Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
politisch-militärische Betrachtungen über Griechenland

Aber weit und breit keine griechischen Truppen. So entschlossen >vir uns,
den gefährlichen Ritt nach Volo hinunter zu machen, um wenn möglich eine
geordnete Übergabe der Stadt an die Türken und damit ihre Rettung ins
Werk zu setzen, was uns dann auch wirklich gelang, und zwar mit Hilfe der
.Konsuln, die die Behörden zum Bleiben und zur Entwaffnung der zahlreichen
Freischcirler in Volo nötigten. Die Behörden erreichten anch. daß der Admiral
auf der Psara, wenn auch unter Thränen, sein Geschwader von der Stube
zurücknahm, die er nach dem Abzug der Truppen Smolenskis allein ja nicht
mehr schützen konnte.

Am 11. Mai sah ich dann vom Kap Angistri aus dieses Geschwader
noch einmal, verstärkt um zwei armirte griechische Schiffe, bei Nea Minzela,
wo es zur Deckung der rechten Flanke des bei Halmyros stehenden Generals
Smolenski Stellung genommen hatte und dadurch die Türken vom weitern
Vormarsch die Meeresküste entlang abhielt. Nach der Schlacht von Dhomoko
machte sich dieses Geschwader noch einmal nützlich, indem es die 9000 Mann
Smolenskis von Nea Minzela nach Sthlida in der Nähe von Lamia über¬
führte. Außerdem hatte es nach der zweiten Schlacht von Belestino auch die
Flucht der aus Thessalien über Volo zurückgefluteten Bevölkerung nach den
Inseln und der Ostseite des Pelion ermöglicht.

Von den Leistungen des griechischen Westgeschwaders im Golf von Area
habe ich nichts gesehen; es ist aber zur Genüge bekannt, daß dieses gar nichts
erreicht hat, nicht einmal die Vernichtung des Forts Prevesa. Gesehen habe
ich nur das von diesem Geschwader nutzlos zusammengeschossene Hcigii Ssaranta
gegenüber Korfu an der Küste von Epirus, auf meiner Rückfahrt von Patras
nach Brindisi, Ende Juli. Fast ebenso wertlos war die Beschießung von
Platamona durch das griechische Ostgeschwader zu Beginn des thessalischen
Feldzugs. Von den Erfolgen einer dritten griechischen Flottenabteilnug, die
man gebildet haben soll, ist überhaupt nichts bekannt geworden. Denn die
im türkischen Hauptquartier in Larissa zu Anfang Mai umlaufende Sage von
einem Angriff der Griechen ans Smyrna, ja auf die Dardanellen stellte sich
als ein blinder Lärm heraus.

So könnte man vielleicht glauben, der türkisch-griechische Krieg des Früh¬
jahrs 1897 sei ein schlagender Beweis für den geringen Wert, den eine Flotte
im Kriegsfalle habe. In Wirklichkeit aber ist der Verlauf dieses Krieges nur
der Beweis für die allgemeine Erfahrung, daß auch mit den besten Mitteln
bei thörichter Verwendung nichts zu erreiche" ist. Thatsächlich hätte eine ein¬
sichtsvolle Benutzung der Flotte und der Aufbau des ganzen Kriegsplans auf
der Überlegenheit zur See, oder vielmehr auf der vollkommnen Wehrlostgkeit
der Türkei zu Wasser, Griechenland zum mindesten vor solcher Niederlage
schützen müssen, wie es sie erlebt hat. Die Flotte hätte den Griechen Erfolge
verschaffen können, die das schwankende Frankreich und Italien, vor allein aber


Grenzboten II 1808 >4
politisch-militärische Betrachtungen über Griechenland

Aber weit und breit keine griechischen Truppen. So entschlossen >vir uns,
den gefährlichen Ritt nach Volo hinunter zu machen, um wenn möglich eine
geordnete Übergabe der Stadt an die Türken und damit ihre Rettung ins
Werk zu setzen, was uns dann auch wirklich gelang, und zwar mit Hilfe der
.Konsuln, die die Behörden zum Bleiben und zur Entwaffnung der zahlreichen
Freischcirler in Volo nötigten. Die Behörden erreichten anch. daß der Admiral
auf der Psara, wenn auch unter Thränen, sein Geschwader von der Stube
zurücknahm, die er nach dem Abzug der Truppen Smolenskis allein ja nicht
mehr schützen konnte.

Am 11. Mai sah ich dann vom Kap Angistri aus dieses Geschwader
noch einmal, verstärkt um zwei armirte griechische Schiffe, bei Nea Minzela,
wo es zur Deckung der rechten Flanke des bei Halmyros stehenden Generals
Smolenski Stellung genommen hatte und dadurch die Türken vom weitern
Vormarsch die Meeresküste entlang abhielt. Nach der Schlacht von Dhomoko
machte sich dieses Geschwader noch einmal nützlich, indem es die 9000 Mann
Smolenskis von Nea Minzela nach Sthlida in der Nähe von Lamia über¬
führte. Außerdem hatte es nach der zweiten Schlacht von Belestino auch die
Flucht der aus Thessalien über Volo zurückgefluteten Bevölkerung nach den
Inseln und der Ostseite des Pelion ermöglicht.

