Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Bellamys Gleichheit UM die Gunst der Käufer nichts befördert hat als Niedertracht, Falschheit Die Frage, ob Schutzzoll oder Freihandel, ist nur ein Kapitalistenstreit Die gesamte Kritik des "Prositsystems" wird in das Gleichnis vom In Kenloes Buch werden auch der Malthusianische Einwand und Bellamys Gleichheit UM die Gunst der Käufer nichts befördert hat als Niedertracht, Falschheit Die Frage, ob Schutzzoll oder Freihandel, ist nur ein Kapitalistenstreit Die gesamte Kritik des „Prositsystems" wird in das Gleichnis vom In Kenloes Buch werden auch der Malthusianische Einwand und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0439" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227341"/> <fw type="header" place="top"> Bellamys Gleichheit</fw><lb/> <p xml:id="ID_1554" prev="#ID_1553"> UM die Gunst der Käufer nichts befördert hat als Niedertracht, Falschheit<lb/> und Lüge, die das einzige, aber in ungeheuern Massen verbrauchte Schmieröl<lb/> gewesen sind, womit man die Wirtschastsmaschine in Gang hielt, daß das<lb/> „Profitsystem" allein Schuld darau gewesen ist, daß die wirtschaftliche Lage<lb/> der Menschheit durch die Erfindungen, die doch infolge der unendlichen Ver¬<lb/> vielfältigung der Produktionskraft nach allen Regeln des gesunden Menschen¬<lb/> verstandes jeden Mangel völlig von der Erde hätte verbannen müssen, nur<lb/> eine kleine, kaum bemerkbare, wenn überhaupt eine Verbesserung erfahren hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1555"> Die Frage, ob Schutzzoll oder Freihandel, ist nur ein Kapitalistenstreit<lb/> gewesen, denn mindestens neun Zehnteln jedes Kulturvolks konnte es ganz gleich-<lb/> giltig sein, ob sie nur für einheimische oder auch für auswärtige Kapitalisten<lb/> frohnten mußten, und für den Wert, den der Ausfuhrhandel für die Völker hatte,<lb/> findet ein weiblicher Zögling der Arlingtvnschule, namens Helene, folgende»<lb/> drastischen Vergleich: Der Kampf um die fremden Märkte war im Grunde nur<lb/> ein Wettrudern sklavenbemannter Galeeren um einen Preis, den die Besitzer<lb/> behielten; die gewinnende Galeere, die siegreiche Mannschaft hatte es wohl am<lb/> schlechtesten dabei, denn vermutlich war sie am blutigsten gepeitscht worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1556"> Die gesamte Kritik des „Prositsystems" wird in das Gleichnis vom<lb/> Wasserbecken zusammengefaßt. Die Kapitalisten werden mit Leuten verglichen,<lb/> die alle Wasserquellen des Landes an sich gebracht haben, das Wasser steht<lb/> dabei für die Gesamtheit aller Güter. Durch den Durst haben sie die ganze<lb/> Bevölkerung gezwungen, das Brunnengraben, Quellensuchen, Wasserträger nur<lb/> noch in ihrem Dienste zu thun und alles Wasser in ein großes Sammelbecken<lb/> abzuliefern, den „Markt." Für jeden Eimer Wasser, den sie abliefern, be¬<lb/> kommen sie einen Pfennig, und für jeden Eimer Wasser, den sie holen, um<lb/> ihren Durst zu löschen, müssen sie zwei Pfennige bezahlen. Die Folgen sind<lb/> unvermeidlich: das Volk, das doch alles Wasser selbst liefert, muß verdursten,<lb/> weil zu viel Wasser da ist. Das wirkliche, innere Wesen von „Überproduktion,"<lb/> „Übervölkerung," „Arbeitsnot," „Krisis" wird sehr hübsch und deutlich ge¬<lb/> zeigt, ebenso aber die völlige Haltlosigkeit dessen nachgewiesen, was die von<lb/> den „Herren des Wasserbeckens," den Kapitalisten abhängigen „falschen Pro¬<lb/> pheten" (die ganze Parabel ist im Bibelton gehalten) in deren Auftrag über<lb/> diese „Probleme" lehren. — Schließlich droht Mord und Totschlag, bis die<lb/> Umstürzler l>AÜt,g,t.c>r8) kommen und dein Volke den Rat geben: Wählt zuver¬<lb/> lässige Männer unter euch, die eure Arbeit ordnen, die aber nicht eure Herren<lb/> sind wie die Kapitalisten, sondern eure Brüder und Beamten, die euer»<lb/> Willen thun, sie sollen auch keinen Profit haben, sondern jeder gleichen An¬<lb/> teil am Wasser wie ihr andern. Das thun die Durstigen, „und der Segen<lb/> Gottes ruht auf dem Lande für immer."