichnet, das Rhodes als den Urheber
und Hauptschuldigen brandmarkt und unmittelbar darauf uM Et orbi ver¬
kündet, an Rhodes hafte kein Makel. Jameson und seine Offiziere wurden
ins Gefängnis gesteckt, und die Offiziere verloren ihre Patente; Rhodes ging
frei aus und ist noch heute wie Chamberlain selbst das recht ehrenwerte Mit¬
glied des Geheimen Rates Ihrer Großbritannischer Majestät. Es ist schwer,
nicht zu demselben Schlüsse zu kommen wie der ehrliche radikale Journalist
Stead, der in seiner Rsvisv ok Rsvisvs Chamberlain als Mitverschwornen
an den Pranger stellt.

Über Rhodes ist alle Welt einig, und dieselbe Einigkeit würde auch über
Chamberlain herrschen, wenn die Aufgabe des Untersnchnngsausschusses ge¬
wesen wäre, die Wahrheit zu ergründen, anstatt Chamberlain weiß zu waschen.
Chamberlain wußte, weshalb er einen Sitz im Ausschusse einnahm, wo er
Richter in eigner Sache war. Rhodes, das muß man ihm lassen, hat seine
Schuld nie geleugnet, und um ihn hätte kein Ausschuß zu tagen brauchen.
Aber das Verhalten Chamberlains war mehr als verdächtig. Handelte Rhodes
wirklich nur auf eigne Faust, als er Jameson zu verstehen gab, d«ß das
Kolonialamt den Plan gegen Transvaal billige? Wenn es der Fall war, dann
hätte die Vorlegung der berüchtigten Kabeltelegramme Chamberlains Unschuld
über allen Zweifel gestellt. Doch diese wichtigen Beweisstücke wurden zurück¬
gehalten, und der Ausschuß drückte beide Augen zu und erklärte Rhodes für
den alleinigen Sündenbock.

Von einem gewandten Politiker wie Chamberlain war zu erwarten, daß
er sich aus den Dornen herauswinden würde. Ohne Einbuße an moralischer
Wolle aber hat er das Stückchen nicht fertig gebracht. Als er sich im Parla¬
mente für Rhodes Unschuld verbürgte, mußte er von Rhodes die Wahrheit
erfahren haben, und dann log er; oder er hatte sich von Rhodes über die
Grenzen des Möglichen belügen lassen, und dann Hütte er nicht später den
recht ehrenwerten Herrn für makellos erklären dürfen, sondern hätte auf einer
Strafverfolgung bestehen müssen. Nun, Rhodes hat nicht gelogen. Der
Mangel an Wahrheitsliebe fällt Chamberlain zur Last, und wo einmal ge¬
logen worden ist, darf man annehmen, daß es auch im übrigen mit der Wahr¬
heit nicht allzu genau genommen wird. Alle Anzeichen deuten auf Chamber-


Grcnzboten II I8W Z0
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[0241] Joseph Lhamberlain überzeugt, während am Nil ägyptische Bajonette den Völkern des Mcchdi ähn¬ liche Unterweisung angedeihen lassen. Gegen diese Thätigkeit wird niemand Einwendungen machen, außer den also unterwiesenen Schülern und vielleicht unsern gallischen Nachbarn. Minder löblich dagegen ist Chamberlains Ver¬ bindung mit dem recht ehrenwerten Cecil Rhodes, der auch gern mit dem Pinsel über die Landkarte fährt. Was soll man von einem Minister sagen, der, nach Rücksprache mit Rhodes, im Parlament erklärt, Rhodes sei an Jamesons Transvaalabenteuer unschuldig, der später als Mitglied des Unter¬ suchungsausschusses das Schriftstück unterzeichnet, das Rhodes als den Urheber und Hauptschuldigen brandmarkt und unmittelbar darauf uM Et orbi ver¬ kündet, an Rhodes hafte kein Makel. Jameson und seine Offiziere wurden ins Gefängnis gesteckt, und die Offiziere verloren ihre Patente; Rhodes ging frei aus und ist noch heute wie Chamberlain selbst das recht ehrenwerte Mit¬ glied des Geheimen Rates Ihrer Großbritannischer Majestät. Es ist schwer, nicht zu demselben Schlüsse zu kommen wie der ehrliche radikale Journalist Stead, der in seiner Rsvisv ok Rsvisvs Chamberlain als Mitverschwornen an den Pranger stellt. Über Rhodes ist alle Welt einig, und dieselbe Einigkeit würde auch über Chamberlain herrschen, wenn die Aufgabe des Untersnchnngsausschusses ge¬ wesen wäre, die Wahrheit zu ergründen, anstatt Chamberlain weiß zu waschen. Chamberlain wußte, weshalb er einen Sitz im Ausschusse einnahm, wo er Richter in eigner Sache war. Rhodes, das muß man ihm lassen, hat seine Schuld nie geleugnet, und um ihn hätte kein Ausschuß zu tagen brauchen. Aber das Verhalten Chamberlains war mehr als verdächtig. Handelte Rhodes wirklich nur auf eigne Faust, als er Jameson zu verstehen gab, d«ß das Kolonialamt den Plan gegen Transvaal billige? Wenn es der Fall war, dann hätte die Vorlegung der berüchtigten Kabeltelegramme Chamberlains Unschuld über allen Zweifel gestellt. Doch diese wichtigen Beweisstücke wurden zurück¬ gehalten, und der Ausschuß drückte beide Augen zu und erklärte Rhodes für den alleinigen Sündenbock. Von einem gewandten Politiker wie Chamberlain war zu erwarten, daß er sich aus den Dornen herauswinden würde. Ohne Einbuße an moralischer Wolle aber hat er das Stückchen nicht fertig gebracht. Als er sich im Parla¬ mente für Rhodes Unschuld verbürgte, mußte er von Rhodes die Wahrheit erfahren haben, und dann log er; oder er hatte sich von Rhodes über die Grenzen des Möglichen belügen lassen, und dann Hütte er nicht später den recht ehrenwerten Herrn für makellos erklären dürfen, sondern hätte auf einer Strafverfolgung bestehen müssen. Nun, Rhodes hat nicht gelogen. Der Mangel an Wahrheitsliebe fällt Chamberlain zur Last, und wo einmal ge¬ logen worden ist, darf man annehmen, daß es auch im übrigen mit der Wahr¬ heit nicht allzu genau genommen wird. Alle Anzeichen deuten auf Chamber- Grcnzboten II I8W Z0

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/241>, abgerufen am 23.07.2024.