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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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einbegriffen, ist bei der Sorglosigkeit gegenüber Amerika gänzlich ungerechtfertigt,
wo ein ernster wirtschaftlicher Notstand herrscht und der jungfräuliche Boden
längst in den Händen beutelustiger Spekulationsgesellschaften ist.

Da der Ire aus politischen Gründen bei dem Verlassen der heimischen
Scholle die englischen Kolonien meidet, haben wir bei einer planmäßigen Ein¬
wanderung nach Südafrika den englischen Wettbewerb nicht zu fürchten, zumal
da der Engländer auch jetzt noch meist nur als Kaufmann und Gewerbe¬
treibender in das Land kommt. Freilich ist im Handel das deutsche Element
auch stark vertreten, aber es steht in nationaler Gefühllosigkeit auf englischer
Seite, wie die größte deutsche Bergwerksfirma Wernher, Veit u. Komp. zeigt.
Legt sich das deutsche Element mit amtlicher Unterstützung erst tüchtig ins Zeug,
so führt schon das Geschäftsinteresse den vaterlandslosen deutschen Handel in
Südafrika in das deutsche Lager. Vorläufig ist der Gewinn auf englischer
Seite. Aber man rühmt doch sonst den deutschen Kaufmann wegen seiner Ge¬
wandtheit so sehr, daß es ihm nicht schwer fallen dürfte -- wo doch genügendes
Kapital vorhanden ist, das sich dann nicht mehr in exotischen Werten, von den
Grieche" und Portugiesen nicht zu reden, allzu rasch verflüchtigen würde --, den
englischen Wettbewerb zu schlagen und das Hoch- und Niederdeutschtum auf eigne
Füße zu stellen. Die parlamentarische Verfassung der Kapkolonie ermöglicht den
Stammeskampf auf dem friedlichen Boden der Redeschlacht, und vor den eng¬
lischen Söldnern fürchten wir Deutschen uns doch wahrlich nicht. Mag England
die See beherrschen; auf dem Lande hat es stets eine klägliche Rolle gespielt.
Wir haben wohl nicht umsonst mit dem Säbel gerasselt und folgenreiche
Telegramme ausgesandt, ohne die notwendigen Schlüsse aus solchem politisch
ernsten Handeln zu ziehen, sondern werden hoffentlich unsre Thatkraft bei der
ersten Gelegenheit erweisen, die Englands und seines Lieblings Cecil Rhodes
unverfrorne Werke und Worte schon jetzt reichlich gewähren. Wir dürfen doch
annehmen, daß die Caprivische Politik, die den Kappremierminister offnen
Schmuggel in unserm benachbarten Schutzgebiet treiben und unsre Schutz-
befohlnen von englischen Händlern ungestört aufwiegeln ließ, endlich abgewirt¬
schaftet hat. Sonst würde das deutsche Halt in der Delagoabucht und beim
Jamesonschen Einfall nur ein harmloser Schreckschuß für das übrigens keines¬
wegs ängstliche England gewesen sein, das bisher nur deutsche Schwäche, aber
keine deutsche Kraft kennen gelernt hat. Was nützte uns der Ruhm des ver¬
flossenen Krieges und der Heldengestalten der Schöpfer des Reichs, wenn wir
selbstgenügsamen Söhne und Enkel gemächlich auf den nicht selbst gepflückten
Lorbeeren ausruhen und uns bloß in großen Worten ergehen wollten.

Die Sachlage in Südafrika ist klar und durch englische Heucheleien nicht
mehr zu verdunkeln. England rüstet sich zu einem Gewaltstreich wider die
Boerenstaaten, die den kleinern Teil des gesamtdeutschen Volksbestandes in
Südafrika bilden, deren Unabhängigkeit aber das Hindernis für die head-


einbegriffen, ist bei der Sorglosigkeit gegenüber Amerika gänzlich ungerechtfertigt,
wo ein ernster wirtschaftlicher Notstand herrscht und der jungfräuliche Boden
längst in den Händen beutelustiger Spekulationsgesellschaften ist.

Da der Ire aus politischen Gründen bei dem Verlassen der heimischen
Scholle die englischen Kolonien meidet, haben wir bei einer planmäßigen Ein¬
wanderung nach Südafrika den englischen Wettbewerb nicht zu fürchten, zumal
da der Engländer auch jetzt noch meist nur als Kaufmann und Gewerbe¬
treibender in das Land kommt. Freilich ist im Handel das deutsche Element
auch stark vertreten, aber es steht in nationaler Gefühllosigkeit auf englischer
Seite, wie die größte deutsche Bergwerksfirma Wernher, Veit u. Komp. zeigt.
Legt sich das deutsche Element mit amtlicher Unterstützung erst tüchtig ins Zeug,
so führt schon das Geschäftsinteresse den vaterlandslosen deutschen Handel in
Südafrika in das deutsche Lager. Vorläufig ist der Gewinn auf englischer
Seite. Aber man rühmt doch sonst den deutschen Kaufmann wegen seiner Ge¬
wandtheit so sehr, daß es ihm nicht schwer fallen dürfte — wo doch genügendes
Kapital vorhanden ist, das sich dann nicht mehr in exotischen Werten, von den
Grieche» und Portugiesen nicht zu reden, allzu rasch verflüchtigen würde —, den
englischen Wettbewerb zu schlagen und das Hoch- und Niederdeutschtum auf eigne
Füße zu stellen. Die parlamentarische Verfassung der Kapkolonie ermöglicht den
Stammeskampf auf dem friedlichen Boden der Redeschlacht, und vor den eng¬
lischen Söldnern fürchten wir Deutschen uns doch wahrlich nicht. Mag England
die See beherrschen; auf dem Lande hat es stets eine klägliche Rolle gespielt.
Wir haben wohl nicht umsonst mit dem Säbel gerasselt und folgenreiche
Telegramme ausgesandt, ohne die notwendigen Schlüsse aus solchem politisch
ernsten Handeln zu ziehen, sondern werden hoffentlich unsre Thatkraft bei der
ersten Gelegenheit erweisen, die Englands und seines Lieblings Cecil Rhodes
unverfrorne Werke und Worte schon jetzt reichlich gewähren. Wir dürfen doch
annehmen, daß die Caprivische Politik, die den Kappremierminister offnen
Schmuggel in unserm benachbarten Schutzgebiet treiben und unsre Schutz-
befohlnen von englischen Händlern ungestört aufwiegeln ließ, endlich abgewirt¬
schaftet hat. Sonst würde das deutsche Halt in der Delagoabucht und beim
Jamesonschen Einfall nur ein harmloser Schreckschuß für das übrigens keines¬
wegs ängstliche England gewesen sein, das bisher nur deutsche Schwäche, aber
keine deutsche Kraft kennen gelernt hat. Was nützte uns der Ruhm des ver¬
flossenen Krieges und der Heldengestalten der Schöpfer des Reichs, wenn wir
selbstgenügsamen Söhne und Enkel gemächlich auf den nicht selbst gepflückten
Lorbeeren ausruhen und uns bloß in großen Worten ergehen wollten.

Die Sachlage in Südafrika ist klar und durch englische Heucheleien nicht
mehr zu verdunkeln. England rüstet sich zu einem Gewaltstreich wider die
Boerenstaaten, die den kleinern Teil des gesamtdeutschen Volksbestandes in
Südafrika bilden, deren Unabhängigkeit aber das Hindernis für die head-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/123>, abgerufen am 28.12.2024.