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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Leo Taxil und der llongreß von Trient im Jahre l3H6

die Kardinäle sehr herzlich empfingen. Der Kardinal Rampolla erklärte mir,
daß meine Enthüllungen nur das bestätigten, was er, der Kardinal, bereits
aus Dokumenten gewußt, die ihm zur Verfügung stünden. Leo XIII., welcher
alle meine Schriften in seiner Bibliothek hat, begehrte mich zu sehn. Ich
wußte, wie schwierig die Komödie sein würde, die ich vor dem Papste zu
spielen hätte. Ich studirte mir einen ganzen Tag laug meine Rolle ein.
Der Papst sandte der Vaughcm zweimal seinen Segen. Dennoch hätte Rom
den Schwindel durchschauen müssen." Und in der That muß mau annehmen,
daß Rom den Schwindel durchschaute, aber zugleich billigte. "Als der Bischof
von Charleston den Papst auf den Schwindel aufmerksam machte, befahl man
ihm zu schweigen. Dieselbe Folge hatte eine Vorstellung des apostolischen
Vikars von Gibraltar, der feierlich versicherte, der Felsen von Gibraltar sei
nicht (wie Taxil durch Diana Vaughcm hatte enthüllen lassen) unterhöhlt, und
es gebe dort keine geheimen Grotten sür den freimaurerischen Teufelsdienst."
So erzählte Taxil in jener Versammlung und las die Briefe der Kardinäle
und Hausprälaten des Papstes an Diana Vcmghan vor.

Nun wahrlich, wenn Taxil ein Erfinder, ein Schwindler ist, was waren
dann die römisch-jesuitischen Begünstiger und Verbreiter der Erfindungen, die
sie selbst für Schwindeleien hielten? Denn auch ohne den Bischof von
Charleston und den Vikar von Gibraltar wird jedermann annehmen, daß man
in Rom jene Lügen nicht für Wahrheit hat nehmen können. Taxil vertraute
fest auf den blinden Aberglauben in der Masse des katholischen Volkes --
und in Rom that man genan dasselbe. Wer von beiden war es, der die
größere Schuld auf sich lud? War es der journalistische Abenteurer ohne
Namen und Stellung, oder waren es die verantwortlichen Leiter der römischen
Kirche? Mit Lump und Strolch und allen erdenklichen Verwünschungen siel
man über Taxil her, als er gestand, mit dem Aberglauben der Katholiken seinen
Spott getrieben zu haben: welche Benennungen gebühren denn den Vielen in
ganz anders verantwortlicher Stellung, die mit Freuden ihm in seinem Werke
beistanden? Wenn Taxil nicht selbst das Geheimnis seiner ungeheuern Propa¬
ganda für den finsteren Aberglauben zerstört hätte -- das jesuitisch-tyrannisch
geleitete Rom wäre nicht dazu bereit gewesen, sondern Hütte mit Befriedigung
das Gift weiter wirken lassen und zur Stärkung seiner Herrschaft ausgenutzt.
Ja, man hat trotz der in Paris von Taxil selbst in der Versammlung am
Ostermontage 1897 abgelegten Bekenntnisse seines Betruges, seiner zwölfjährigen
Irreführung der katholischen Welt, noch immer die Stirn, an seinen Schwin¬
deleien festzuhalten. Der "Pelikan" bleibt dabei, Geld zu sammeln für ein
Kloster in Schwyz zur Sühne des freimaurerischen Teufeldienstes. Ein vom
Papst gebilligtes Handbuch des Bundes der Antifreimaurer, das sich auf die
Werke Taxils stützt, wird weiter verbreitet. Herr Majunke hat -- so lesen
wir -- eine Schrift in demselben Geiste veröffentlicht. Herr Majunke hat sich


Leo Taxil und der llongreß von Trient im Jahre l3H6

die Kardinäle sehr herzlich empfingen. Der Kardinal Rampolla erklärte mir,
daß meine Enthüllungen nur das bestätigten, was er, der Kardinal, bereits
aus Dokumenten gewußt, die ihm zur Verfügung stünden. Leo XIII., welcher
alle meine Schriften in seiner Bibliothek hat, begehrte mich zu sehn. Ich
wußte, wie schwierig die Komödie sein würde, die ich vor dem Papste zu
spielen hätte. Ich studirte mir einen ganzen Tag laug meine Rolle ein.
Der Papst sandte der Vaughcm zweimal seinen Segen. Dennoch hätte Rom
den Schwindel durchschauen müssen." Und in der That muß mau annehmen,
daß Rom den Schwindel durchschaute, aber zugleich billigte. „Als der Bischof
von Charleston den Papst auf den Schwindel aufmerksam machte, befahl man
ihm zu schweigen. Dieselbe Folge hatte eine Vorstellung des apostolischen
Vikars von Gibraltar, der feierlich versicherte, der Felsen von Gibraltar sei
nicht (wie Taxil durch Diana Vaughcm hatte enthüllen lassen) unterhöhlt, und
es gebe dort keine geheimen Grotten sür den freimaurerischen Teufelsdienst."
So erzählte Taxil in jener Versammlung und las die Briefe der Kardinäle
und Hausprälaten des Papstes an Diana Vcmghan vor.

