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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Das Recht der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuch
Otto Hagen von
1

s ist mehr als vierzig Jahre her, daß W. H. Riehl in seiner
Naturgeschichte des Volkes die Emcmzipirung von den Frauen
predigte. Er sah in dem Vordrängen der Frauen auf den offnen
Markt, in ihrem Hereinpfuschen namentlich in die geistigen Be¬
rufe der Männer ein Zeichen der Abspannung des öffentlichen
Lebens, der erschlafften Sitte des Hauses -- eine Folge üppiger Friedenstage.
Diese Warnung ist keineswegs veraltet; was sich auf die sprachgelehrten Frauen,
die Malerinnen und Kupferstecherinnen früherer Jahrhunderte und auf die
Politisch thätigen Teilnehmerinnen der Revolutionsbewegungen der vierziger
Jahre bezog, läßt sich ohne Zwang auf mancherlei Erscheinungen der heutigen
Frauenbewegung umwenden. Heute wie damals ist es das erste Gebot der
gepredigten Emanzipirung, sich nicht durch klangvolle Reden und Übertreibungen
berauschen zu lassen, den Wert gepriesener ausländischer Vorbilder an den Er¬
fordernissen deutscher Sitte zu messen und gerade die lautesten Klagen über
Unterdrückung und Notstand mit der unerbittlichsten Gründlichkeit aus ihre
sachliche Berechtigung zu prüfen.

Die Überschrift verrät, wohin diese Bemerkungen zielen. Die einheitliche
Neuordnung des bürgerlichen Rechts im Deutschen Reiche hat den Anlaß zu
einem besonders lauten Klageruf über "Raub an den Frauen" gegeben; bei
der Beratung des bürgerlichen Gesetzbuchs im Reichstage ist die Frauenfrage
uach ihrer privatrechtlichen Seite eingehend erörtert worden; mit welchem Er¬
folge, ist bekannt und ergiebt sich aus der mit Recht abenteuerlich genannten
Bittschrift an den Reichstag, das soeben beschlossene Gesetzbuch schleunigst


Grenzboten II 1898 2ö


Das Recht der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuch
Otto Hagen von
1

s ist mehr als vierzig Jahre her, daß W. H. Riehl in seiner
Naturgeschichte des Volkes die Emcmzipirung von den Frauen
predigte. Er sah in dem Vordrängen der Frauen auf den offnen
Markt, in ihrem Hereinpfuschen namentlich in die geistigen Be¬
rufe der Männer ein Zeichen der Abspannung des öffentlichen
Lebens, der erschlafften Sitte des Hauses — eine Folge üppiger Friedenstage.
Diese Warnung ist keineswegs veraltet; was sich auf die sprachgelehrten Frauen,
die Malerinnen und Kupferstecherinnen früherer Jahrhunderte und auf die
Politisch thätigen Teilnehmerinnen der Revolutionsbewegungen der vierziger
Jahre bezog, läßt sich ohne Zwang auf mancherlei Erscheinungen der heutigen
Frauenbewegung umwenden. Heute wie damals ist es das erste Gebot der
gepredigten Emanzipirung, sich nicht durch klangvolle Reden und Übertreibungen
berauschen zu lassen, den Wert gepriesener ausländischer Vorbilder an den Er¬
fordernissen deutscher Sitte zu messen und gerade die lautesten Klagen über
Unterdrückung und Notstand mit der unerbittlichsten Gründlichkeit aus ihre
sachliche Berechtigung zu prüfen.

Die Überschrift verrät, wohin diese Bemerkungen zielen. Die einheitliche
Neuordnung des bürgerlichen Rechts im Deutschen Reiche hat den Anlaß zu
einem besonders lauten Klageruf über „Raub an den Frauen" gegeben; bei
der Beratung des bürgerlichen Gesetzbuchs im Reichstage ist die Frauenfrage
uach ihrer privatrechtlichen Seite eingehend erörtert worden; mit welchem Er¬
folge, ist bekannt und ergiebt sich aus der mit Recht abenteuerlich genannten
Bittschrift an den Reichstag, das soeben beschlossene Gesetzbuch schleunigst


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[0209] [Abbildung] Das Recht der Frau nach dem bürgerlichen Gesetzbuch Otto Hagen von 1 s ist mehr als vierzig Jahre her, daß W. H. Riehl in seiner Naturgeschichte des Volkes die Emcmzipirung von den Frauen predigte. Er sah in dem Vordrängen der Frauen auf den offnen Markt, in ihrem Hereinpfuschen namentlich in die geistigen Be¬ rufe der Männer ein Zeichen der Abspannung des öffentlichen Lebens, der erschlafften Sitte des Hauses — eine Folge üppiger Friedenstage. Diese Warnung ist keineswegs veraltet; was sich auf die sprachgelehrten Frauen, die Malerinnen und Kupferstecherinnen früherer Jahrhunderte und auf die Politisch thätigen Teilnehmerinnen der Revolutionsbewegungen der vierziger Jahre bezog, läßt sich ohne Zwang auf mancherlei Erscheinungen der heutigen Frauenbewegung umwenden. Heute wie damals ist es das erste Gebot der gepredigten Emanzipirung, sich nicht durch klangvolle Reden und Übertreibungen berauschen zu lassen, den Wert gepriesener ausländischer Vorbilder an den Er¬ fordernissen deutscher Sitte zu messen und gerade die lautesten Klagen über Unterdrückung und Notstand mit der unerbittlichsten Gründlichkeit aus ihre sachliche Berechtigung zu prüfen. Die Überschrift verrät, wohin diese Bemerkungen zielen. Die einheitliche Neuordnung des bürgerlichen Rechts im Deutschen Reiche hat den Anlaß zu einem besonders lauten Klageruf über „Raub an den Frauen" gegeben; bei der Beratung des bürgerlichen Gesetzbuchs im Reichstage ist die Frauenfrage uach ihrer privatrechtlichen Seite eingehend erörtert worden; mit welchem Er¬ folge, ist bekannt und ergiebt sich aus der mit Recht abenteuerlich genannten Bittschrift an den Reichstag, das soeben beschlossene Gesetzbuch schleunigst Grenzboten II 1898 2ö

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/209>, abgerufen am 27.12.2024.