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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Kriegsfuß sind und leider auch bleiben werden. Hierdurch träte aber das
rein nationale und deutsche Interesse bedeutend hinter dem kapitalistischen und
internationalen zurück, während jetzt das erste im Vordergrunde steht. Freilich
müssen wir die ideale Seite auch materiell stärken, und zwar sowohl durch
Einwanderung wie durch Kapitalzufluß. Die wieder eingetretene Verkleinerung
der südwestafrikanischen Schutztruppe war angesichts der drohenden Verwicklung
gerade keine sehr weitansschciuende Maßregel und jedenfalls eine falsch angebrachte
Sparsamkeit, die sich schon gerächt hat, da der Ovambociufstcmd im Norden einen
erneuten Nachschub an Streitkräften erforderlich macht, und somit doppelte
Transportkosten entstehen. Tausend deutsche Reiter und gediente Soldaten
würden gegenüber dem gewordnen englischen Gesindel sehr ins Gewicht fallen,
wenn sich die kriegsschwangere Wolke endlich entladen sollte. Diplomatische
Noten werden am besten durch Gewehre unterstützt, und der größte Staats¬
mann unsers Jahrhunderts heißt der "Mann mit Blut und Eisen," weil er
zur rechten Zeit die Kanonen spielen ließ. Kriegslustig ist Deutschland nie
gewesen, auch Bismarck hat manchmal vielleicht zu lange gezögert, ja sogar bald
nach dem Kriege von 1870/71 gegen Moltkes Rat einen erneuten Ausbruch ver¬
hindert, dessen Ergebnis die Herstellung der alten lothringisch-niederländischen
Grenze hätte sein können-^) Versäumen wir deshalb nicht den richtigen Augen¬
blick. Der englischen Kühnheit wird schon eine deutsche Demonstration genügen.
Es handelt sich um kein leichtfertiges Kriegsabenteuer, sondern um den Be¬
ginn einer besonnenen Weltpolitik zum Schutze unsers eignen Volkstums. Es
gilt zu zeigen, ob das kaiserliche Wort vom "größern Deutschland" in die
That umgesetzt werden kann und wird. Die schwere Kriegsrüstung trügt das
deutsche Volk nicht zum Spaß, und die Last ist nur dadurch gerechtfertigt,
daß im gegebnen Fall das deutsche Schwert, wie einst, den gewichtigen Aus¬
schlag giebt in Europa und jenseits des Ozeans. Schon einmal hat uns
Albion in Afrika überlistet, sorgen wir dafür, daß eine solche nationale Schmach
nicht wiederkehrt.

Wenn uns auch die Nativnalitätenkämpfe der Jingos und Jantees im
angelsächsischen Machtbereich und der Sprachenstreit in der österreichisch-
ungarischen Monarchie, wo überall das Deutschtum der Amboß statt des
Hammers ist, mit Deutlichkeit zeigen, daß das geradem Deutschland so be¬
liebte Weltbürgertum entschiedne Rückschritte gemacht hat, so können wir doch
nicht die gewichtigen wirtschaftlichen Zustände verkennen, die jetzt mehr als
früher auf das Leben der Völker bestimmend einwirken. Nur wenn zugleich
die wirtschaftlichen Kräfte und Verhältnisse eine Annäherung der Staaten ge¬
nügend stützen, werden sich auch nationale Ziele verwirklichen lassen. Die



*) Vergl.' Das' verwelschte Deutschtum jenseits der Westmarken' des Reichs von K, v, Ser.
Berlin, Fr, Luckhardt,

Kriegsfuß sind und leider auch bleiben werden. Hierdurch träte aber das
rein nationale und deutsche Interesse bedeutend hinter dem kapitalistischen und
internationalen zurück, während jetzt das erste im Vordergrunde steht. Freilich
müssen wir die ideale Seite auch materiell stärken, und zwar sowohl durch
Einwanderung wie durch Kapitalzufluß. Die wieder eingetretene Verkleinerung
der südwestafrikanischen Schutztruppe war angesichts der drohenden Verwicklung
gerade keine sehr weitansschciuende Maßregel und jedenfalls eine falsch angebrachte
Sparsamkeit, die sich schon gerächt hat, da der Ovambociufstcmd im Norden einen
erneuten Nachschub an Streitkräften erforderlich macht, und somit doppelte
Transportkosten entstehen. Tausend deutsche Reiter und gediente Soldaten
würden gegenüber dem gewordnen englischen Gesindel sehr ins Gewicht fallen,
wenn sich die kriegsschwangere Wolke endlich entladen sollte. Diplomatische
Noten werden am besten durch Gewehre unterstützt, und der größte Staats¬
mann unsers Jahrhunderts heißt der „Mann mit Blut und Eisen," weil er
zur rechten Zeit die Kanonen spielen ließ. Kriegslustig ist Deutschland nie
gewesen, auch Bismarck hat manchmal vielleicht zu lange gezögert, ja sogar bald
nach dem Kriege von 1870/71 gegen Moltkes Rat einen erneuten Ausbruch ver¬
hindert, dessen Ergebnis die Herstellung der alten lothringisch-niederländischen
Grenze hätte sein können-^) Versäumen wir deshalb nicht den richtigen Augen¬
blick. Der englischen Kühnheit wird schon eine deutsche Demonstration genügen.
Es handelt sich um kein leichtfertiges Kriegsabenteuer, sondern um den Be¬
ginn einer besonnenen Weltpolitik zum Schutze unsers eignen Volkstums. Es
gilt zu zeigen, ob das kaiserliche Wort vom „größern Deutschland" in die
That umgesetzt werden kann und wird. Die schwere Kriegsrüstung trügt das
deutsche Volk nicht zum Spaß, und die Last ist nur dadurch gerechtfertigt,
daß im gegebnen Fall das deutsche Schwert, wie einst, den gewichtigen Aus¬
schlag giebt in Europa und jenseits des Ozeans. Schon einmal hat uns
Albion in Afrika überlistet, sorgen wir dafür, daß eine solche nationale Schmach
nicht wiederkehrt.

Wenn uns auch die Nativnalitätenkämpfe der Jingos und Jantees im
angelsächsischen Machtbereich und der Sprachenstreit in der österreichisch-
ungarischen Monarchie, wo überall das Deutschtum der Amboß statt des
Hammers ist, mit Deutlichkeit zeigen, daß das geradem Deutschland so be¬
liebte Weltbürgertum entschiedne Rückschritte gemacht hat, so können wir doch
nicht die gewichtigen wirtschaftlichen Zustände verkennen, die jetzt mehr als
früher auf das Leben der Völker bestimmend einwirken. Nur wenn zugleich
die wirtschaftlichen Kräfte und Verhältnisse eine Annäherung der Staaten ge¬
nügend stützen, werden sich auch nationale Ziele verwirklichen lassen. Die



*) Vergl.' Das' verwelschte Deutschtum jenseits der Westmarken' des Reichs von K, v, Ser.
Berlin, Fr, Luckhardt,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/127>, abgerufen am 23.07.2024.