Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.die rechte Weise zu wollen. Er durfte nicht nur siegen und Widerstrebende 4. Mit dem Durchdringen der Geldwirtschaft hat in den westeuropäischen Grenzboten I 1898 74
die rechte Weise zu wollen. Er durfte nicht nur siegen und Widerstrebende 4. Mit dem Durchdringen der Geldwirtschaft hat in den westeuropäischen Grenzboten I 1898 74
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0589" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227491"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2130" prev="#ID_2129"> die rechte Weise zu wollen. Er durfte nicht nur siegen und Widerstrebende<lb/> niederwerfen wollen, sondern er hatte die weit schwierigere Aufgabe, die Gegen¬<lb/> sätze auszugleichen, die Besiegte» zu versöhnen und emporzuheben. Nur ein<lb/> nationaler Monarch vermochte sein hohes Amt von dieser Hohe der Pflicht-<lb/> auffassnng aus zu begreifen. Von dem Großen Kurfürsten ist es bekannt, daß<lb/> oberflächliche Beurteiler ihn für abhängig von seinen Räten hielten, weil er<lb/> ihre Ansicht jederzeit anhörte; nur „passionirte Ratschläge" durfte niemand<lb/> vorbringen. Ein feinerer Beobachter weiß von ihm zu berichten, „dem Mi߬<lb/> trauen in sein eignes Urteil und der Festigkeit bei Ausführung des Beschlossenen<lb/> schreibt man sein großes Glück zu." Sehr bezeichnend ist das Verhalten des<lb/> Großen Kurfürsten bei entgegentretenden Widerspruch. Es wird berichtet, daß<lb/> er 1680 in die Sitzung seines Geheimrath getreten sei, seine Meinung über<lb/> eine Frage in bestimmter Weise sofort ausgesprochen und hinzugefügt habe, er<lb/> halte jeden für einen Verräter, der einen andern Rat zu erteilen wage. Der<lb/> Oberpräsident — ein Schwerin rühmlichen Andenkens — habe darauf sofort<lb/> erklärt, Seine Kurfürstliche Gnaden habe dnrch das eben gesagte seinen ge¬<lb/> treuen Räten keineswegs die Freiheit nehmen wollen, ihre Überzeugung aus¬<lb/> zusprechen. Darauf begründet er die entgegengesetzte Ansicht, und nach weiterer<lb/> Debatte schließt sich der Kurfürst ihm an. Demgegenüber ist das Urteil eines<lb/> Gewalthabers vom Schlage Napoleons in Bezug auf seine obersten Beamten und<lb/> Minister: ig, tiANismi g. üejg, eoiumLuvö, cjug,na ils 8s pkrinsttsut. dö cloutsr,<lb/> se <zllö est eoiuMts, Jor8<zu<z an äouts ils vont M8qu'lin al88SiMn6ut.</p><lb/> <p xml:id="ID_2131" next="#ID_2132"> 4. Mit dem Durchdringen der Geldwirtschaft hat in den westeuropäischen<lb/> Staaten das Bürgertum so an Bedeutung gewonnen, daß es überall in die<lb/> Reihe der politisch führenden Stunde getreten ist. Seine politische Macht<lb/> beruht auf seiner wirtschaftlichen Tüchtigkeit, und diese auf Handel und Industrie.<lb/> Es ist häufig genug darauf hingewiesen worden, daß die Sozialdemokratie<lb/> unsrer Zeit in engster Beziehung zur Industrie und zur Manchesterlehre steht,<lb/> sie ist in der That die Reaktion gegen die schrankenlose Ausbeutungsfreiheit<lb/> des wirtschaftlich Mächtigen. Man darf sich durch diese Thatsache nicht zu<lb/> leeren Deklamationen über die Schlechtigkeit der neuen Machthaber hinreißen<lb/> lassen; die bürgerliche Großindustrie folgt hierin der natürlichen Entwicklung<lb/> der Dinge, wie sie von Schmoller ans einem ganz andern Gebiete bezeichnet<lb/> worden ist. „In der Regel vollziehen sich — sagt er in Bezug auf das Heer¬<lb/> wesen — die großen Fortschritte in der staatlichen Arbeitsteilung nicht anders<lb/> als durch lastende Versuche und Mißbrüuche hindurch; und der regelmäßigste<lb/> Mißbrauch ist der, daß jeder neu sich loslösende, sich selbständig organisirende<lb/> Zweig politischer oder staatlicher — auch wirtschaftlicher, wie wir hinzusetzen<lb/> Thätigkeit sich zunächst ganz selbständig zu machen, ohne Rücksicht auf das<lb/> Ganze, nur nach seinen nächstliegenden technischen und praktischen Gesichts¬<lb/> punkten, nach dem Klasseninteresse seiner Träger sich auszubilden sucht. Dieser</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1898 74</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0589]
