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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Schäden der preußische" Verwaltung

Würde den großen Vorteil haben, daß die Dezernenten aufhörten, Spezin-
listen zu sein, daß die ihnen für Dienstreisen überwiesenen Mittel ausreichen
würden, ihnen die genane Kenntnis der Personen und Verhältnisse in ihrem
Bezirke zu ermöglichen, und daß auf diesen Dienstreisen nicht nur Spezialfülle
würden erledigt werden, sondern stets eine ganze Reihe oft eng zusammen¬
hängender Angelegenheiten, bei denen jetzt ein Dezernent auf den andern ver¬
weisen muß, da ihm die Bearbeitung nicht zusteht. Die Kreisbehörden würden
nur noch mit wenigen Dezernenten zu thun haben, denen die örtlichen Ver¬
hältnisse vertraut sind. Die Bearbeitung der Geschäfte würde gewinnen, und
ebenso die Beamten, deren Gesichtskreis sich infolge der vielseitigen, Thätigkeit
erweitern müßte.

Man wird gegen diesen Vorschlag viel einzuwenden haben, besonders daß
dabei die Einheitlichkeit in der Bearbeitung der Geschäfte leiden würde, und
daß bei den Regierungen die Dezernenten Spezialisten sein müßten, wenn sie
ihren Geschäftskreis theoretisch beherrschen sollen. Darauf erwidern wir, daß
man es doch einmal praktisch versuchen möge. Bei gutem Willen wird sich die
Einrichtung sicherlich bewähren, auch besteht sie schon teilweise bei den zweiten
Abteilungen der Regierungen, wo die Kirchen- und Schulsachen vielfach, und
zwar nicht zum Schaden des Ganzen, in örtlich abgegrenzten Bezirken be¬
arbeitet werden. Und wird denn nicht von jedem Landrat verlangt, daß er
alle Teile des Dienstes beherrscht? Die Grundsätze, nach denen zu verwalten
ist, müßten in den Sitzungen festgestellt werden, wie das ja schon die Negic-
rnngsinstruktion vorschreibt, und die Bestimmung, daß jeder Dezernent am
Schlüsse des Jahres einen Verwaltungsbericht zu erstatten hat, würde dann
auch wieder zu Ehren kommen, während sie jetzt kaum ausgeführt werden kann,
weil den Dezernenten die praktische Erfahrung und damit die Übersicht fehlt.
Die Vergleichung der Verwaltungsberichte würde die beste Anregung zu neuer
Thätigkeit geben und zugleich einen vorzüglichen Anhalt für die Beurteilung
der Leistungsfähigkeit der Dezernenten. Die Abteilnngsdirigenten würden es
allerdings nicht mehr so beqnem haben wie jetzt, aber das kann doch nicht
ernstlich in Betracht kommen.

Im Rahmen dieses Aufsatzes kann nicht auf die vielen Verbesserungen
näher eingegangen werden, deren die preußische Verwaltungsorganisation fähig
ist; der Zweck dieser Zeilen ist nur, die Aufmerksamkeit auf diese Angelegen¬
heiten zu lenken, die eigentlich jeden angehen und doch so wenig beachtet
werden. Massow sagt darüber: "Wenn auf dem gewerbetechuischeu Gebiet
eine Erfindung gemacht wird, die ein beschleunigtes Betriebsverfahre" ermög¬
licht, so nimmt die ganze Welt daran Anteil; wird eine Verbesserung an einer
Maschine erfunden, so führen sie so und so viele Fabriken sofort ein, und
summa 8uuimarunr werden Millionen dafür ausgegeben. Über eine Verbesse¬
rung der allergrößten, der Staatsmaschine denkt niemand nach, und doch: was


Schäden der preußische» Verwaltung

Würde den großen Vorteil haben, daß die Dezernenten aufhörten, Spezin-
listen zu sein, daß die ihnen für Dienstreisen überwiesenen Mittel ausreichen
würden, ihnen die genane Kenntnis der Personen und Verhältnisse in ihrem
Bezirke zu ermöglichen, und daß auf diesen Dienstreisen nicht nur Spezialfülle
würden erledigt werden, sondern stets eine ganze Reihe oft eng zusammen¬
hängender Angelegenheiten, bei denen jetzt ein Dezernent auf den andern ver¬
weisen muß, da ihm die Bearbeitung nicht zusteht. Die Kreisbehörden würden
nur noch mit wenigen Dezernenten zu thun haben, denen die örtlichen Ver¬
hältnisse vertraut sind. Die Bearbeitung der Geschäfte würde gewinnen, und
ebenso die Beamten, deren Gesichtskreis sich infolge der vielseitigen, Thätigkeit
erweitern müßte.

Man wird gegen diesen Vorschlag viel einzuwenden haben, besonders daß
dabei die Einheitlichkeit in der Bearbeitung der Geschäfte leiden würde, und
daß bei den Regierungen die Dezernenten Spezialisten sein müßten, wenn sie
ihren Geschäftskreis theoretisch beherrschen sollen. Darauf erwidern wir, daß
man es doch einmal praktisch versuchen möge. Bei gutem Willen wird sich die
Einrichtung sicherlich bewähren, auch besteht sie schon teilweise bei den zweiten
Abteilungen der Regierungen, wo die Kirchen- und Schulsachen vielfach, und
zwar nicht zum Schaden des Ganzen, in örtlich abgegrenzten Bezirken be¬
arbeitet werden. Und wird denn nicht von jedem Landrat verlangt, daß er
alle Teile des Dienstes beherrscht? Die Grundsätze, nach denen zu verwalten
ist, müßten in den Sitzungen festgestellt werden, wie das ja schon die Negic-
rnngsinstruktion vorschreibt, und die Bestimmung, daß jeder Dezernent am
Schlüsse des Jahres einen Verwaltungsbericht zu erstatten hat, würde dann
auch wieder zu Ehren kommen, während sie jetzt kaum ausgeführt werden kann,
weil den Dezernenten die praktische Erfahrung und damit die Übersicht fehlt.
Die Vergleichung der Verwaltungsberichte würde die beste Anregung zu neuer
Thätigkeit geben und zugleich einen vorzüglichen Anhalt für die Beurteilung
der Leistungsfähigkeit der Dezernenten. Die Abteilnngsdirigenten würden es
allerdings nicht mehr so beqnem haben wie jetzt, aber das kann doch nicht
ernstlich in Betracht kommen.

Im Rahmen dieses Aufsatzes kann nicht auf die vielen Verbesserungen
näher eingegangen werden, deren die preußische Verwaltungsorganisation fähig
ist; der Zweck dieser Zeilen ist nur, die Aufmerksamkeit auf diese Angelegen¬
heiten zu lenken, die eigentlich jeden angehen und doch so wenig beachtet
werden. Massow sagt darüber: „Wenn auf dem gewerbetechuischeu Gebiet
eine Erfindung gemacht wird, die ein beschleunigtes Betriebsverfahre» ermög¬
licht, so nimmt die ganze Welt daran Anteil; wird eine Verbesserung an einer
Maschine erfunden, so führen sie so und so viele Fabriken sofort ein, und
summa 8uuimarunr werden Millionen dafür ausgegeben. Über eine Verbesse¬
rung der allergrößten, der Staatsmaschine denkt niemand nach, und doch: was


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[0181] Schäden der preußische» Verwaltung Würde den großen Vorteil haben, daß die Dezernenten aufhörten, Spezin- listen zu sein, daß die ihnen für Dienstreisen überwiesenen Mittel ausreichen würden, ihnen die genane Kenntnis der Personen und Verhältnisse in ihrem Bezirke zu ermöglichen, und daß auf diesen Dienstreisen nicht nur Spezialfülle würden erledigt werden, sondern stets eine ganze Reihe oft eng zusammen¬ hängender Angelegenheiten, bei denen jetzt ein Dezernent auf den andern ver¬ weisen muß, da ihm die Bearbeitung nicht zusteht. Die Kreisbehörden würden nur noch mit wenigen Dezernenten zu thun haben, denen die örtlichen Ver¬ hältnisse vertraut sind. Die Bearbeitung der Geschäfte würde gewinnen, und ebenso die Beamten, deren Gesichtskreis sich infolge der vielseitigen, Thätigkeit erweitern müßte. Man wird gegen diesen Vorschlag viel einzuwenden haben, besonders daß dabei die Einheitlichkeit in der Bearbeitung der Geschäfte leiden würde, und daß bei den Regierungen die Dezernenten Spezialisten sein müßten, wenn sie ihren Geschäftskreis theoretisch beherrschen sollen. Darauf erwidern wir, daß man es doch einmal praktisch versuchen möge. Bei gutem Willen wird sich die Einrichtung sicherlich bewähren, auch besteht sie schon teilweise bei den zweiten Abteilungen der Regierungen, wo die Kirchen- und Schulsachen vielfach, und zwar nicht zum Schaden des Ganzen, in örtlich abgegrenzten Bezirken be¬ arbeitet werden. Und wird denn nicht von jedem Landrat verlangt, daß er alle Teile des Dienstes beherrscht? Die Grundsätze, nach denen zu verwalten ist, müßten in den Sitzungen festgestellt werden, wie das ja schon die Negic- rnngsinstruktion vorschreibt, und die Bestimmung, daß jeder Dezernent am Schlüsse des Jahres einen Verwaltungsbericht zu erstatten hat, würde dann auch wieder zu Ehren kommen, während sie jetzt kaum ausgeführt werden kann, weil den Dezernenten die praktische Erfahrung und damit die Übersicht fehlt. Die Vergleichung der Verwaltungsberichte würde die beste Anregung zu neuer Thätigkeit geben und zugleich einen vorzüglichen Anhalt für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Dezernenten. Die Abteilnngsdirigenten würden es allerdings nicht mehr so beqnem haben wie jetzt, aber das kann doch nicht ernstlich in Betracht kommen. Im Rahmen dieses Aufsatzes kann nicht auf die vielen Verbesserungen näher eingegangen werden, deren die preußische Verwaltungsorganisation fähig ist; der Zweck dieser Zeilen ist nur, die Aufmerksamkeit auf diese Angelegen¬ heiten zu lenken, die eigentlich jeden angehen und doch so wenig beachtet werden. Massow sagt darüber: „Wenn auf dem gewerbetechuischeu Gebiet eine Erfindung gemacht wird, die ein beschleunigtes Betriebsverfahre» ermög¬ licht, so nimmt die ganze Welt daran Anteil; wird eine Verbesserung an einer Maschine erfunden, so führen sie so und so viele Fabriken sofort ein, und summa 8uuimarunr werden Millionen dafür ausgegeben. Über eine Verbesse¬ rung der allergrößten, der Staatsmaschine denkt niemand nach, und doch: was

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/181>, abgerufen am 23.07.2024.