Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.Zum Doppeljubiläum König Alberts über Italien und die Behauptung der Kaiserkrone, zu lösen, aber nicht die In den beiden letzten Jahrhunderten des Mittelalters ging nun freilich den Also war das deutsche Reichsfürsteutmn zu größerer Festigkeit gelangt, Zum Doppeljubiläum König Alberts über Italien und die Behauptung der Kaiserkrone, zu lösen, aber nicht die In den beiden letzten Jahrhunderten des Mittelalters ging nun freilich den Also war das deutsche Reichsfürsteutmn zu größerer Festigkeit gelangt, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0107" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227743"/> <fw type="header" place="top"> Zum Doppeljubiläum König Alberts</fw><lb/> <p xml:id="ID_265" prev="#ID_264"> über Italien und die Behauptung der Kaiserkrone, zu lösen, aber nicht die<lb/> zweite, die für die Zukunft des deutscheu Volkstums besonders wichtig war,<lb/> seine Ausbreitung und Herrschaft über die Slawenlande im Osten. Diese blieb<lb/> vielmehr seit dem Anfange des elften Jahrhunderts völlig den geistlichen und<lb/> weltlichen Herren an der Grenze überlassen, den Welsen und Askaniern, den<lb/> Wettinern und Vabenbergern, später auch dein deutschen Ritterorden. In<lb/> dem großen tragischen Gegensatze Friedrich Barbarossas und Heinrichs des<lb/> Löwen tritt diese Doppelseitigkeit der großen deutschen Politik besonders scharf<lb/> hervor. Für die Interessen des Deutschtums im Nordosten war die Zer¬<lb/> trümmerung der welfischen Macht, die für das Neichsinteresfe notwendig war,<lb/> em Unheil, und nur die Thatkraft selbständig vorgehender norddeutscher Fürsten<lb/> wehrte eine ihrer schlimmsten Folgen ab, die Auslieferung der deutschen Ostsee¬<lb/> küste an die Dünen. Für den ganzen deutschen Norden war seitdem das<lb/> Kaisertum tot; die deutsche Herrschaft über die Nord- und die Ostsee und die<lb/> Handelsherrschaft über deu germanischen und slawischen Norden war das<lb/> Werk eines niederdeutschen Städtebnndes, der zur Reichsgewalt gar keine Be¬<lb/> ziehungen hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_266"> In den beiden letzten Jahrhunderten des Mittelalters ging nun freilich den<lb/> deutschen Fürstengeschlechtern das Bewußtsein, daß sie auch für die Interessen<lb/> der Nation zu sorgen hatten, mit dem Nationalbewußtsein selbst fast ganz ver¬<lb/> loren. Ihren Besitz durch Kauf, Tausch, Eroberung und Heirat möglichst zu<lb/> vermehren, ihre Söhne gut zu versorge», darauf wandten sie alle ihre Arbeit.<lb/> So wenig politisch dachten sie, so ganz und gar überwogen privatrechtliche<lb/> Gründe, daß sie unbedenklich ihren in der That durch tausend Zufälligkeiten<lb/> zusammengebrachten Besitz immer wieder teilten und oft zukunftsreiche<lb/> Machtbildungen im Keime vernichteten, so Karl IV. 1378, so die Wettiner<lb/> 1263 und 1485. Erst als neben der landesfürstlichen Gewalt die Vasallen<lb/> und die Städte des Gebiets zu Ständen, zu Landtagen zusammenwuchsen,<lb/> begann sich das Gefühl einer gewissen dauernden Einheit durchzusetzen, und<lb/> mehr und mehr griffen seit dem fünfzehnten Jahrhundert Bestimmungen um<lb/> sich, die neue Teilungen verboten und somit die staatsrechtliche Einheit des<lb/> Territoriums für die Zukunft sicherten.</p><lb/> <p xml:id="ID_267" next="#ID_268"> Also war das deutsche Reichsfürsteutmn zu größerer Festigkeit gelangt,<lb/> als die entscheidende Schicksalswendung eintrat, die wir mit dem Namen der<lb/> Reformation bezeichnen. In dieser gewaltigsten Krisis des deutschen Volkslebens<lb/> versagte sich das Habsburgische Kaisertum, von internationalen Beziehungen<lb/> beherrscht und von einem fremden Herrscher vertreten, der Deutschland gar nicht<lb/> kannte, dem Drängen der Nation nach einer nationalen Kirchenreform; ja Karl V.<lb/> bekämpfte sie mit allen Mitteln, die ihm Reich und Kirche an die Hand gaben.<lb/> Da traten die Reichsfttrsten für sie ein, sie führten sie durch trotz Kaiser und<lb/> Reich, sie erhoben schließlich, als loyale Vasallen zögernd und widerwillig, die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0107]