die rechte Weise zu wollen. Er durfte nicht nur siegen und Widerstrebende
niederwerfen wollen, sondern er hatte die weit schwierigere Aufgabe, die Gegen¬
sätze auszugleichen, die Besiegte» zu versöhnen und emporzuheben. Nur ein
nationaler Monarch vermochte sein hohes Amt von dieser Hohe der Pflicht-
auffassnng aus zu begreifen. Von dem Großen Kurfürsten ist es bekannt, daß
oberflächliche Beurteiler ihn für abhängig von seinen Räten hielten, weil er
ihre Ansicht jederzeit anhörte; nur „passionirte Ratschläge" durfte niemand
vorbringen. Ein feinerer Beobachter weiß von ihm zu berichten, „dem Mi߬
trauen in sein eignes Urteil und der Festigkeit bei Ausführung des Beschlossenen
schreibt man sein großes Glück zu." Sehr bezeichnend ist das Verhalten des
Großen Kurfürsten bei entgegentretenden Widerspruch. Es wird berichtet, daß
er 1680 in die Sitzung seines Geheimrath getreten sei, seine Meinung über
eine Frage in bestimmter Weise sofort ausgesprochen und hinzugefügt habe, er
halte jeden für einen Verräter, der einen andern Rat zu erteilen wage. Der
Oberpräsident — ein Schwerin rühmlichen Andenkens — habe darauf sofort
erklärt, Seine Kurfürstliche Gnaden habe dnrch das eben gesagte seinen ge¬
treuen Räten keineswegs die Freiheit nehmen wollen, ihre Überzeugung aus¬
zusprechen. Darauf begründet er die entgegengesetzte Ansicht, und nach weiterer
Debatte schließt sich der Kurfürst ihm an. Demgegenüber ist das Urteil eines
Gewalthabers vom Schlage Napoleons in Bezug auf seine obersten Beamten und
Minister: ig, tiANismi g. üejg, eoiumLuvö, cjug,na ils 8s pkrinsttsut. dö cloutsr,
se <zllö est eoiuMts, Jor8<zu<z an äouts ils vont M8qu'lin al88SiMn6ut.
4. Mit dem Durchdringen der Geldwirtschaft hat in den westeuropäischen
Staaten das Bürgertum so an Bedeutung gewonnen, daß es überall in die
Reihe der politisch führenden Stunde getreten ist. Seine politische Macht
beruht auf seiner wirtschaftlichen Tüchtigkeit, und diese auf Handel und Industrie.
Es ist häufig genug darauf hingewiesen worden, daß die Sozialdemokratie
unsrer Zeit in engster Beziehung zur Industrie und zur Manchesterlehre steht,
sie ist in der That die Reaktion gegen die schrankenlose Ausbeutungsfreiheit
des wirtschaftlich Mächtigen. Man darf sich durch diese Thatsache nicht zu
leeren Deklamationen über die Schlechtigkeit der neuen Machthaber hinreißen
lassen; die bürgerliche Großindustrie folgt hierin der natürlichen Entwicklung
der Dinge, wie sie von Schmoller ans einem ganz andern Gebiete bezeichnet
worden ist. „In der Regel vollziehen sich — sagt er in Bezug auf das Heer¬
wesen — die großen Fortschritte in der staatlichen Arbeitsteilung nicht anders
als durch lastende Versuche und Mißbrüuche hindurch; und der regelmäßigste
Mißbrauch ist der, daß jeder neu sich loslösende, sich selbständig organisirende
Zweig politischer oder staatlicher — auch wirtschaftlicher, wie wir hinzusetzen
Thätigkeit sich zunächst ganz selbständig zu machen, ohne Rücksicht auf das
Ganze, nur nach seinen nächstliegenden technischen und praktischen Gesichts¬
punkten, nach dem Klasseninteresse seiner Träger sich auszubilden sucht. Dieser
Grenzboten I 1898 74
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |