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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Marineerfahrungen aus dem Sezessionskriege ^861^ bis !^865

hatte, folgte er irrtümlich einer Kriegsbrigg der Nordstaaten und wurde von
dieser gefangen. Die Besatzung dieses ersten Kapers wurde in New Jork in
Eisen gelegt. Man war im Norden um so empörter über die Kaperei, als
man sich an keinem Seehandel der Südstaaten schadlos halten konnte, und war
nicht abgeneigt, die Mannschaft der Savanncch einfach als Seeräuber zu hängen.
Die gleichzeitige Gefangennahme nordstaatlicher Offiziere bei Manassas durch
die Konföderirten und der Protest des südstaatlichen Oberhauptes Jefferson
Davis sicherten jedoch diesen und auch den später gefangnen Kapermannschaften
die Behandlung als Kriegsgefangne. Andre Südstaatenkaper waren erfolg¬
reicher und machten zahlreiche Prisen, z. B. der frühere Baltimoreklipper
Jefferson Davis, sowie die Kaper Dixie, Freely und York. Ein früherer Zoll¬
kutter, der in den Kaper Petrel umgewandelt worden war und scheinbar gänzlich
ohne seemännisches Verständnis geführt wurde, hatte dagegen die kürzeste Lauf¬
bahn. Nachdem der Petrel eben frei aus Charleston herausgeschlüpft war,
soll er in dummdreister Weise eine blockirende nordstaatliche Segelfregatte
Se. Lawrence verfolgt haben, die er für ein großes Kauffahrteischiff hielt.
Den damaligen Berichten zufolge hat dann der Führer der Petrel selbst in
größter Nähe seinen Irrtum nicht erkannt, sondern versucht, durch Kanonen¬
schüsse die Fregatte zum Beidrehen zu bringen. Diese verstand den Scherz
aber falsch, öffnete ihre Kanonenpforten, schoß mit drei Schüssen den frechen
kleinen Petrel in den Grund und fischte dann die Überlebenden auf. Die
Unternehmungen der Kaper und die einer Zahl von kleinen schnellen schönern,
der sogenannten Hntteraspirnten, waren zwar von wenig Bedeutung für den
Lauf des Krieges, doch trieben sie im Verein mit der Thätigkeit der Blockade¬
brecher die Nordstaaten dazu, sich der Häfen selbst zu bemächtigen.

Viel schädlicher als die kleinen Kaperschiffe wurden dem Handel der
Nordstaaten die größern, seegehenden Kaperschiffe der Südstaaten, die aber
als Eigentum der südstaatlichen Regierung und wegen ihrer Bewaffnung und
Führung als Kreuzer und Kriegsschiffe angesehn und demgemäß behandelt
wurden. Am 3. Juni 1861 stellte der später so bekannt gewordne Raphael
Semmes den aus einem mittelmäßigen Küstendampfer zu New Orleans her¬
gestellten, mit Geschützen der Norfolk-Werft aber schwer armirten Kreuzer
Sünder in Dienst. Am 30. Juni gelang es ihm trotz der blockirenden
Fregatte Brooklyn die offne See zu gewinnen und seine kühnen Fahrten in
sechs Monaten über den Golf von Mexiko, an die brasilianischen Küsten und
bis Gibraltar auszudehnen. Hier wurde der Kreuzer jedoch von Kriegsschiffen
der Nordstaaten festblockirt und mußte schließlich als Kauffahrteischiff in
englische Hände verkauft werden. Der Sünder hatte unter Semmes Führung
achtzehn Schiffe gekapert; er war später als Blockadebrecher unter englischer
Flagge noch einmal in Charleston und ist dann schließlich in der Nordsee
untergegangen.


Marineerfahrungen aus dem Sezessionskriege ^861^ bis !^865

hatte, folgte er irrtümlich einer Kriegsbrigg der Nordstaaten und wurde von
dieser gefangen. Die Besatzung dieses ersten Kapers wurde in New Jork in
Eisen gelegt. Man war im Norden um so empörter über die Kaperei, als
man sich an keinem Seehandel der Südstaaten schadlos halten konnte, und war
nicht abgeneigt, die Mannschaft der Savanncch einfach als Seeräuber zu hängen.
Die gleichzeitige Gefangennahme nordstaatlicher Offiziere bei Manassas durch
die Konföderirten und der Protest des südstaatlichen Oberhauptes Jefferson
Davis sicherten jedoch diesen und auch den später gefangnen Kapermannschaften
die Behandlung als Kriegsgefangne. Andre Südstaatenkaper waren erfolg¬
reicher und machten zahlreiche Prisen, z. B. der frühere Baltimoreklipper
Jefferson Davis, sowie die Kaper Dixie, Freely und York. Ein früherer Zoll¬
kutter, der in den Kaper Petrel umgewandelt worden war und scheinbar gänzlich
ohne seemännisches Verständnis geführt wurde, hatte dagegen die kürzeste Lauf¬
bahn. Nachdem der Petrel eben frei aus Charleston herausgeschlüpft war,
soll er in dummdreister Weise eine blockirende nordstaatliche Segelfregatte
Se. Lawrence verfolgt haben, die er für ein großes Kauffahrteischiff hielt.
Den damaligen Berichten zufolge hat dann der Führer der Petrel selbst in
größter Nähe seinen Irrtum nicht erkannt, sondern versucht, durch Kanonen¬
schüsse die Fregatte zum Beidrehen zu bringen. Diese verstand den Scherz
aber falsch, öffnete ihre Kanonenpforten, schoß mit drei Schüssen den frechen
kleinen Petrel in den Grund und fischte dann die Überlebenden auf. Die
Unternehmungen der Kaper und die einer Zahl von kleinen schnellen schönern,
der sogenannten Hntteraspirnten, waren zwar von wenig Bedeutung für den
Lauf des Krieges, doch trieben sie im Verein mit der Thätigkeit der Blockade¬
brecher die Nordstaaten dazu, sich der Häfen selbst zu bemächtigen.

Viel schädlicher als die kleinen Kaperschiffe wurden dem Handel der
Nordstaaten die größern, seegehenden Kaperschiffe der Südstaaten, die aber
als Eigentum der südstaatlichen Regierung und wegen ihrer Bewaffnung und
Führung als Kreuzer und Kriegsschiffe angesehn und demgemäß behandelt
wurden. Am 3. Juni 1861 stellte der später so bekannt gewordne Raphael
Semmes den aus einem mittelmäßigen Küstendampfer zu New Orleans her¬
gestellten, mit Geschützen der Norfolk-Werft aber schwer armirten Kreuzer
Sünder in Dienst. Am 30. Juni gelang es ihm trotz der blockirenden
Fregatte Brooklyn die offne See zu gewinnen und seine kühnen Fahrten in
sechs Monaten über den Golf von Mexiko, an die brasilianischen Küsten und
bis Gibraltar auszudehnen. Hier wurde der Kreuzer jedoch von Kriegsschiffen
der Nordstaaten festblockirt und mußte schließlich als Kauffahrteischiff in
englische Hände verkauft werden. Der Sünder hatte unter Semmes Führung
achtzehn Schiffe gekapert; er war später als Blockadebrecher unter englischer
Flagge noch einmal in Charleston und ist dann schließlich in der Nordsee
untergegangen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/409>, abgerufen am 09.01.2025.