Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Madlene Der Kleine hat im Wirtshaus mit den Kameraden Rats zu pflegen, und der Im Müsershans steht der Backofen in der Küche. Ein Schuß Kuchen steht Das Küchengeräte" kann ja wohl ein Frauenzimmer in glückliche Stimmung Madlene stand eben in der Stube vor dem Tisch und stach mit einer Gabel Die Hausthür war zwar eingeklinkt; aber alle Schlösser im Haus wurden Nur nicht die vermaledeite Welt! Die Madlene darf alleweil nicht angerührt Der Frieder ists. Und der Frieder hatte die Madlene in solcher Glückswirtschaft noch nicht Madlene Der Kleine hat im Wirtshaus mit den Kameraden Rats zu pflegen, und der Im Müsershans steht der Backofen in der Küche. Ein Schuß Kuchen steht Das Küchengeräte» kann ja wohl ein Frauenzimmer in glückliche Stimmung Madlene stand eben in der Stube vor dem Tisch und stach mit einer Gabel Die Hausthür war zwar eingeklinkt; aber alle Schlösser im Haus wurden Nur nicht die vermaledeite Welt! Die Madlene darf alleweil nicht angerührt Der Frieder ists. Und der Frieder hatte die Madlene in solcher Glückswirtschaft noch nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0505" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227407"/> <fw type="header" place="top"> Madlene</fw><lb/> <p xml:id="ID_1830"> Der Kleine hat im Wirtshaus mit den Kameraden Rats zu pflegen, und der<lb/> Gruße hat sich auch dahin begeben, weil es ganz widernatürlich wäre, sich an einem<lb/> ordentlichen Kirmeshciligabend hinter dem Webstuhl aufzuhalten, und er ohnedem<lb/> der Madlene bei ihrer Bäckerei nicht im Weg sein möchte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1831"> Im Müsershans steht der Backofen in der Küche. Ein Schuß Kuchen steht<lb/> schon butterglänzend gut geraten da und erfüllt das Haus mit seinem Duft, und<lb/> der zweite Schuß steht in schönster Gärung, daß der Madlene das Herz lacht.<lb/> In glücklichster Stimmung eilt sie zwischen Backofen und Stube hin lind her, just<lb/> als hüte sie Hochzeitskuchen. Beim Maienanfrichten hatte ihr heute der Frieder<lb/> einen Stoß mit dem Ellenbogen versetzt, der böse Frieder! Ihr Antlitz hatte<lb/> darnach geblüht und geglüht wie ein Rosenstock um Johnnui. Und ehe sie den<lb/> Plan verlassen hatte, waren ihre Augen noch einmal in die des glücklichen Frieder<lb/> gefallen, daß sie beinahe darin untergegangen wären.</p><lb/> <p xml:id="ID_1832"> Das Küchengeräte» kann ja wohl ein Frauenzimmer in glückliche Stimmung<lb/> versetzen, wenn sie sonst der Schuh nicht drückt. Aber das Glück der Madlene<lb/> stand doch nicht im rechten Verhältnis zum guten Gelingen dieser wichtigen Hans¬<lb/> angelegenheit. Eine reine, gute Bnckstimmnng äußert sich anders. Da fliegt einmal<lb/> „in der Rahsche" eine Thür unsanft zu, oder es wird ein Topf zerbrochen, oder<lb/> die Katze auf die Pfote getreten, daß sie verzweiflungsvoll aufschreit: so gings<lb/> heut bei der Madlene nicht. Die freute sich heute uicht von außen hineinwttrts,<lb/> sondern von innen heraus. Und hinein wars uicht erst daheim beim Backen<lb/> gekommen, sondern beim Maienanfrichten dnrch den Rippenstoß des Frieder und<lb/> seine gefährlichen, untergaugdrohenden Augen. Und es war wahrhaftig, als griffe<lb/> das vom Frieder da hineingetragne Glück immer weiter um sich in dieser Madlene.<lb/> Das Blühen und Glühen nahm zu wie in einem Blumengarten um Johanni am<lb/> sonnigen Vormittag. Das Mieder war aufgesprungen, das Busentüchlein auf die<lb/> Seite gedrängt, die Hcmdschlinge hatte sich gelöst: kurzum, die Madlene — —<lb/> ja! sie war allein. Und wenn ein Mädchen mit seinem inwendigen Glück allein<lb/> ist, dann läßt sie es eben schalten und walten, daß sich der Himmel erbarmen<lb/> möge! — Und er erbarmte sich.</p><lb/> <p xml:id="ID_1833"> Madlene stand eben in der Stube vor dem Tisch und stach mit einer Gabel<lb/> die dort zur Gärung stehenden Kuchen; sie kehrte der offenstehenden Thür den<lb/> Rücken zu.</p><lb/> <p xml:id="ID_1834"> Die Hausthür war zwar eingeklinkt; aber alle Schlösser im Haus wurden<lb/> vom Großen so gewissenhaft geschmiert, daß jede Feder und Achse mit Aalglätte<lb/> ihren Dienst verrichtete. So war der Madlene entgangen, daß jemand die Haus¬<lb/> thür geöffnet hatte, eingetreten war und sie wieder zugedrückt hatte. An der nach<lb/> der Hausflur znrückgeschlagnen Stubenthür wurde angeklopft.</p><lb/> <p xml:id="ID_1835"> Nur nicht die vermaledeite Welt! Die Madlene darf alleweil nicht angerührt<lb/> werden, weder in Worten, noch in Gedanken! Nicht dreintavpen in dieses blanke<lb/> Glück! Bleibt draußen! Hier ist heiliger Boden alleweil! — Wer ists? —<lb/> Matthesens Bärbel? Gri'endet? Triltschenchristel? Tnrkeudres? Spitzbube? Räuber?<lb/> Mörder?</p><lb/> <p xml:id="ID_1836"> Der Frieder ists.</p><lb/> <p xml:id="ID_1837" next="#ID_1838"> Und der Frieder hatte die Madlene in solcher Glückswirtschaft noch nicht<lb/> gesehen; sie war auch noch nie so zur Entfaltung gekommen. Als sie nach dem<lb/> Anpochen erschrocken herumfuhr, da war dem Frieder, als ginge er zum ewigen<lb/> Leben ein. Diese Herrlichkeit! — Ach, du lieber Gott! — Es war eine andre<lb/> Melodie wie beim Beinbruch; aber sie ist ebenso unbeschreiblich und musikalisch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0505]
Madlene
Der Kleine hat im Wirtshaus mit den Kameraden Rats zu pflegen, und der
Gruße hat sich auch dahin begeben, weil es ganz widernatürlich wäre, sich an einem
ordentlichen Kirmeshciligabend hinter dem Webstuhl aufzuhalten, und er ohnedem
der Madlene bei ihrer Bäckerei nicht im Weg sein möchte.
