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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Alphonse Daudet

als Weltgesetz und der Humor als ästhetische Gestalt des Metaphysischen be¬
zeichnet er als Humor den seinen unmittelbaren Schmerzen cntwundnen Geist,
der die Widersprüche der Gemütserfahrung in die Abstraktion erhebt und so
dem Menschen zur Seeleubefreiung verhilft. Und an einer andern Stelle
nennt er den Humor einen Akkord aus der Katzenmusik der sogenannten Welt¬
harmonie. So wunderlich und paradox das klingt, so steckt doch ein gutes
Stück Wahrheit in diesem Ausspruch. Diesen Akkord aus der scheinbaren
Katzenmusik des Lebens hat auch Daudet, trotz Taine, vortrefflich zu ersoffen
gewußt. Nisux aus xsrsoiiiiö, sagt Jules Lemattre, it sg-ihn et äögiigö os8
ironiW, egg oui'iositW <ze> vonimiz vos laiixis as 1a ssra-mie oomöäie ass lloininö8
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S. 287).

Es steckt in der That eine Fülle von Humor in Daudets Dichtungen,
und gerade dieser Humor, diese Freude an der Versöhnung der Gegensätze,
dieses Mitgefühl für die Armen, Bedrängten und Enterbten, diese Mischung
von Melancholie und herzbefreiender Heiterkeit unterscheidet ihn am deut¬
lichsten von der kalten, handwerksmäßigen Lebensauffassung der naturalistischen
Schriftsteller. Für alle Schattirungen des Humors, vom satirischen bis zum
sentimentalen, könnte man bei Daudet vortreffliche Vorbilder finden. Wie fein
ist die Skizze vom Elixir des ehrwürdigen Pater Gaucher, der sein Kloster
dadurch vor der Verarmung rettet, daß er einen ausgezeichneten Schnaps
brant, wodurch dem Kloster Geld in Hülle und Fülle zufließt. Pater Gaucher,
der bis dahin wegen seiner Dummheit von deu Brüdern mißachtet worden
ist, wird nun der Ehrwürdigste von allen, und obgleich er jeden Abend in
seiner Klause wenig ehrwürdig betrunken ist, so beten doch der Prior und die
Mönche für den armen Bruder, der seine Seele den Interessen der Gemeinschaft
opfert . . . OrölQus vonüns. "Und während über alle die weißen Kapuzen, die
im Schatten der Kirchenschiffe niedergekniet waren, der Schauer des frommen
Gebetes hinlief, hörte man von unten, ganz am Ende des Klosters, hinter den
erleuchteten Fenstern der Destillation den Pater Gaucher, der aus voller
Kehle sang:

Oder das prächtige Idyll I^es Vioux, die der Dichter aufsucht, um ihnen Grüße
von ihrem Sohn ans Paris zu bringen. Gerade die Briefe aus meiner Mühle
und die Sammlung I^ö8 I'oenas8 et'Meist!iZ8 sind reich an humoristischen Skizzen.
Auch manche Episoden in seinen Romanen sind geradezu Muster humoristischer


Alphonse Daudet

als Weltgesetz und der Humor als ästhetische Gestalt des Metaphysischen be¬
zeichnet er als Humor den seinen unmittelbaren Schmerzen cntwundnen Geist,
der die Widersprüche der Gemütserfahrung in die Abstraktion erhebt und so
dem Menschen zur Seeleubefreiung verhilft. Und an einer andern Stelle
nennt er den Humor einen Akkord aus der Katzenmusik der sogenannten Welt¬
harmonie. So wunderlich und paradox das klingt, so steckt doch ein gutes
Stück Wahrheit in diesem Ausspruch. Diesen Akkord aus der scheinbaren
Katzenmusik des Lebens hat auch Daudet, trotz Taine, vortrefflich zu ersoffen
gewußt. Nisux aus xsrsoiiiiö, sagt Jules Lemattre, it sg-ihn et äögiigö os8
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S. 287).