Zum Doppeljubiläum König Alberts
über Italien und die Behauptung der Kaiserkrone, zu lösen, aber nicht die
zweite, die für die Zukunft des deutscheu Volkstums besonders wichtig war,
seine Ausbreitung und Herrschaft über die Slawenlande im Osten. Diese blieb
vielmehr seit dem Anfange des elften Jahrhunderts völlig den geistlichen und
weltlichen Herren an der Grenze überlassen, den Welsen und Askaniern, den
Wettinern und Vabenbergern, später auch dein deutschen Ritterorden. In
dem großen tragischen Gegensatze Friedrich Barbarossas und Heinrichs des
Löwen tritt diese Doppelseitigkeit der großen deutschen Politik besonders scharf
hervor. Für die Interessen des Deutschtums im Nordosten war die Zer¬
trümmerung der welfischen Macht, die für das Neichsinteresfe notwendig war,
em Unheil, und nur die Thatkraft selbständig vorgehender norddeutscher Fürsten
wehrte eine ihrer schlimmsten Folgen ab, die Auslieferung der deutschen Ostsee¬
küste an die Dünen. Für den ganzen deutschen Norden war seitdem das
Kaisertum tot; die deutsche Herrschaft über die Nord- und die Ostsee und die
Handelsherrschaft über deu germanischen und slawischen Norden war das
Werk eines niederdeutschen Städtebnndes, der zur Reichsgewalt gar keine Be¬
ziehungen hatte.
In den beiden letzten Jahrhunderten des Mittelalters ging nun freilich den
deutschen Fürstengeschlechtern das Bewußtsein, daß sie auch für die Interessen
der Nation zu sorgen hatten, mit dem Nationalbewußtsein selbst fast ganz ver¬
loren. Ihren Besitz durch Kauf, Tausch, Eroberung und Heirat möglichst zu
vermehren, ihre Söhne gut zu versorge», darauf wandten sie alle ihre Arbeit.
So wenig politisch dachten sie, so ganz und gar überwogen privatrechtliche
Gründe, daß sie unbedenklich ihren in der That durch tausend Zufälligkeiten
zusammengebrachten Besitz immer wieder teilten und oft zukunftsreiche
Machtbildungen im Keime vernichteten, so Karl IV. 1378, so die Wettiner
1263 und 1485. Erst als neben der landesfürstlichen Gewalt die Vasallen
und die Städte des Gebiets zu Ständen, zu Landtagen zusammenwuchsen,
begann sich das Gefühl einer gewissen dauernden Einheit durchzusetzen, und
mehr und mehr griffen seit dem fünfzehnten Jahrhundert Bestimmungen um
sich, die neue Teilungen verboten und somit die staatsrechtliche Einheit des
Territoriums für die Zukunft sicherten.
Also war das deutsche Reichsfürsteutmn zu größerer Festigkeit gelangt,
als die entscheidende Schicksalswendung eintrat, die wir mit dem Namen der
Reformation bezeichnen. In dieser gewaltigsten Krisis des deutschen Volkslebens
versagte sich das Habsburgische Kaisertum, von internationalen Beziehungen
beherrscht und von einem fremden Herrscher vertreten, der Deutschland gar nicht
kannte, dem Drängen der Nation nach einer nationalen Kirchenreform; ja Karl V.
bekämpfte sie mit allen Mitteln, die ihm Reich und Kirche an die Hand gaben.
Da traten die Reichsfttrsten für sie ein, sie führten sie durch trotz Kaiser und
Reich, sie erhoben schließlich, als loyale Vasallen zögernd und widerwillig, die
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