Von den Leistungen des griechischen Westgeschwaders im Golf von Area
habe ich nichts gesehen; es ist aber zur Genüge bekannt, daß dieses gar nichts
erreicht hat, nicht einmal die Vernichtung des Forts Prevesa. Gesehen habe
ich nur das von diesem Geschwader nutzlos zusammengeschossene Hcigii Ssaranta
gegenüber Korfu an der Küste von Epirus, auf meiner Rückfahrt von Patras
nach Brindisi, Ende Juli. Fast ebenso wertlos war die Beschießung von
Platamona durch das griechische Ostgeschwader zu Beginn des thessalischen
Feldzugs. Von den Erfolgen einer dritten griechischen Flottenabteilnug, die
man gebildet haben soll, ist überhaupt nichts bekannt geworden. Denn die
im türkischen Hauptquartier in Larissa zu Anfang Mai umlaufende Sage von
einem Angriff der Griechen ans Smyrna, ja auf die Dardanellen stellte sich
als ein blinder Lärm heraus.

So könnte man vielleicht glauben, der türkisch-griechische Krieg des Früh¬
jahrs 1897 sei ein schlagender Beweis für den geringen Wert, den eine Flotte
im Kriegsfalle habe. In Wirklichkeit aber ist der Verlauf dieses Krieges nur
der Beweis für die allgemeine Erfahrung, daß auch mit den besten Mitteln
bei thörichter Verwendung nichts zu erreiche» ist. Thatsächlich hätte eine ein¬
sichtsvolle Benutzung der Flotte und der Aufbau des ganzen Kriegsplans auf
der Überlegenheit zur See, oder vielmehr auf der vollkommnen Wehrlostgkeit
der Türkei zu Wasser, Griechenland zum mindesten vor solcher Niederlage
schützen müssen, wie es sie erlebt hat. Die Flotte hätte den Griechen Erfolge
verschaffen können, die das schwankende Frankreich und Italien, vor allein aber