Es steckt in der That eine Fülle von Humor in Daudets Dichtungen,
und gerade dieser Humor, diese Freude an der Versöhnung der Gegensätze,
dieses Mitgefühl für die Armen, Bedrängten und Enterbten, diese Mischung
von Melancholie und herzbefreiender Heiterkeit unterscheidet ihn am deut¬
lichsten von der kalten, handwerksmäßigen Lebensauffassung der naturalistischen
Schriftsteller. Für alle Schattirungen des Humors, vom satirischen bis zum
sentimentalen, könnte man bei Daudet vortreffliche Vorbilder finden. Wie fein
ist die Skizze vom Elixir des ehrwürdigen Pater Gaucher, der sein Kloster
dadurch vor der Verarmung rettet, daß er einen ausgezeichneten Schnaps
brant, wodurch dem Kloster Geld in Hülle und Fülle zufließt. Pater Gaucher,
der bis dahin wegen seiner Dummheit von deu Brüdern mißachtet worden
ist, wird nun der Ehrwürdigste von allen, und obgleich er jeden Abend in
seiner Klause wenig ehrwürdig betrunken ist, so beten doch der Prior und die
Mönche für den armen Bruder, der seine Seele den Interessen der Gemeinschaft
opfert . . . OrölQus vonüns. „Und während über alle die weißen Kapuzen, die
im Schatten der Kirchenschiffe niedergekniet waren, der Schauer des frommen
Gebetes hinlief, hörte man von unten, ganz am Ende des Klosters, hinter den
erleuchteten Fenstern der Destillation den Pater Gaucher, der aus voller
Kehle sang:

Oder das prächtige Idyll I^es Vioux, die der Dichter aufsucht, um ihnen Grüße
von ihrem Sohn ans Paris zu bringen. Gerade die Briefe aus meiner Mühle
und die Sammlung I^ö8 I'oenas8 et'Meist!iZ8 sind reich an humoristischen Skizzen.
Auch manche Episoden in seinen Romanen sind geradezu Muster humoristischer


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[0202] Alphonse Daudet als Weltgesetz und der Humor als ästhetische Gestalt des Metaphysischen be¬ zeichnet er als Humor den seinen unmittelbaren Schmerzen cntwundnen Geist, der die Widersprüche der Gemütserfahrung in die Abstraktion erhebt und so dem Menschen zur Seeleubefreiung verhilft. Und an einer andern Stelle nennt er den Humor einen Akkord aus der Katzenmusik der sogenannten Welt¬ harmonie. So wunderlich und paradox das klingt, so steckt doch ein gutes Stück Wahrheit in diesem Ausspruch. Diesen Akkord aus der scheinbaren Katzenmusik des Lebens hat auch Daudet, trotz Taine, vortrefflich zu ersoffen gewußt. Nisux aus xsrsoiiiiö, sagt Jules Lemattre, it sg-ihn et äögiigö os8 ironiW, egg oui'iositW <ze> vonimiz vos laiixis as 1a ssra-mie oomöäie ass lloininö8 et <is8 ello8ö3. 1'on rolrouvora. xrcZL^no » elmquö xgM as 8ö8 grauäs i'0iNM8 ost g.re Ä'sxtrMS <1>z ig. rvÄlitö ÄL8 We,illlv8S8 doutlorm.<Z8 on nktvrMlvs, ä'on Mil1i33sin ig 8urM8ö, is rirv öl 8vuvsnt ig. pitiv (I^ö8 Oontöinx. II, S. 287). Es steckt in der That eine Fülle von Humor in Daudets Dichtungen, und gerade dieser Humor, diese Freude an der Versöhnung der Gegensätze, dieses Mitgefühl für die Armen, Bedrängten und Enterbten, diese Mischung von Melancholie und herzbefreiender Heiterkeit unterscheidet ihn am deut¬ lichsten von der kalten, handwerksmäßigen Lebensauffassung der naturalistischen Schriftsteller. Für alle Schattirungen des Humors, vom satirischen bis zum sentimentalen, könnte man bei Daudet vortreffliche Vorbilder finden. Wie fein ist die Skizze vom Elixir des ehrwürdigen Pater Gaucher, der sein Kloster dadurch vor der Verarmung rettet, daß er einen ausgezeichneten Schnaps brant, wodurch dem Kloster Geld in Hülle und Fülle zufließt. Pater Gaucher, der bis dahin wegen seiner Dummheit von deu Brüdern mißachtet worden ist, wird nun der Ehrwürdigste von allen, und obgleich er jeden Abend in seiner Klause wenig ehrwürdig betrunken ist, so beten doch der Prior und die Mönche für den armen Bruder, der seine Seele den Interessen der Gemeinschaft opfert . . . OrölQus vonüns. „Und während über alle die weißen Kapuzen, die im Schatten der Kirchenschiffe niedergekniet waren, der Schauer des frommen Gebetes hinlief, hörte man von unten, ganz am Ende des Klosters, hinter den erleuchteten Fenstern der Destillation den Pater Gaucher, der aus voller Kehle sang: Oder das prächtige Idyll I^es Vioux, die der Dichter aufsucht, um ihnen Grüße von ihrem Sohn ans Paris zu bringen. Gerade die Briefe aus meiner Mühle und die Sammlung I^ö8 I'oenas8 et'Meist!iZ8 sind reich an humoristischen Skizzen. Auch manche Episoden in seinen Romanen sind geradezu Muster humoristischer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/202>, abgerufen am 27.12.2024.