Nun wahrlich, wenn Taxil ein Erfinder, ein Schwindler ist, was waren
dann die römisch-jesuitischen Begünstiger und Verbreiter der Erfindungen, die
sie selbst für Schwindeleien hielten? Denn auch ohne den Bischof von
Charleston und den Vikar von Gibraltar wird jedermann annehmen, daß man
in Rom jene Lügen nicht für Wahrheit hat nehmen können. Taxil vertraute
fest auf den blinden Aberglauben in der Masse des katholischen Volkes —
und in Rom that man genan dasselbe. Wer von beiden war es, der die
größere Schuld auf sich lud? War es der journalistische Abenteurer ohne
Namen und Stellung, oder waren es die verantwortlichen Leiter der römischen
Kirche? Mit Lump und Strolch und allen erdenklichen Verwünschungen siel
man über Taxil her, als er gestand, mit dem Aberglauben der Katholiken seinen
Spott getrieben zu haben: welche Benennungen gebühren denn den Vielen in
ganz anders verantwortlicher Stellung, die mit Freuden ihm in seinem Werke
beistanden? Wenn Taxil nicht selbst das Geheimnis seiner ungeheuern Propa¬
ganda für den finsteren Aberglauben zerstört hätte — das jesuitisch-tyrannisch
geleitete Rom wäre nicht dazu bereit gewesen, sondern Hütte mit Befriedigung
das Gift weiter wirken lassen und zur Stärkung seiner Herrschaft ausgenutzt.
Ja, man hat trotz der in Paris von Taxil selbst in der Versammlung am
Ostermontage 1897 abgelegten Bekenntnisse seines Betruges, seiner zwölfjährigen
Irreführung der katholischen Welt, noch immer die Stirn, an seinen Schwin¬
deleien festzuhalten. Der „Pelikan" bleibt dabei, Geld zu sammeln für ein
Kloster in Schwyz zur Sühne des freimaurerischen Teufeldienstes. Ein vom
Papst gebilligtes Handbuch des Bundes der Antifreimaurer, das sich auf die
Werke Taxils stützt, wird weiter verbreitet. Herr Majunke hat — so lesen
wir — eine Schrift in demselben Geiste veröffentlicht. Herr Majunke hat sich


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[0602] Leo Taxil und der llongreß von Trient im Jahre l3H6 die Kardinäle sehr herzlich empfingen. Der Kardinal Rampolla erklärte mir, daß meine Enthüllungen nur das bestätigten, was er, der Kardinal, bereits aus Dokumenten gewußt, die ihm zur Verfügung stünden. Leo XIII., welcher alle meine Schriften in seiner Bibliothek hat, begehrte mich zu sehn. Ich wußte, wie schwierig die Komödie sein würde, die ich vor dem Papste zu spielen hätte. Ich studirte mir einen ganzen Tag laug meine Rolle ein. Der Papst sandte der Vaughcm zweimal seinen Segen. Dennoch hätte Rom den Schwindel durchschauen müssen." Und in der That muß mau annehmen, daß Rom den Schwindel durchschaute, aber zugleich billigte. „Als der Bischof von Charleston den Papst auf den Schwindel aufmerksam machte, befahl man ihm zu schweigen. Dieselbe Folge hatte eine Vorstellung des apostolischen Vikars von Gibraltar, der feierlich versicherte, der Felsen von Gibraltar sei nicht (wie Taxil durch Diana Vaughcm hatte enthüllen lassen) unterhöhlt, und es gebe dort keine geheimen Grotten sür den freimaurerischen Teufelsdienst." So erzählte Taxil in jener Versammlung und las die Briefe der Kardinäle und Hausprälaten des Papstes an Diana Vcmghan vor. Nun wahrlich, wenn Taxil ein Erfinder, ein Schwindler ist, was waren dann die römisch-jesuitischen Begünstiger und Verbreiter der Erfindungen, die sie selbst für Schwindeleien hielten? Denn auch ohne den Bischof von Charleston und den Vikar von Gibraltar wird jedermann annehmen, daß man in Rom jene Lügen nicht für Wahrheit hat nehmen können. Taxil vertraute fest auf den blinden Aberglauben in der Masse des katholischen Volkes — und in Rom that man genan dasselbe. Wer von beiden war es, der die größere Schuld auf sich lud? War es der journalistische Abenteurer ohne Namen und Stellung, oder waren es die verantwortlichen Leiter der römischen Kirche? Mit Lump und Strolch und allen erdenklichen Verwünschungen siel man über Taxil her, als er gestand, mit dem Aberglauben der Katholiken seinen Spott getrieben zu haben: welche Benennungen gebühren denn den Vielen in ganz anders verantwortlicher Stellung, die mit Freuden ihm in seinem Werke beistanden? Wenn Taxil nicht selbst das Geheimnis seiner ungeheuern Propa¬ ganda für den finsteren Aberglauben zerstört hätte — das jesuitisch-tyrannisch geleitete Rom wäre nicht dazu bereit gewesen, sondern Hütte mit Befriedigung das Gift weiter wirken lassen und zur Stärkung seiner Herrschaft ausgenutzt. Ja, man hat trotz der in Paris von Taxil selbst in der Versammlung am Ostermontage 1897 abgelegten Bekenntnisse seines Betruges, seiner zwölfjährigen Irreführung der katholischen Welt, noch immer die Stirn, an seinen Schwin¬ deleien festzuhalten. Der „Pelikan" bleibt dabei, Geld zu sammeln für ein Kloster in Schwyz zur Sühne des freimaurerischen Teufeldienstes. Ein vom Papst gebilligtes Handbuch des Bundes der Antifreimaurer, das sich auf die Werke Taxils stützt, wird weiter verbreitet. Herr Majunke hat — so lesen wir — eine Schrift in demselben Geiste veröffentlicht. Herr Majunke hat sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/602>, abgerufen am 09.01.2025.