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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr.

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Zum Doppeljubiläum König Alberts

in König zu sein, ein deutscher Reichsfürst, ist heute keine leichte
Aufgabe; wir dürfen vielmehr sagen: sie ist schwerer als in jeder
andern Zeit. Es ist heute eine Stellung, die nicht mehr wie
im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert getragen wird von
dem naiven Glauben des Volkes an die von Gott geordnete
Obrigkeit, die nicht mehr in dem ebenso naiven Genusse der Macht von Gottes
Gnaden beruht; das ist vorüber. Sie ist vielmehr aller Kritik ausgesetzt, einer
Kritik, die oft nach dem äußerlichsten Scheine urteilt, die sich gar nicht sagt,
daß sich die Dinge von oben ganz anders ansehen als von unter, und daß man
von den Beweggründen, die einen Herrscher bestimmen, gewöhnlich nur eine sehr
unvollkommne Kenntnis haben kaun, von der aus man sich in jedem ernstern
Falle des bürgerlichen Lebens scheuen würde, überhaupt eine Kritik zu wagen.
Aber dies ist doch mir die Kehrseite der Entwicklung, die die moderne und
namentlich die deutsche Monarchie genommen hat. Wenn ihre Stellung heute
unendlich schwieriger ist als früher, so ist das doch uur die Folge davon, daß
die Aufgabe schwieriger ist als früher, und dies ergiebt sich wieder aus der
Entwicklung unsrer ganzen Kultur zu immer größerer Mannigfaltigkeit, zu
immer dichterer Verflechtung des Einzelnen mit seinem Volke, des einzelnen
Volkes mit der Welt. Wenn jeder von uns das empfindet, wenn jeder Ge¬
bildete jeden Tag die allerverschiedenartigsten Eindrücke in sich aufnehmen muß.
um wieviel mehr muß sich das steigern bei einem regierenden Fürsten! Dieser
Tag gehört dem König. Aber gerade deshalb dürfte es heute am Platze sein,
in großen Zügen zu zeigen, wie denn das deutsche Reichsfürstentum zu dem
geworden ist, was es heute ist, und wie König Albert in diese Aufgaben
hineingewachsen ist.


Grenzboten II 1898 13


Zum Doppeljubiläum König Alberts

in König zu sein, ein deutscher Reichsfürst, ist heute keine leichte
Aufgabe; wir dürfen vielmehr sagen: sie ist schwerer als in jeder
andern Zeit. Es ist heute eine Stellung, die nicht mehr wie
im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert getragen wird von
dem naiven Glauben des Volkes an die von Gott geordnete
Obrigkeit, die nicht mehr in dem ebenso naiven Genusse der Macht von Gottes
Gnaden beruht; das ist vorüber. Sie ist vielmehr aller Kritik ausgesetzt, einer
Kritik, die oft nach dem äußerlichsten Scheine urteilt, die sich gar nicht sagt,
daß sich die Dinge von oben ganz anders ansehen als von unter, und daß man
von den Beweggründen, die einen Herrscher bestimmen, gewöhnlich nur eine sehr
unvollkommne Kenntnis haben kaun, von der aus man sich in jedem ernstern
Falle des bürgerlichen Lebens scheuen würde, überhaupt eine Kritik zu wagen.
Aber dies ist doch mir die Kehrseite der Entwicklung, die die moderne und
namentlich die deutsche Monarchie genommen hat. Wenn ihre Stellung heute
unendlich schwieriger ist als früher, so ist das doch uur die Folge davon, daß
die Aufgabe schwieriger ist als früher, und dies ergiebt sich wieder aus der
Entwicklung unsrer ganzen Kultur zu immer größerer Mannigfaltigkeit, zu
immer dichterer Verflechtung des Einzelnen mit seinem Volke, des einzelnen
Volkes mit der Welt. Wenn jeder von uns das empfindet, wenn jeder Ge¬
bildete jeden Tag die allerverschiedenartigsten Eindrücke in sich aufnehmen muß.
um wieviel mehr muß sich das steigern bei einem regierenden Fürsten! Dieser
Tag gehört dem König. Aber gerade deshalb dürfte es heute am Platze sein,
in großen Zügen zu zeigen, wie denn das deutsche Reichsfürstentum zu dem
geworden ist, was es heute ist, und wie König Albert in diese Aufgaben
hineingewachsen ist.


Grenzboten II 1898 13
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[0105] [Abbildung] Zum Doppeljubiläum König Alberts in König zu sein, ein deutscher Reichsfürst, ist heute keine leichte Aufgabe; wir dürfen vielmehr sagen: sie ist schwerer als in jeder andern Zeit. Es ist heute eine Stellung, die nicht mehr wie im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert getragen wird von dem naiven Glauben des Volkes an die von Gott geordnete Obrigkeit, die nicht mehr in dem ebenso naiven Genusse der Macht von Gottes Gnaden beruht; das ist vorüber. Sie ist vielmehr aller Kritik ausgesetzt, einer Kritik, die oft nach dem äußerlichsten Scheine urteilt, die sich gar nicht sagt, daß sich die Dinge von oben ganz anders ansehen als von unter, und daß man von den Beweggründen, die einen Herrscher bestimmen, gewöhnlich nur eine sehr unvollkommne Kenntnis haben kaun, von der aus man sich in jedem ernstern Falle des bürgerlichen Lebens scheuen würde, überhaupt eine Kritik zu wagen. Aber dies ist doch mir die Kehrseite der Entwicklung, die die moderne und namentlich die deutsche Monarchie genommen hat. Wenn ihre Stellung heute unendlich schwieriger ist als früher, so ist das doch uur die Folge davon, daß die Aufgabe schwieriger ist als früher, und dies ergiebt sich wieder aus der Entwicklung unsrer ganzen Kultur zu immer größerer Mannigfaltigkeit, zu immer dichterer Verflechtung des Einzelnen mit seinem Volke, des einzelnen Volkes mit der Welt. Wenn jeder von uns das empfindet, wenn jeder Ge¬ bildete jeden Tag die allerverschiedenartigsten Eindrücke in sich aufnehmen muß. um wieviel mehr muß sich das steigern bei einem regierenden Fürsten! Dieser Tag gehört dem König. Aber gerade deshalb dürfte es heute am Platze sein, in großen Zügen zu zeigen, wie denn das deutsche Reichsfürstentum zu dem geworden ist, was es heute ist, und wie König Albert in diese Aufgaben hineingewachsen ist. Grenzboten II 1898 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_227635/105>, abgerufen am 27.12.2024.