Im Müsershans steht der Backofen in der Küche. Ein Schuß Kuchen steht
schon butterglänzend gut geraten da und erfüllt das Haus mit seinem Duft, und
der zweite Schuß steht in schönster Gärung, daß der Madlene das Herz lacht.
In glücklichster Stimmung eilt sie zwischen Backofen und Stube hin lind her, just
als hüte sie Hochzeitskuchen. Beim Maienanfrichten hatte ihr heute der Frieder
einen Stoß mit dem Ellenbogen versetzt, der böse Frieder! Ihr Antlitz hatte
darnach geblüht und geglüht wie ein Rosenstock um Johnnui. Und ehe sie den
Plan verlassen hatte, waren ihre Augen noch einmal in die des glücklichen Frieder
gefallen, daß sie beinahe darin untergegangen wären.
Das Küchengeräte» kann ja wohl ein Frauenzimmer in glückliche Stimmung
versetzen, wenn sie sonst der Schuh nicht drückt. Aber das Glück der Madlene
stand doch nicht im rechten Verhältnis zum guten Gelingen dieser wichtigen Hans¬
angelegenheit. Eine reine, gute Bnckstimmnng äußert sich anders. Da fliegt einmal
„in der Rahsche" eine Thür unsanft zu, oder es wird ein Topf zerbrochen, oder
die Katze auf die Pfote getreten, daß sie verzweiflungsvoll aufschreit: so gings
heut bei der Madlene nicht. Die freute sich heute uicht von außen hineinwttrts,
sondern von innen heraus. Und hinein wars uicht erst daheim beim Backen
gekommen, sondern beim Maienanfrichten dnrch den Rippenstoß des Frieder und
seine gefährlichen, untergaugdrohenden Augen. Und es war wahrhaftig, als griffe
das vom Frieder da hineingetragne Glück immer weiter um sich in dieser Madlene.
Das Blühen und Glühen nahm zu wie in einem Blumengarten um Johanni am
sonnigen Vormittag. Das Mieder war aufgesprungen, das Busentüchlein auf die
Seite gedrängt, die Hcmdschlinge hatte sich gelöst: kurzum, die Madlene — —
ja! sie war allein. Und wenn ein Mädchen mit seinem inwendigen Glück allein
ist, dann läßt sie es eben schalten und walten, daß sich der Himmel erbarmen
möge! — Und er erbarmte sich.
Madlene stand eben in der Stube vor dem Tisch und stach mit einer Gabel
die dort zur Gärung stehenden Kuchen; sie kehrte der offenstehenden Thür den
Rücken zu.
Die Hausthür war zwar eingeklinkt; aber alle Schlösser im Haus wurden
vom Großen so gewissenhaft geschmiert, daß jede Feder und Achse mit Aalglätte
ihren Dienst verrichtete. So war der Madlene entgangen, daß jemand die Haus¬
thür geöffnet hatte, eingetreten war und sie wieder zugedrückt hatte. An der nach
der Hausflur znrückgeschlagnen Stubenthür wurde angeklopft.
Nur nicht die vermaledeite Welt! Die Madlene darf alleweil nicht angerührt
werden, weder in Worten, noch in Gedanken! Nicht dreintavpen in dieses blanke
Glück! Bleibt draußen! Hier ist heiliger Boden alleweil! — Wer ists? —
Matthesens Bärbel? Gri'endet? Triltschenchristel? Tnrkeudres? Spitzbube? Räuber?
Mörder?
Der Frieder ists.
Und der Frieder hatte die Madlene in solcher Glückswirtschaft noch nicht
gesehen; sie war auch noch nie so zur Entfaltung gekommen. Als sie nach dem
Anpochen erschrocken herumfuhr, da war dem Frieder, als ginge er zum ewigen
Leben ein. Diese Herrlichkeit! — Ach, du lieber Gott! — Es war eine andre
Melodie wie beim Beinbruch; aber sie ist ebenso unbeschreiblich und musikalisch
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