Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Das Wirtshausleben in Italien zehrt; doch waren die von mir bestellten so dürftig, daß ich vor weitern Er¬ Kompot hat man wenig, anch ist es verhältnismäßig teuer und nicht Dem Braten folgt ein süßer Nachtisch. Hier offenbart sich die volle An frischen Früchten erscheinen je nach der Jahreszeit in buntem Wechsel Das Wirtshausleben in Italien zehrt; doch waren die von mir bestellten so dürftig, daß ich vor weitern Er¬ Kompot hat man wenig, anch ist es verhältnismäßig teuer und nicht Dem Braten folgt ein süßer Nachtisch. Hier offenbart sich die volle An frischen Früchten erscheinen je nach der Jahreszeit in buntem Wechsel <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0555" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227457"/> <fw type="header" place="top"> Das Wirtshausleben in Italien</fw><lb/> <p xml:id="ID_1983" prev="#ID_1982"> zehrt; doch waren die von mir bestellten so dürftig, daß ich vor weitern Er¬<lb/> fahrungen auf diesem Gebiete nur warnen kann. Eine breite Stelle im Genu߬<lb/> leben der Italiener nehmen bekanntlich die Singvögel ein, die in ungeheuern<lb/> Mengen abgefangen und hingemordet werden, besonders wenn sie im Herbst<lb/> von unserm Norden nach dein Süden fliegen, oder wenn sie im Frühjahr<lb/> zurückkehren. Der stolz geformte hohe Monte Pellegrino bei Palermo z. B. ist<lb/> während der angegebnen Zeit nachts über von jagdlustigen Bürgern dicht<lb/> übersät, die mit ihren Büchsen ein wildes Geknalle veranstalten. Diese Grau¬<lb/> samkeit gegen die Tierwelt gehört zu den unerfreulichsten Eigenschaften des<lb/> Jtalieners, liegt aber in seiner ganzen Stellung zur Natur und in seiner ge¬<lb/> schichtlichen Entwicklung tief begründet, wie dies Viktor Hehn in seinem klassischen<lb/> Werke über Italien meisterhaft dargelegt hat. Im übrigen muß man bedauer¬<lb/> licherweise zugestehen, daß die Tierchen — ich nenne die Lerchen (loäolo, Moclolö),<lb/> Wachteln (augg'Ils) und Krammetsvögel (torcii) — ausgezeichnet schmecken und<lb/> in der That eine unvergleichliche Delikatesse sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1984"> Kompot hat man wenig, anch ist es verhältnismäßig teuer und nicht<lb/> allzu verlockend. Nur Pfirsiche erscheinen häufig auf der Speisekarte. Salat<lb/> (insalki-eg.) ist dagegen allgemein gebräuchlich, und zwar in sehr großer Ab¬<lb/> wechslung; die langblüttrige Latuga, die krause Endivie, der treffliche Brveeoli-<lb/> kohl, Spargel usw. werden bevorzugt. In der Regel bereitet man sich die<lb/> Mischung von Salz, Pfeffer, Essig und Öl selbst. Daß hierbei mit Olivenöl<lb/> in diesem Lande nicht gerade sparsam umgegangen wird, pflegt häufig das<lb/> Entsetzen frisch cmgekommner deutscher Hausfrauen zu erregen, bis auch sie<lb/> bald gewahr werden, daß viel Öl die wichtigste Voraussetzung eines guten<lb/> Salats bildet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1985"> Dem Braten folgt ein süßer Nachtisch. Hier offenbart sich die volle<lb/> Meisterschaft des italienischen Kochs: denn Mischgerichte, die ohne Hast in<lb/> liebevoller Behaglichkeit hergestellt werden können und keinen Verzicht auf<lb/> würdevolle Ruhe erheischen, sind sein eigentliches Feld, ebenso Pasteten und<lb/> Füllungen aller Art. Das cloles spielt daher bei allen Mahlzeiten eine große<lb/> Rolle. Neben den zahlreichen Torten hebe ich die üuxpa inZl68s, eine sehr<lb/> süße, schwere Speise hervor.</p><lb/> <p xml:id="ID_1986"> An frischen Früchten erscheinen je nach der Jahreszeit in buntem Wechsel<lb/> Weintrauben, rotfleischige Granaten, Birnen, Äpfel (diese schlechter als bei uns),<lb/> die reizenden süßen gelben japanischen Mispeln, grüne und getrocknete Mandeln,<lb/> frische und trockne Feigen, Maronen, Orangen, Nüsse, Erdbeeren (besonders<lb/> schön am Nemisee, der Perle des Albanerge'birges) und Kirschen. Man thut<lb/> indessen gut, die Früchte beim Straßenverkäufer oder im Laden zu erwerben;<lb/> sie sind hier um die Hälfte oder ein Drittel billiger und meist besser als in<lb/> der Trattorie, und man hat dabei die Annehmlichkeit des Aufsuchens. Die<lb/> Orange bezahlt man mit 1 Soldo (^ 4 Pfennige), in der Hauptzeit giebt es<lb/> stets zwei für 1 Soldo oder drei für zwei; in Oberitalien erhält man häufig<lb/> ebenso saure Stücke wie bei uns; je weiter man nach dem Süden vordringt,<lb/> um so süßer und aromatischer werden sie. Fußwandrer seien auf die An¬<lb/> nehmlichkeiten aufmerksam gemacht, die die reifen Limonen (Citronen) bei<lb/> kräftigem Marschieren als Durststiller bieten; man lernt erst im Süden kennen<lb/> und schätzen, was für eine herrliche Frucht die Limone ist. Das übrige Obst<lb/> wird meist pfundweise verkauft, wobei nicht verschwiegen werden darf, daß trotz<lb/> des Reichtums an Früchten das Obst oft erbärmlich schlecht ist; einer für¬<lb/> sorglichen Landeskultur bleiben hier noch wichtige Aufgaben zu erfüllen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0555]
