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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Gruft August von Hannover und das Jahr ^8^8

Anspruch, weil er wußte, daß dieser in der Domänenfrage mit ihm überein¬
stimmte. Dessen Promemoria an den Prinzen vom 8. Januar 1836 teilt
Hasselt in der Beilage seines Buches mit. Am 18. Dezember 1836 erklärt
sich der Prinz so deutlich und ausführlich über die Unzweckmäßigkeit der
Kassenvereinigung gegenüber dem Kabinettsrat von Falcke, daß über die Mei¬
nung des künftigen Königs kein Zweifel mehr sein konnte, bis gleich nach der
Thronbesteigung noch deutlichere Anzeichen erfolgten, und am 1. November 1837
endlich das berüchtigte königliche Patent erschien, das das Staatsgrnndgesetz
aufhob. Am Gelde war dem König nicht gelegen, denn er lebte auch später
immer sehr einfach und übernahm oft Ausgaben für das Land auf seine
eigne Kasse. Ihm kam die Beschränkung auf die Zivilliste unwürdig vor,
und zu dieser Form des Souveränitätsgefühls gesellte sich ohne Frage eine
durch die Zeit und das Nachdenken, wie es zu gehen Pflegt, gesteigerte Empfind¬
lichkeit darüber, daß er als nächstbeteiligter Agnat nicht förmlich um seine
Zustimmung ersucht worden war. Hütte man den König gekannt als Regenten
und vor allem als Wirtschafter, wie wir ihn jetzt kennen, hätte man gewußt,
daß es sich für ihn nur um ein Prinzip handelte, so würde die Aufregung
gewiß weniger groß gewesen sein. Rechtlich war des Königs Position nicht
so desperat, wie die kurze Fassung der populären Geschichtsbücher es darzustellen
Pflegt, und die Männer, die seine Meinung teilten, waren wahrlich weder
Dummköpfe noch Schurken, wenn sie auch zum Teil später von der öffentlichen
Meinung so behandelt wurden, als wären sie eins von beiden. Aber die
Maßregel wirkte verhängnisvoll. Handelte es sich für den König um ein
Prinzip, so war man damals auf der andern Seite in Prinzipien erst recht
empfindlich. Weil in der Sache zu wenig ans dem Spiele stand, so hat der
heutige Leser für die Feierlichkeit, mit der dieser Kampf für die Verfassung
von 1833 jahrelang von der Opposition gegen die Regierung des Königs ge¬
führt wurde, keine ganz entsprechende Empfindung mehr. Vieles erscheint uns
heute kleinlich, manches kaum ernsthaft zu nehmen; die damalige Zeit vertrug
eben noch viel mehr Pathos. Zur Versöhnung that dann der alte König
sein möglichstes. So kam das Jahr 1848 heran. Es sollte zeigen, wie fest
und sicher er in seinem Lande stand, während andre deutsche Throne bedenklich
erschüttert wurden.

Abgesehen von einer kleinen Revolte in Hildesheim verlief die ganze
Freiheitsbewegung im hannoverschen Lande wie ein Kostümfest; das Feuer
zündete nicht. Der niedersüchsische Bauer war für dergleichen Dinge nicht zu
haben, eine Jndnstriebevölkerung, die man hätte aufregen können, gab es nicht,
und das Kleinbürgertum der Städte fühlte sich im ganzen Wohl und war zu¬
frieden. In der Residenz gab es zwar Protestversammlungen und Pöbel-
cmfläufe, aber wie harmlos war das alles im Verhältnis zu dem, was ander¬
wärts geschah! Der alte Ernst August kannte keine Furcht, er ließ sich nichts


Gruft August von Hannover und das Jahr ^8^8

Anspruch, weil er wußte, daß dieser in der Domänenfrage mit ihm überein¬
stimmte. Dessen Promemoria an den Prinzen vom 8. Januar 1836 teilt
Hasselt in der Beilage seines Buches mit. Am 18. Dezember 1836 erklärt
sich der Prinz so deutlich und ausführlich über die Unzweckmäßigkeit der
Kassenvereinigung gegenüber dem Kabinettsrat von Falcke, daß über die Mei¬
nung des künftigen Königs kein Zweifel mehr sein konnte, bis gleich nach der
Thronbesteigung noch deutlichere Anzeichen erfolgten, und am 1. November 1837
endlich das berüchtigte königliche Patent erschien, das das Staatsgrnndgesetz
aufhob. Am Gelde war dem König nicht gelegen, denn er lebte auch später
immer sehr einfach und übernahm oft Ausgaben für das Land auf seine
eigne Kasse. Ihm kam die Beschränkung auf die Zivilliste unwürdig vor,
und zu dieser Form des Souveränitätsgefühls gesellte sich ohne Frage eine
durch die Zeit und das Nachdenken, wie es zu gehen Pflegt, gesteigerte Empfind¬
lichkeit darüber, daß er als nächstbeteiligter Agnat nicht förmlich um seine
Zustimmung ersucht worden war. Hütte man den König gekannt als Regenten
und vor allem als Wirtschafter, wie wir ihn jetzt kennen, hätte man gewußt,
daß es sich für ihn nur um ein Prinzip handelte, so würde die Aufregung
gewiß weniger groß gewesen sein. Rechtlich war des Königs Position nicht
so desperat, wie die kurze Fassung der populären Geschichtsbücher es darzustellen
Pflegt, und die Männer, die seine Meinung teilten, waren wahrlich weder
Dummköpfe noch Schurken, wenn sie auch zum Teil später von der öffentlichen
Meinung so behandelt wurden, als wären sie eins von beiden. Aber die
Maßregel wirkte verhängnisvoll. Handelte es sich für den König um ein
Prinzip, so war man damals auf der andern Seite in Prinzipien erst recht
empfindlich. Weil in der Sache zu wenig ans dem Spiele stand, so hat der
heutige Leser für die Feierlichkeit, mit der dieser Kampf für die Verfassung
von 1833 jahrelang von der Opposition gegen die Regierung des Königs ge¬
führt wurde, keine ganz entsprechende Empfindung mehr. Vieles erscheint uns
heute kleinlich, manches kaum ernsthaft zu nehmen; die damalige Zeit vertrug
eben noch viel mehr Pathos. Zur Versöhnung that dann der alte König
sein möglichstes. So kam das Jahr 1848 heran. Es sollte zeigen, wie fest
und sicher er in seinem Lande stand, während andre deutsche Throne bedenklich
erschüttert wurden.

Abgesehen von einer kleinen Revolte in Hildesheim verlief die ganze
Freiheitsbewegung im hannoverschen Lande wie ein Kostümfest; das Feuer
zündete nicht. Der niedersüchsische Bauer war für dergleichen Dinge nicht zu
haben, eine Jndnstriebevölkerung, die man hätte aufregen können, gab es nicht,
und das Kleinbürgertum der Städte fühlte sich im ganzen Wohl und war zu¬
frieden. In der Residenz gab es zwar Protestversammlungen und Pöbel-
cmfläufe, aber wie harmlos war das alles im Verhältnis zu dem, was ander¬
wärts geschah! Der alte Ernst August kannte keine Furcht, er ließ sich nichts


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[0635] Gruft August von Hannover und das Jahr ^8^8 Anspruch, weil er wußte, daß dieser in der Domänenfrage mit ihm überein¬ stimmte. Dessen Promemoria an den Prinzen vom 8. Januar 1836 teilt Hasselt in der Beilage seines Buches mit. Am 18. Dezember 1836 erklärt sich der Prinz so deutlich und ausführlich über die Unzweckmäßigkeit der Kassenvereinigung gegenüber dem Kabinettsrat von Falcke, daß über die Mei¬ nung des künftigen Königs kein Zweifel mehr sein konnte, bis gleich nach der Thronbesteigung noch deutlichere Anzeichen erfolgten, und am 1. November 1837 endlich das berüchtigte königliche Patent erschien, das das Staatsgrnndgesetz aufhob. Am Gelde war dem König nicht gelegen, denn er lebte auch später immer sehr einfach und übernahm oft Ausgaben für das Land auf seine eigne Kasse. Ihm kam die Beschränkung auf die Zivilliste unwürdig vor, und zu dieser Form des Souveränitätsgefühls gesellte sich ohne Frage eine durch die Zeit und das Nachdenken, wie es zu gehen Pflegt, gesteigerte Empfind¬ lichkeit darüber, daß er als nächstbeteiligter Agnat nicht förmlich um seine Zustimmung ersucht worden war. Hütte man den König gekannt als Regenten und vor allem als Wirtschafter, wie wir ihn jetzt kennen, hätte man gewußt, daß es sich für ihn nur um ein Prinzip handelte, so würde die Aufregung gewiß weniger groß gewesen sein. Rechtlich war des Königs Position nicht so desperat, wie die kurze Fassung der populären Geschichtsbücher es darzustellen Pflegt, und die Männer, die seine Meinung teilten, waren wahrlich weder Dummköpfe noch Schurken, wenn sie auch zum Teil später von der öffentlichen Meinung so behandelt wurden, als wären sie eins von beiden. Aber die Maßregel wirkte verhängnisvoll. Handelte es sich für den König um ein Prinzip, so war man damals auf der andern Seite in Prinzipien erst recht empfindlich. Weil in der Sache zu wenig ans dem Spiele stand, so hat der heutige Leser für die Feierlichkeit, mit der dieser Kampf für die Verfassung von 1833 jahrelang von der Opposition gegen die Regierung des Königs ge¬ führt wurde, keine ganz entsprechende Empfindung mehr. Vieles erscheint uns heute kleinlich, manches kaum ernsthaft zu nehmen; die damalige Zeit vertrug eben noch viel mehr Pathos. Zur Versöhnung that dann der alte König sein möglichstes. So kam das Jahr 1848 heran. Es sollte zeigen, wie fest und sicher er in seinem Lande stand, während andre deutsche Throne bedenklich erschüttert wurden. Abgesehen von einer kleinen Revolte in Hildesheim verlief die ganze Freiheitsbewegung im hannoverschen Lande wie ein Kostümfest; das Feuer zündete nicht. Der niedersüchsische Bauer war für dergleichen Dinge nicht zu haben, eine Jndnstriebevölkerung, die man hätte aufregen können, gab es nicht, und das Kleinbürgertum der Städte fühlte sich im ganzen Wohl und war zu¬ frieden. In der Residenz gab es zwar Protestversammlungen und Pöbel- cmfläufe, aber wie harmlos war das alles im Verhältnis zu dem, was ander¬ wärts geschah! Der alte Ernst August kannte keine Furcht, er ließ sich nichts

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/635>, abgerufen am 09.01.2025.