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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Marineerfahrungen aus dem Sezessionskriege ^36^ bis ^365

daß die südstaatlichen Kreuzer brasilianische Hufen zeitweise als Basis ihrer
Unternehmungen benutzt harten. Als die Florida auf Verlangen Brasiliens
später 1864. als widerrechtlich genommen, von Hampton Nvads nach Bahia
zurückgebracht werden sollte, sank sie ohne äußere Veranlassung im Hafen.
Man hatte heimlich Ventile geöffnet, um sie nicht ausliefern zu müssen.

Am 10. November 1863 kauften die Südstaaten durch Agenten ein
Depeschenfahrzeng, Victor, von der englischen Regierung, das dann unter dem
Namen Rappahannock nach Calais ging, um sich dort auszurüsten, aber
von der französischen Regierung während des Krieges am Auslaufen ver¬
hindert wurde.

Ein andrer Dampfer, die Georgia, war am Clyde zum Schein für eine
Firma in Liverpool, in Wirklichkeit aber für die Konföderirten gebaut worden.
Die Georgia verließ unter Führung des Leutnants W. L. Maury am
1. April 1863 den Hafen, sand auf der Höhe von Morlaix einen mit der
Kriegsausrüstung beladnen Dampfer vor und kreuzte dann, mit Unterbrechungen
wegen längerer Reparaturen in französischen Hufen, ein Jahr im Atlantischen
Ozean, ohne jedoch viel auszurichten. Sie wurde dann von Kapitän Bullock
an einen englischen Kaufmann verkauft, auf der Höhe von Lissabon aber von
dem Nordstaatenschiff Niagara gekapert und, ohne daß dem englischen Kauf¬
mann jemals eine Entschädigung für seine 15000 Pfund Sterling betragende
Kaufsumme gezahlt worden wäre, in Boston für die Nordstaaten eingerichtet.

Ein viertes von den Südstaaten gekauftes Schiff war der mit einer
Hilfsmaschine verfehlte Schnellsegler Sea King, der bis dahin Fahrten nach
Ostindien gemacht hatte. Am 8. Oktober 1864 lief dieses englische Schiff von
London mit der Bestimmung aus, daß sein Führer es innerhalb der nächsten
sechs Monate verkaufen dürfe. An demselben Tage verließ auch der englische
Dampfer Laurel Liverpool; beide Schiffe trafen bei den Desertas, einer Insel¬
gruppe bei Madeira, zusammen, wo die Offiziere und Mannschaften der
Konföderirten, die an Bord des Laurel waren, und eine volle Kriegsausrüstung
auf den Sea King übergingen, der von nun an unter dem Namen Shenandocch
ein südstaatlicher Kreuzer wurde. Der Shenandocch sollte besonders die
amerikanischen Walfischfünger in den japanischen und arktischen Gewässern im
Westen Amerikas vernichten, was ihm zum Vorteil Englands nur zu gut ge¬
lungen ist. Nach Wegnahme einiger nordstaatlicher Schiffe im Atlantischen
Ozean lief Shenandoah unter Führung des Kapitäns Waddel Melbourne
an und segelte dann am 18. Februar 1865 nach der Beringsstraße und
dem Eismeer, wo er 36 Fahrzeuge von Walfischfahrern zerstörte. Nachdem
Waddel am 28. Juni 1865 erfahren hatte, daß der Krieg beendet sei, segelte
er nach Liverpool, wo er das Schiff an die englische Regierung auslieferte.

Das erfolgreichste dieser den nordstaatlichen Handel zerstörenden Schiffe
war der Kreuzer Alabama, der auf Lairds Werft 1862 gebaut und im Juli 1862


Marineerfahrungen aus dem Sezessionskriege ^36^ bis ^365

daß die südstaatlichen Kreuzer brasilianische Hufen zeitweise als Basis ihrer
Unternehmungen benutzt harten. Als die Florida auf Verlangen Brasiliens
später 1864. als widerrechtlich genommen, von Hampton Nvads nach Bahia
zurückgebracht werden sollte, sank sie ohne äußere Veranlassung im Hafen.
Man hatte heimlich Ventile geöffnet, um sie nicht ausliefern zu müssen.

Am 10. November 1863 kauften die Südstaaten durch Agenten ein
Depeschenfahrzeng, Victor, von der englischen Regierung, das dann unter dem
Namen Rappahannock nach Calais ging, um sich dort auszurüsten, aber
von der französischen Regierung während des Krieges am Auslaufen ver¬
hindert wurde.

Ein andrer Dampfer, die Georgia, war am Clyde zum Schein für eine
Firma in Liverpool, in Wirklichkeit aber für die Konföderirten gebaut worden.
Die Georgia verließ unter Führung des Leutnants W. L. Maury am
1. April 1863 den Hafen, sand auf der Höhe von Morlaix einen mit der
Kriegsausrüstung beladnen Dampfer vor und kreuzte dann, mit Unterbrechungen
wegen längerer Reparaturen in französischen Hufen, ein Jahr im Atlantischen
Ozean, ohne jedoch viel auszurichten. Sie wurde dann von Kapitän Bullock
an einen englischen Kaufmann verkauft, auf der Höhe von Lissabon aber von
dem Nordstaatenschiff Niagara gekapert und, ohne daß dem englischen Kauf¬
mann jemals eine Entschädigung für seine 15000 Pfund Sterling betragende
Kaufsumme gezahlt worden wäre, in Boston für die Nordstaaten eingerichtet.

Ein viertes von den Südstaaten gekauftes Schiff war der mit einer
Hilfsmaschine verfehlte Schnellsegler Sea King, der bis dahin Fahrten nach
Ostindien gemacht hatte. Am 8. Oktober 1864 lief dieses englische Schiff von
London mit der Bestimmung aus, daß sein Führer es innerhalb der nächsten
sechs Monate verkaufen dürfe. An demselben Tage verließ auch der englische
Dampfer Laurel Liverpool; beide Schiffe trafen bei den Desertas, einer Insel¬
gruppe bei Madeira, zusammen, wo die Offiziere und Mannschaften der
Konföderirten, die an Bord des Laurel waren, und eine volle Kriegsausrüstung
auf den Sea King übergingen, der von nun an unter dem Namen Shenandocch
ein südstaatlicher Kreuzer wurde. Der Shenandocch sollte besonders die
amerikanischen Walfischfünger in den japanischen und arktischen Gewässern im
Westen Amerikas vernichten, was ihm zum Vorteil Englands nur zu gut ge¬
lungen ist. Nach Wegnahme einiger nordstaatlicher Schiffe im Atlantischen
Ozean lief Shenandoah unter Führung des Kapitäns Waddel Melbourne
an und segelte dann am 18. Februar 1865 nach der Beringsstraße und
dem Eismeer, wo er 36 Fahrzeuge von Walfischfahrern zerstörte. Nachdem
Waddel am 28. Juni 1865 erfahren hatte, daß der Krieg beendet sei, segelte
er nach Liverpool, wo er das Schiff an die englische Regierung auslieferte.

Das erfolgreichste dieser den nordstaatlichen Handel zerstörenden Schiffe
war der Kreuzer Alabama, der auf Lairds Werft 1862 gebaut und im Juli 1862


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[0411] Marineerfahrungen aus dem Sezessionskriege ^36^ bis ^365 daß die südstaatlichen Kreuzer brasilianische Hufen zeitweise als Basis ihrer Unternehmungen benutzt harten. Als die Florida auf Verlangen Brasiliens später 1864. als widerrechtlich genommen, von Hampton Nvads nach Bahia zurückgebracht werden sollte, sank sie ohne äußere Veranlassung im Hafen. Man hatte heimlich Ventile geöffnet, um sie nicht ausliefern zu müssen. Am 10. November 1863 kauften die Südstaaten durch Agenten ein Depeschenfahrzeng, Victor, von der englischen Regierung, das dann unter dem Namen Rappahannock nach Calais ging, um sich dort auszurüsten, aber von der französischen Regierung während des Krieges am Auslaufen ver¬ hindert wurde. Ein andrer Dampfer, die Georgia, war am Clyde zum Schein für eine Firma in Liverpool, in Wirklichkeit aber für die Konföderirten gebaut worden. Die Georgia verließ unter Führung des Leutnants W. L. Maury am 1. April 1863 den Hafen, sand auf der Höhe von Morlaix einen mit der Kriegsausrüstung beladnen Dampfer vor und kreuzte dann, mit Unterbrechungen wegen längerer Reparaturen in französischen Hufen, ein Jahr im Atlantischen Ozean, ohne jedoch viel auszurichten. Sie wurde dann von Kapitän Bullock an einen englischen Kaufmann verkauft, auf der Höhe von Lissabon aber von dem Nordstaatenschiff Niagara gekapert und, ohne daß dem englischen Kauf¬ mann jemals eine Entschädigung für seine 15000 Pfund Sterling betragende Kaufsumme gezahlt worden wäre, in Boston für die Nordstaaten eingerichtet. Ein viertes von den Südstaaten gekauftes Schiff war der mit einer Hilfsmaschine verfehlte Schnellsegler Sea King, der bis dahin Fahrten nach Ostindien gemacht hatte. Am 8. Oktober 1864 lief dieses englische Schiff von London mit der Bestimmung aus, daß sein Führer es innerhalb der nächsten sechs Monate verkaufen dürfe. An demselben Tage verließ auch der englische Dampfer Laurel Liverpool; beide Schiffe trafen bei den Desertas, einer Insel¬ gruppe bei Madeira, zusammen, wo die Offiziere und Mannschaften der Konföderirten, die an Bord des Laurel waren, und eine volle Kriegsausrüstung auf den Sea King übergingen, der von nun an unter dem Namen Shenandocch ein südstaatlicher Kreuzer wurde. Der Shenandocch sollte besonders die amerikanischen Walfischfünger in den japanischen und arktischen Gewässern im Westen Amerikas vernichten, was ihm zum Vorteil Englands nur zu gut ge¬ lungen ist. Nach Wegnahme einiger nordstaatlicher Schiffe im Atlantischen Ozean lief Shenandoah unter Führung des Kapitäns Waddel Melbourne an und segelte dann am 18. Februar 1865 nach der Beringsstraße und dem Eismeer, wo er 36 Fahrzeuge von Walfischfahrern zerstörte. Nachdem Waddel am 28. Juni 1865 erfahren hatte, daß der Krieg beendet sei, segelte er nach Liverpool, wo er das Schiff an die englische Regierung auslieferte. Das erfolgreichste dieser den nordstaatlichen Handel zerstörenden Schiffe war der Kreuzer Alabama, der auf Lairds Werft 1862 gebaut und im Juli 1862

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/411>, abgerufen am 09.01.2025.