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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Leo Taxil und der Kongreß von Trient im Zähre ^ZZS

zu können. Es wurde ein Kongreß gegen den Orden nach Trient berufen, wo
vor 350 Jahren der große Kampf gegen die Reformation gefeiert worden war,
und wo mau nun die ungenügend durchgeführte Gegenreformation durch einen
ergänzenden und überraschenden Ansturm zu vollenden hoffte. 22 Kardinäle,
23 Erzbischöfe und 116 Bischöfe feuerten durch Schreiben den Kongreß, der am
26. September 1896 zusammentrat, zu kräftigem Vorgehen gegen den Orden an.
Leo XIII. schickte seinen Segen und verlangte, es solle nun dem Orden die
Maske schonungslos vom Gesicht gerissen werden. Was der Papst in einem
Breve kundgethan hatte, das rief Fürst Karl zu Löwenstein, Generalkommissar
der dreiundvierzigsten Generalversammlung der Katholiken Deutschlands, in
einem Schreiben vom 18. September 1896 allen Katholiken Deutschlands zu.
Sie sollten Beiträge schicken oder persönlich an dem Kongresse teilnehmen, der
über die lichtscheue Sekte Licht bringen würde. Die Vertreter des Antifrei-
maurerbundes, den Taxil gegründet hatte, wurden vom Papst schon vor dem
Kongreß empfangen. Ein Aufruf des Zentralkomitees dieses Bundes rief die
Katholiken nach Trient, um den "neuen Kreuzzug des unsterblichen Leo XIII."
zu beginnen; eine Fülle glänzender Namen stand unter dem Aufruf. Bischof
Lazzaruchi, päpstlicher Vertreter in diesem Komitee, schrieb für das französisch
und italienisch herausgegebne Blatt "Der neue Kreuzzug" einen Artikel, worin
er die Werke Taxils, Margiottas und der Miß Vaughan empfahl.

Vom 26. bis 29. September tagte der Kongreß. In den Memoiren ist
von 800 Mitgliedern die Rede, in den katholischen Organen Deutschlands von
1500. 36 Bischöfe, die Vertreter von andern 50 Bischöfen waren erschienen,
unter ihnen der römische Patriarch von Konstantinopel mit goldner Krone auf
dem Haupte; 61 Zeitungen hatten ihre Berichterstatter hingesandt, Tausende
von Laien waren herbeigeströmt -- eine glänzende Versammlung. Und der
Held dieser Versammlung war -- Leo Taxil!

Der Mann hatte sein Ziel erreicht. Zwölf Jahre lang hatte er den durch
die Eneyklika des Papstes vom Jahre 1884 neu entfachten Verfolgungseifer
mit immer kühnem Erfindungen geschürt, den Aberglauben der katholischen
Eiferer mit den unsinnigsten Lügen genährt; aber der Glaube an ihn und die
nur in seiner Phantasie existirende Miß Vaughan verbreitete sich zugleich mit
dem Aberglauben, der Leichtgläubigkeit, auf die er baute. Der Papst selbst
hatte ihn im Jahre 1887 empfangen und ihn für einen sehr nützlichen Streiter
des Glaubens erklärt. Ein Domherr aus Freiburg in der Schweiz hatte ihn,
wie Taxil später erzählte, einen Heiligen genannt. Jetzt hing in Trient sein
Bildnis in der That zwischen Heiligenbildern, alles jauchzte ihm zu, und als
er auf dem Kongreß das Rednerpult bestieg, wurde er von Franzosen und
Italienern mit stürmischen Ehrungen empfangen. Er selbst wies den Beifall
zurück mit der Bemerkung, man dürfe dem bekehrten Freimaurer bis zum letzten
Augenblick des Lebens nicht trauen, und das gelte auch für ihn. Das war


Leo Taxil und der Kongreß von Trient im Zähre ^ZZS

zu können. Es wurde ein Kongreß gegen den Orden nach Trient berufen, wo
vor 350 Jahren der große Kampf gegen die Reformation gefeiert worden war,
und wo mau nun die ungenügend durchgeführte Gegenreformation durch einen
ergänzenden und überraschenden Ansturm zu vollenden hoffte. 22 Kardinäle,
23 Erzbischöfe und 116 Bischöfe feuerten durch Schreiben den Kongreß, der am
26. September 1896 zusammentrat, zu kräftigem Vorgehen gegen den Orden an.
Leo XIII. schickte seinen Segen und verlangte, es solle nun dem Orden die
Maske schonungslos vom Gesicht gerissen werden. Was der Papst in einem
Breve kundgethan hatte, das rief Fürst Karl zu Löwenstein, Generalkommissar
der dreiundvierzigsten Generalversammlung der Katholiken Deutschlands, in
einem Schreiben vom 18. September 1896 allen Katholiken Deutschlands zu.
Sie sollten Beiträge schicken oder persönlich an dem Kongresse teilnehmen, der
über die lichtscheue Sekte Licht bringen würde. Die Vertreter des Antifrei-
maurerbundes, den Taxil gegründet hatte, wurden vom Papst schon vor dem
Kongreß empfangen. Ein Aufruf des Zentralkomitees dieses Bundes rief die
Katholiken nach Trient, um den „neuen Kreuzzug des unsterblichen Leo XIII."
zu beginnen; eine Fülle glänzender Namen stand unter dem Aufruf. Bischof
Lazzaruchi, päpstlicher Vertreter in diesem Komitee, schrieb für das französisch
und italienisch herausgegebne Blatt „Der neue Kreuzzug" einen Artikel, worin
er die Werke Taxils, Margiottas und der Miß Vaughan empfahl.

Vom 26. bis 29. September tagte der Kongreß. In den Memoiren ist
von 800 Mitgliedern die Rede, in den katholischen Organen Deutschlands von
1500. 36 Bischöfe, die Vertreter von andern 50 Bischöfen waren erschienen,
unter ihnen der römische Patriarch von Konstantinopel mit goldner Krone auf
dem Haupte; 61 Zeitungen hatten ihre Berichterstatter hingesandt, Tausende
von Laien waren herbeigeströmt — eine glänzende Versammlung. Und der
Held dieser Versammlung war — Leo Taxil!

Der Mann hatte sein Ziel erreicht. Zwölf Jahre lang hatte er den durch
die Eneyklika des Papstes vom Jahre 1884 neu entfachten Verfolgungseifer
mit immer kühnem Erfindungen geschürt, den Aberglauben der katholischen
Eiferer mit den unsinnigsten Lügen genährt; aber der Glaube an ihn und die
nur in seiner Phantasie existirende Miß Vaughan verbreitete sich zugleich mit
dem Aberglauben, der Leichtgläubigkeit, auf die er baute. Der Papst selbst
hatte ihn im Jahre 1887 empfangen und ihn für einen sehr nützlichen Streiter
des Glaubens erklärt. Ein Domherr aus Freiburg in der Schweiz hatte ihn,
wie Taxil später erzählte, einen Heiligen genannt. Jetzt hing in Trient sein
Bildnis in der That zwischen Heiligenbildern, alles jauchzte ihm zu, und als
er auf dem Kongreß das Rednerpult bestieg, wurde er von Franzosen und
Italienern mit stürmischen Ehrungen empfangen. Er selbst wies den Beifall
zurück mit der Bemerkung, man dürfe dem bekehrten Freimaurer bis zum letzten
Augenblick des Lebens nicht trauen, und das gelte auch für ihn. Das war


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/599>, abgerufen am 09.01.2025.