Das Wirtshausleben in Italien
zehrt; doch waren die von mir bestellten so dürftig, daß ich vor weitern Er¬
fahrungen auf diesem Gebiete nur warnen kann. Eine breite Stelle im Genu߬
leben der Italiener nehmen bekanntlich die Singvögel ein, die in ungeheuern
Mengen abgefangen und hingemordet werden, besonders wenn sie im Herbst
von unserm Norden nach dein Süden fliegen, oder wenn sie im Frühjahr
zurückkehren. Der stolz geformte hohe Monte Pellegrino bei Palermo z. B. ist
während der angegebnen Zeit nachts über von jagdlustigen Bürgern dicht
übersät, die mit ihren Büchsen ein wildes Geknalle veranstalten. Diese Grau¬
samkeit gegen die Tierwelt gehört zu den unerfreulichsten Eigenschaften des
Jtalieners, liegt aber in seiner ganzen Stellung zur Natur und in seiner ge¬
schichtlichen Entwicklung tief begründet, wie dies Viktor Hehn in seinem klassischen
Werke über Italien meisterhaft dargelegt hat. Im übrigen muß man bedauer¬
licherweise zugestehen, daß die Tierchen — ich nenne die Lerchen (loäolo, Moclolö),
Wachteln (augg'Ils) und Krammetsvögel (torcii) — ausgezeichnet schmecken und
in der That eine unvergleichliche Delikatesse sind.
Kompot hat man wenig, anch ist es verhältnismäßig teuer und nicht
allzu verlockend. Nur Pfirsiche erscheinen häufig auf der Speisekarte. Salat
(insalki-eg.) ist dagegen allgemein gebräuchlich, und zwar in sehr großer Ab¬
wechslung; die langblüttrige Latuga, die krause Endivie, der treffliche Brveeoli-
kohl, Spargel usw. werden bevorzugt. In der Regel bereitet man sich die
Mischung von Salz, Pfeffer, Essig und Öl selbst. Daß hierbei mit Olivenöl
in diesem Lande nicht gerade sparsam umgegangen wird, pflegt häufig das
Entsetzen frisch cmgekommner deutscher Hausfrauen zu erregen, bis auch sie
bald gewahr werden, daß viel Öl die wichtigste Voraussetzung eines guten
Salats bildet.
Dem Braten folgt ein süßer Nachtisch. Hier offenbart sich die volle
Meisterschaft des italienischen Kochs: denn Mischgerichte, die ohne Hast in
liebevoller Behaglichkeit hergestellt werden können und keinen Verzicht auf
würdevolle Ruhe erheischen, sind sein eigentliches Feld, ebenso Pasteten und
Füllungen aller Art. Das cloles spielt daher bei allen Mahlzeiten eine große
Rolle. Neben den zahlreichen Torten hebe ich die üuxpa inZl68s, eine sehr
süße, schwere Speise hervor.
An frischen Früchten erscheinen je nach der Jahreszeit in buntem Wechsel
Weintrauben, rotfleischige Granaten, Birnen, Äpfel (diese schlechter als bei uns),
die reizenden süßen gelben japanischen Mispeln, grüne und getrocknete Mandeln,
frische und trockne Feigen, Maronen, Orangen, Nüsse, Erdbeeren (besonders
schön am Nemisee, der Perle des Albanerge'birges) und Kirschen. Man thut
indessen gut, die Früchte beim Straßenverkäufer oder im Laden zu erwerben;
sie sind hier um die Hälfte oder ein Drittel billiger und meist besser als in
der Trattorie, und man hat dabei die Annehmlichkeit des Aufsuchens. Die
Orange bezahlt man mit 1 Soldo (^ 4 Pfennige), in der Hauptzeit giebt es
stets zwei für 1 Soldo oder drei für zwei; in Oberitalien erhält man häufig
ebenso saure Stücke wie bei uns; je weiter man nach dem Süden vordringt,
um so süßer und aromatischer werden sie. Fußwandrer seien auf die An¬
nehmlichkeiten aufmerksam gemacht, die die reifen Limonen (Citronen) bei
kräftigem Marschieren als Durststiller bieten; man lernt erst im Süden kennen
und schätzen, was für eine herrliche Frucht die Limone ist. Das übrige Obst
wird meist pfundweise verkauft, wobei nicht verschwiegen werden darf, daß trotz
des Reichtums an Früchten das Obst oft erbärmlich schlecht ist; einer für¬
sorglichen Landeskultur bleiben hier noch wichtige Aufgaben zu erfüllen.
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