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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Schäden der preußischen Verwaltung

Bedeutung (Auskunftserteilungen, kleinere Gutachten, Mitteilungen zur Kenntnis¬
nahme); 3. Sachen wichtigern Charakters, namentlich auf dem wirtschaftlichen
Gebiete; 4. besondre Angelegenheiten eines Bezirks, deren Vorbereitung und
Durchführung dem untergebnen Beamten Schwierigkeiten macht; 5. vertrau¬
liche Angelegenheiten.

Über die Verhandlungen soll eine den Untergebnen zuzustellende Registratur
aufgenommen werden, in der das Ergebnis der Einzelberatungen vermerkt
wird. In dieser Weise soll der Landrat mit seinen Untergebnen (Bürger¬
meistern, Amtsvorstehern), sowie mit den nebengeordneten Beamten (Kreisschul¬
inspektor, Kreisphysikus, Kreisbaumeister, Kreistierarzt) gemeinsam beraten, der
Regierungspräsident mit den Landräten, der Oberpräsident mit den Regierungs¬
präsidenten. Von einer solchen Einrichtung erhofft Scheffer eine gesunde Ver¬
einfachung der Verwaltung und eine außerordentliche Verminderung des Schreib¬
werks. Die Einheitlichkeit und das gleichmäßige, thatkräftige Vorgehen der
Verwaltung würden gewinnen; die Initiative und Stetigkeit in der Verfolgung
der Verwaltungsziele wären gesichert; die kleinliche, lediglich formale Be¬
handlung der Verwaltungsangelegenheiten würde abnehmen.

Wir müssen gestehen, daß wir diesen Vorschlägen etwas skeptisch gegen¬
stehen. Scheffer sagt selbst, daß die regelmäßige Pflege der amtlichen Be¬
ziehungen immer im Wege der Schriftlichkeit werde erfolgen müssen. Für die
große Masse der Sachen würde also auch seiner Ansicht nach der jetzt übliche
Geschäftsgang bestehen bleiben, wie das auch gar nicht anders möglich ist.
Im übrigen würden sich aber sehr bald große Schwierigkeiten ergeben. Bei
den Beratungen der Oberpräsidenten mit den Regierungspräsidenten würden
diese bei dem außerordentlichen Umfange der Geschäfte ohne die Unterstützung
ihrer Dezernenten in speziellen Fragen vielfach kaum Auskunft zu geben in der
Lage fein, die Erörterung würde sich also auf Dinge allgemeiner Natur be¬
schränken müssen, die ebenso gut bei gelegentlicher Anwesenheit des Ober¬
präsidenten am Sitze der Regierungen erfolgen kann. In der untersten Instanz
pflegen derartige Besprechungen, etwa mit dem Kreisphysikus oder dem Kreis¬
baumeister, formlos bei den sich häufig bietenden Gelegenheiten abgemacht zu
werden. Ob aber regelmäßige Zusammenkünfte der Untergebnen des Landrath
überhaupt zu erreichen wären, ist doch sehr zweifelhaft. Die Geschäfte der
Amtsvorsteher besorgen im Osten der Monarchie fast ausschließlich die großen
Grundbesitzer, die oft in weiter Entfernung von der Kreisstadt wohnen. Werden
diese, die schon jetzt über die Häufung der Geschäfte klagen, geneigt sein, zu
regelmäßigen Besprechungen in die Kreisstadt zu fahren? Und wenn sie es
thun, werden sie nicht bald zu der Ansicht kommen, daß der Zeitverlust in
keinem Verhältnis stehe zum Gewinne? Man muß wissen, wie in den Amts¬
bezirken die Geschäfte vielfach erledigt werden; mit der Selbstverwaltung müßte
man bei der Durchführung der Schesferschen Vorschlüge jedenfalls brechen. In


Schäden der preußischen Verwaltung

Bedeutung (Auskunftserteilungen, kleinere Gutachten, Mitteilungen zur Kenntnis¬
nahme); 3. Sachen wichtigern Charakters, namentlich auf dem wirtschaftlichen
Gebiete; 4. besondre Angelegenheiten eines Bezirks, deren Vorbereitung und
Durchführung dem untergebnen Beamten Schwierigkeiten macht; 5. vertrau¬
liche Angelegenheiten.

Über die Verhandlungen soll eine den Untergebnen zuzustellende Registratur
aufgenommen werden, in der das Ergebnis der Einzelberatungen vermerkt
wird. In dieser Weise soll der Landrat mit seinen Untergebnen (Bürger¬
meistern, Amtsvorstehern), sowie mit den nebengeordneten Beamten (Kreisschul¬
inspektor, Kreisphysikus, Kreisbaumeister, Kreistierarzt) gemeinsam beraten, der
Regierungspräsident mit den Landräten, der Oberpräsident mit den Regierungs¬
präsidenten. Von einer solchen Einrichtung erhofft Scheffer eine gesunde Ver¬
einfachung der Verwaltung und eine außerordentliche Verminderung des Schreib¬
werks. Die Einheitlichkeit und das gleichmäßige, thatkräftige Vorgehen der
Verwaltung würden gewinnen; die Initiative und Stetigkeit in der Verfolgung
der Verwaltungsziele wären gesichert; die kleinliche, lediglich formale Be¬
handlung der Verwaltungsangelegenheiten würde abnehmen.

Wir müssen gestehen, daß wir diesen Vorschlägen etwas skeptisch gegen¬
stehen. Scheffer sagt selbst, daß die regelmäßige Pflege der amtlichen Be¬
ziehungen immer im Wege der Schriftlichkeit werde erfolgen müssen. Für die
große Masse der Sachen würde also auch seiner Ansicht nach der jetzt übliche
Geschäftsgang bestehen bleiben, wie das auch gar nicht anders möglich ist.
Im übrigen würden sich aber sehr bald große Schwierigkeiten ergeben. Bei
den Beratungen der Oberpräsidenten mit den Regierungspräsidenten würden
diese bei dem außerordentlichen Umfange der Geschäfte ohne die Unterstützung
ihrer Dezernenten in speziellen Fragen vielfach kaum Auskunft zu geben in der
Lage fein, die Erörterung würde sich also auf Dinge allgemeiner Natur be¬
schränken müssen, die ebenso gut bei gelegentlicher Anwesenheit des Ober¬
präsidenten am Sitze der Regierungen erfolgen kann. In der untersten Instanz
pflegen derartige Besprechungen, etwa mit dem Kreisphysikus oder dem Kreis¬
baumeister, formlos bei den sich häufig bietenden Gelegenheiten abgemacht zu
werden. Ob aber regelmäßige Zusammenkünfte der Untergebnen des Landrath
überhaupt zu erreichen wären, ist doch sehr zweifelhaft. Die Geschäfte der
Amtsvorsteher besorgen im Osten der Monarchie fast ausschließlich die großen
Grundbesitzer, die oft in weiter Entfernung von der Kreisstadt wohnen. Werden
diese, die schon jetzt über die Häufung der Geschäfte klagen, geneigt sein, zu
regelmäßigen Besprechungen in die Kreisstadt zu fahren? Und wenn sie es
thun, werden sie nicht bald zu der Ansicht kommen, daß der Zeitverlust in
keinem Verhältnis stehe zum Gewinne? Man muß wissen, wie in den Amts¬
bezirken die Geschäfte vielfach erledigt werden; mit der Selbstverwaltung müßte
man bei der Durchführung der Schesferschen Vorschlüge jedenfalls brechen. In


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[0176] Schäden der preußischen Verwaltung Bedeutung (Auskunftserteilungen, kleinere Gutachten, Mitteilungen zur Kenntnis¬ nahme); 3. Sachen wichtigern Charakters, namentlich auf dem wirtschaftlichen Gebiete; 4. besondre Angelegenheiten eines Bezirks, deren Vorbereitung und Durchführung dem untergebnen Beamten Schwierigkeiten macht; 5. vertrau¬ liche Angelegenheiten. Über die Verhandlungen soll eine den Untergebnen zuzustellende Registratur aufgenommen werden, in der das Ergebnis der Einzelberatungen vermerkt wird. In dieser Weise soll der Landrat mit seinen Untergebnen (Bürger¬ meistern, Amtsvorstehern), sowie mit den nebengeordneten Beamten (Kreisschul¬ inspektor, Kreisphysikus, Kreisbaumeister, Kreistierarzt) gemeinsam beraten, der Regierungspräsident mit den Landräten, der Oberpräsident mit den Regierungs¬ präsidenten. Von einer solchen Einrichtung erhofft Scheffer eine gesunde Ver¬ einfachung der Verwaltung und eine außerordentliche Verminderung des Schreib¬ werks. Die Einheitlichkeit und das gleichmäßige, thatkräftige Vorgehen der Verwaltung würden gewinnen; die Initiative und Stetigkeit in der Verfolgung der Verwaltungsziele wären gesichert; die kleinliche, lediglich formale Be¬ handlung der Verwaltungsangelegenheiten würde abnehmen. Wir müssen gestehen, daß wir diesen Vorschlägen etwas skeptisch gegen¬ stehen. Scheffer sagt selbst, daß die regelmäßige Pflege der amtlichen Be¬ ziehungen immer im Wege der Schriftlichkeit werde erfolgen müssen. Für die große Masse der Sachen würde also auch seiner Ansicht nach der jetzt übliche Geschäftsgang bestehen bleiben, wie das auch gar nicht anders möglich ist. Im übrigen würden sich aber sehr bald große Schwierigkeiten ergeben. Bei den Beratungen der Oberpräsidenten mit den Regierungspräsidenten würden diese bei dem außerordentlichen Umfange der Geschäfte ohne die Unterstützung ihrer Dezernenten in speziellen Fragen vielfach kaum Auskunft zu geben in der Lage fein, die Erörterung würde sich also auf Dinge allgemeiner Natur be¬ schränken müssen, die ebenso gut bei gelegentlicher Anwesenheit des Ober¬ präsidenten am Sitze der Regierungen erfolgen kann. In der untersten Instanz pflegen derartige Besprechungen, etwa mit dem Kreisphysikus oder dem Kreis¬ baumeister, formlos bei den sich häufig bietenden Gelegenheiten abgemacht zu werden. Ob aber regelmäßige Zusammenkünfte der Untergebnen des Landrath überhaupt zu erreichen wären, ist doch sehr zweifelhaft. Die Geschäfte der Amtsvorsteher besorgen im Osten der Monarchie fast ausschließlich die großen Grundbesitzer, die oft in weiter Entfernung von der Kreisstadt wohnen. Werden diese, die schon jetzt über die Häufung der Geschäfte klagen, geneigt sein, zu regelmäßigen Besprechungen in die Kreisstadt zu fahren? Und wenn sie es thun, werden sie nicht bald zu der Ansicht kommen, daß der Zeitverlust in keinem Verhältnis stehe zum Gewinne? Man muß wissen, wie in den Amts¬ bezirken die Geschäfte vielfach erledigt werden; mit der Selbstverwaltung müßte man bei der Durchführung der Schesferschen Vorschlüge jedenfalls brechen. In

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/176>, abgerufen am 23.07.2024.