Grenzboten II 1808 >4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0113" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227749"/>
          <fw type="header" place="top"> politisch-militärische Betrachtungen über Griechenland</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_280" prev="#ID_279"> Aber weit und breit keine griechischen Truppen. So entschlossen &gt;vir uns,<lb/>
den gefährlichen Ritt nach Volo hinunter zu machen, um wenn möglich eine<lb/>
geordnete Übergabe der Stadt an die Türken und damit ihre Rettung ins<lb/>
Werk zu setzen, was uns dann auch wirklich gelang, und zwar mit Hilfe der<lb/>
.Konsuln, die die Behörden zum Bleiben und zur Entwaffnung der zahlreichen<lb/>
Freischcirler in Volo nötigten. Die Behörden erreichten anch. daß der Admiral<lb/>
auf der Psara, wenn auch unter Thränen, sein Geschwader von der Stube<lb/>
zurücknahm, die er nach dem Abzug der Truppen Smolenskis allein ja nicht<lb/>
mehr schützen konnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_281"> Am 11. Mai sah ich dann vom Kap Angistri aus dieses Geschwader<lb/>
noch einmal, verstärkt um zwei armirte griechische Schiffe, bei Nea Minzela,<lb/>
wo es zur Deckung der rechten Flanke des bei Halmyros stehenden Generals<lb/>
Smolenski Stellung genommen hatte und dadurch die Türken vom weitern<lb/>
Vormarsch die Meeresküste entlang abhielt. Nach der Schlacht von Dhomoko<lb/>
machte sich dieses Geschwader noch einmal nützlich, indem es die 9000 Mann<lb/>
Smolenskis von Nea Minzela nach Sthlida in der Nähe von Lamia über¬<lb/>
führte. Außerdem hatte es nach der zweiten Schlacht von Belestino auch die<lb/>
Flucht der aus Thessalien über Volo zurückgefluteten Bevölkerung nach den<lb/>
Inseln und der Ostseite des Pelion ermöglicht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_282"> Von den Leistungen des griechischen Westgeschwaders im Golf von Area<lb/>
habe ich nichts gesehen; es ist aber zur Genüge bekannt, daß dieses gar nichts<lb/>
erreicht hat, nicht einmal die Vernichtung des Forts Prevesa. Gesehen habe<lb/>
ich nur das von diesem Geschwader nutzlos zusammengeschossene Hcigii Ssaranta<lb/>
gegenüber Korfu an der Küste von Epirus, auf meiner Rückfahrt von Patras<lb/>
nach Brindisi, Ende Juli. Fast ebenso wertlos war die Beschießung von<lb/>
Platamona durch das griechische Ostgeschwader zu Beginn des thessalischen<lb/>
Feldzugs. Von den Erfolgen einer dritten griechischen Flottenabteilnug, die<lb/>
man gebildet haben soll, ist überhaupt nichts bekannt geworden. Denn die<lb/>
im türkischen Hauptquartier in Larissa zu Anfang Mai umlaufende Sage von<lb/>
einem Angriff der Griechen ans Smyrna, ja auf die Dardanellen stellte sich<lb/>
als ein blinder Lärm heraus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_283" next="#ID_284"> So könnte man vielleicht glauben, der türkisch-griechische Krieg des Früh¬<lb/>
jahrs 1897 sei ein schlagender Beweis für den geringen Wert, den eine Flotte<lb/>
im Kriegsfalle habe. In Wirklichkeit aber ist der Verlauf dieses Krieges nur<lb/>
der Beweis für die allgemeine Erfahrung, daß auch mit den besten Mitteln<lb/>
bei thörichter Verwendung nichts zu erreiche» ist. Thatsächlich hätte eine ein¬<lb/>
sichtsvolle Benutzung der Flotte und der Aufbau des ganzen Kriegsplans auf<lb/>
der Überlegenheit zur See, oder vielmehr auf der vollkommnen Wehrlostgkeit<lb/>
der Türkei zu Wasser, Griechenland zum mindesten vor solcher Niederlage<lb/>
schützen müssen, wie es sie erlebt hat. Die Flotte hätte den Griechen Erfolge<lb/>
verschaffen können, die das schwankende Frankreich und Italien, vor allein aber</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1808 &gt;4</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0113] politisch-militärische Betrachtungen über Griechenland Aber weit und breit keine griechischen Truppen. So entschlossen >vir uns, den gefährlichen Ritt nach Volo hinunter zu machen, um wenn möglich eine geordnete Übergabe der Stadt an die Türken und damit ihre Rettung ins Werk zu setzen, was uns dann auch wirklich gelang, und zwar mit Hilfe der .Konsuln, die die Behörden zum Bleiben und zur Entwaffnung der zahlreichen Freischcirler in Volo nötigten. Die Behörden erreichten anch. daß der Admiral auf der Psara, wenn auch unter Thränen, sein Geschwader von der Stube zurücknahm, die er nach dem Abzug der Truppen Smolenskis allein ja nicht mehr schützen konnte. Am 11. Mai sah ich dann vom Kap Angistri aus dieses Geschwader noch einmal, verstärkt um zwei armirte griechische Schiffe, bei Nea Minzela, wo es zur Deckung der rechten Flanke des bei Halmyros stehenden Generals Smolenski Stellung genommen hatte und dadurch die Türken vom weitern Vormarsch die Meeresküste entlang abhielt. Nach der Schlacht von Dhomoko machte sich dieses Geschwader noch einmal nützlich, indem es die 9000 Mann Smolenskis von Nea Minzela nach Sthlida in der Nähe von Lamia über¬ führte. Außerdem hatte es nach der zweiten Schlacht von Belestino auch die Flucht der aus Thessalien über Volo zurückgefluteten Bevölkerung nach den Inseln und der Ostseite des Pelion ermöglicht. Von den Leistungen des griechischen Westgeschwaders im Golf von Area habe ich nichts gesehen; es ist aber zur Genüge bekannt, daß dieses gar nichts erreicht hat, nicht einmal die Vernichtung des Forts Prevesa. Gesehen habe ich nur das von diesem Geschwader nutzlos zusammengeschossene Hcigii Ssaranta gegenüber Korfu an der Küste von Epirus, auf meiner Rückfahrt von Patras nach Brindisi, Ende Juli. Fast ebenso wertlos war die Beschießung von Platamona durch das griechische Ostgeschwader zu Beginn des thessalischen Feldzugs. Von den Erfolgen einer dritten griechischen Flottenabteilnug, die man gebildet haben soll, ist überhaupt nichts bekannt geworden. Denn die im türkischen Hauptquartier in Larissa zu Anfang Mai umlaufende Sage von einem Angriff der Griechen ans Smyrna, ja auf die Dardanellen stellte sich als ein blinder Lärm heraus. So könnte man vielleicht glauben, der türkisch-griechische Krieg des Früh¬ jahrs 1897 sei ein schlagender Beweis für den geringen Wert, den eine Flotte im Kriegsfalle habe. In Wirklichkeit aber ist der Verlauf dieses Krieges nur der Beweis für die allgemeine Erfahrung, daß auch mit den besten Mitteln bei thörichter Verwendung nichts zu erreiche» ist. Thatsächlich hätte eine ein¬ sichtsvolle Benutzung der Flotte und der Aufbau des ganzen Kriegsplans auf der Überlegenheit zur See, oder vielmehr auf der vollkommnen Wehrlostgkeit der Türkei zu Wasser, Griechenland zum mindesten vor solcher Niederlage schützen müssen, wie es sie erlebt hat. Die Flotte hätte den Griechen Erfolge verschaffen können, die das schwankende Frankreich und Italien, vor allein aber Grenzboten II 1808 >4

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/113
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/113>, abgerufen am 23.07.2024.