</p><lb/> <p xml:id="ID_1557" next="#ID_1558"> In Kenloes Buch werden auch der Malthusianische Einwand und<lb/> der Einwand des mangelnde» Ansporns abgefertigt. Die Blinde» hatten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0439]
Bellamys Gleichheit
UM die Gunst der Käufer nichts befördert hat als Niedertracht, Falschheit
und Lüge, die das einzige, aber in ungeheuern Massen verbrauchte Schmieröl
gewesen sind, womit man die Wirtschastsmaschine in Gang hielt, daß das
„Profitsystem" allein Schuld darau gewesen ist, daß die wirtschaftliche Lage
der Menschheit durch die Erfindungen, die doch infolge der unendlichen Ver¬
vielfältigung der Produktionskraft nach allen Regeln des gesunden Menschen¬
verstandes jeden Mangel völlig von der Erde hätte verbannen müssen, nur
eine kleine, kaum bemerkbare, wenn überhaupt eine Verbesserung erfahren hat.
Die Frage, ob Schutzzoll oder Freihandel, ist nur ein Kapitalistenstreit
gewesen, denn mindestens neun Zehnteln jedes Kulturvolks konnte es ganz gleich-
giltig sein, ob sie nur für einheimische oder auch für auswärtige Kapitalisten
frohnten mußten, und für den Wert, den der Ausfuhrhandel für die Völker hatte,
findet ein weiblicher Zögling der Arlingtvnschule, namens Helene, folgende»
drastischen Vergleich: Der Kampf um die fremden Märkte war im Grunde nur
ein Wettrudern sklavenbemannter Galeeren um einen Preis, den die Besitzer
behielten; die gewinnende Galeere, die siegreiche Mannschaft hatte es wohl am
schlechtesten dabei, denn vermutlich war sie am blutigsten gepeitscht worden.
Die gesamte Kritik des „Prositsystems" wird in das Gleichnis vom
Wasserbecken zusammengefaßt. Die Kapitalisten werden mit Leuten verglichen,
die alle Wasserquellen des Landes an sich gebracht haben, das Wasser steht
dabei für die Gesamtheit aller Güter. Durch den Durst haben sie die ganze
Bevölkerung gezwungen, das Brunnengraben, Quellensuchen, Wasserträger nur
noch in ihrem Dienste zu thun und alles Wasser in ein großes Sammelbecken
abzuliefern, den „Markt." Für jeden Eimer Wasser, den sie abliefern, be¬
kommen sie einen Pfennig, und für jeden Eimer Wasser, den sie holen, um
ihren Durst zu löschen, müssen sie zwei Pfennige bezahlen. Die Folgen sind
unvermeidlich: das Volk, das doch alles Wasser selbst liefert, muß verdursten,
weil zu viel Wasser da ist. Das wirkliche, innere Wesen von „Überproduktion,"
„Übervölkerung," „Arbeitsnot," „Krisis" wird sehr hübsch und deutlich ge¬
zeigt, ebenso aber die völlige Haltlosigkeit dessen nachgewiesen, was die von
den „Herren des Wasserbeckens," den Kapitalisten abhängigen „falschen Pro¬
pheten" (die ganze Parabel ist im Bibelton gehalten) in deren Auftrag über
diese „Probleme" lehren. — Schließlich droht Mord und Totschlag, bis die
Umstürzler l>AÜt,g,t.c>r8) kommen und dein Volke den Rat geben: Wählt zuver¬
lässige Männer unter euch, die eure Arbeit ordnen, die aber nicht eure Herren
sind wie die Kapitalisten, sondern eure Brüder und Beamten, die euer»
Willen thun, sie sollen auch keinen Profit haben, sondern jeder gleichen An¬
teil am Wasser wie ihr andern. Das thun die Durstigen, „und der Segen
Gottes ruht auf dem Lande für immer."
In Kenloes Buch werden auch der Malthusianische Einwand und
der Einwand des mangelnde» Ansporns abgefertigt. Die Blinde» hatten
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |