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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.

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Marmeerfahrmigen aus dem Sezesstonskriege ^36^ bis ^865

Die Baumwolle der Südstaaten beschäftigte Hunderttausende von Arbeitern
in Frankreich und besonders in England. Der Baumwollpreis ging durch die
Blockade in Europa ebenso in die Höhe, wie der Preis des Kriegsmaterials,
der Maschinen, der Fabrikate der Technik und vieler Genußmittel in den Süd¬
staaten. Der Baumwollpreis ist in Liverpool gegen Ende des Krieges zwölfmal
höher als in Charleston gewesen. Kriegsmaterial und Fabrikate in die Süd¬
staaten einführen und Baumwolle und Tabak ausführen, das warf Gewinne
ab, denen zuliebe Abenteurer gern Schiff und Freiheit aufs Spiel setzten.
Die britischen Bahamainseln, vor allem Nassau, und auch die Bermudas¬
inseln eigneten sich als neutrale Häfen besonders zum Schmuggelgeschäft. An
dort bestehende Firmen und nach Havanna wurden alle für die Südstaaten
bestimmten Güter von Europa aus adressirt, wodurch sie der Wegnahme auf
offner See entzogen wurden. Charleston und Wilmington wurden die Haupt¬
hafen der Blockadebrecher auf südstaatlichcm Gebiet, und erst mit Wilmingtons
Wegnahme im Januar 1865 hörte das Blockadebrechen ganz auf.

Zunächst wurden nnr ältere, wertlose Schiffe beim Blockadebrechen gewagt,
bald aber entstanden auf Englands Werften auf Veranlassung der besonders
am Verkehr mit den Südstaaten interessirten Kaufleute Liverpools schnelle,
flachgehende, besonders für das Blockadebrechen gebaute, stählerne Raddampfer,
z. B. Bcmshee Ur. 1 und Ur. 2, Will-o'-the Wisp, Kate, Wild Dcchrell und
Wild Rover, von denen einzelne bis zu siebzehn Knoten liefen. Zwischen
Nassau und den südstaatlichen Häfen sind vom November 1861 bis zum
März 1864 in fast 400 Fahrten im ganzen 84 verschiedne Dampfer gelaufen,
von denen 37 im Laufe der Zeit weggefangen wurden, während 24 durch andre
Ursachen verloren gingen. Die Höhe der Frachten deckte bei einigen glücklichen
Fahrten den Verlust des Schiffes; sie betrug zeitweise beim Einbringen von
Kriegsmaterial für die Tonne 250 Dollar Gold, bei der Ausfuhr für eine
Tonne Tabak 350 Dollars und für den Ballen Baumwolle 250 Dollars.
(1 Tonne 1000 Kilogramm.)

Der zu einer englischen Firma in Liverpool gehörige Agent Thomas
E. Taylor hat in seinem Buch liunninK elle oloellg-as in anregender Weise
seine Erlebnisse und die Ersahrungen niedergeschrieben, die er ans 27 erfolg¬
reichen Fahrten und einer unglücklichen Fahrt durch die blockirten Gewässer
gesammelt hat.

Nachdem die Südstaaten Fort Sünder genommen hatten, war am 15. April
1861 von Präsident Lincoln die Mobilmachung von Truppen gegen die Kon-
föderirten veranlaßt worden, am 17. April hatte Jefferson Davis zur Aus¬
rüstung von Kapern gegen die Nordstaaten aufgefordert, und Lincoln hatte am
19. April darauf mit der Blockadeerklärung geantwortet. Am 2. Juni 1861
segelte als erster Kaper ein früherer Lotsenschoner Savannah aus Charleston
aus. Nachdem der Savannah eine Handelsbrigg der Nordstaaten genommen


Marmeerfahrmigen aus dem Sezesstonskriege ^36^ bis ^865

Die Baumwolle der Südstaaten beschäftigte Hunderttausende von Arbeitern
in Frankreich und besonders in England. Der Baumwollpreis ging durch die
Blockade in Europa ebenso in die Höhe, wie der Preis des Kriegsmaterials,
der Maschinen, der Fabrikate der Technik und vieler Genußmittel in den Süd¬
staaten. Der Baumwollpreis ist in Liverpool gegen Ende des Krieges zwölfmal
höher als in Charleston gewesen. Kriegsmaterial und Fabrikate in die Süd¬
staaten einführen und Baumwolle und Tabak ausführen, das warf Gewinne
ab, denen zuliebe Abenteurer gern Schiff und Freiheit aufs Spiel setzten.
Die britischen Bahamainseln, vor allem Nassau, und auch die Bermudas¬
inseln eigneten sich als neutrale Häfen besonders zum Schmuggelgeschäft. An
dort bestehende Firmen und nach Havanna wurden alle für die Südstaaten
bestimmten Güter von Europa aus adressirt, wodurch sie der Wegnahme auf
offner See entzogen wurden. Charleston und Wilmington wurden die Haupt¬
hafen der Blockadebrecher auf südstaatlichcm Gebiet, und erst mit Wilmingtons
Wegnahme im Januar 1865 hörte das Blockadebrechen ganz auf.

Zunächst wurden nnr ältere, wertlose Schiffe beim Blockadebrechen gewagt,
bald aber entstanden auf Englands Werften auf Veranlassung der besonders
am Verkehr mit den Südstaaten interessirten Kaufleute Liverpools schnelle,
flachgehende, besonders für das Blockadebrechen gebaute, stählerne Raddampfer,
z. B. Bcmshee Ur. 1 und Ur. 2, Will-o'-the Wisp, Kate, Wild Dcchrell und
Wild Rover, von denen einzelne bis zu siebzehn Knoten liefen. Zwischen
Nassau und den südstaatlichen Häfen sind vom November 1861 bis zum
März 1864 in fast 400 Fahrten im ganzen 84 verschiedne Dampfer gelaufen,
von denen 37 im Laufe der Zeit weggefangen wurden, während 24 durch andre
Ursachen verloren gingen. Die Höhe der Frachten deckte bei einigen glücklichen
Fahrten den Verlust des Schiffes; sie betrug zeitweise beim Einbringen von
Kriegsmaterial für die Tonne 250 Dollar Gold, bei der Ausfuhr für eine
Tonne Tabak 350 Dollars und für den Ballen Baumwolle 250 Dollars.
(1 Tonne 1000 Kilogramm.)

Der zu einer englischen Firma in Liverpool gehörige Agent Thomas
E. Taylor hat in seinem Buch liunninK elle oloellg-as in anregender Weise
seine Erlebnisse und die Ersahrungen niedergeschrieben, die er ans 27 erfolg¬
reichen Fahrten und einer unglücklichen Fahrt durch die blockirten Gewässer
gesammelt hat.

Nachdem die Südstaaten Fort Sünder genommen hatten, war am 15. April
1861 von Präsident Lincoln die Mobilmachung von Truppen gegen die Kon-
föderirten veranlaßt worden, am 17. April hatte Jefferson Davis zur Aus¬
rüstung von Kapern gegen die Nordstaaten aufgefordert, und Lincoln hatte am
19. April darauf mit der Blockadeerklärung geantwortet. Am 2. Juni 1861
segelte als erster Kaper ein früherer Lotsenschoner Savannah aus Charleston
aus. Nachdem der Savannah eine Handelsbrigg der Nordstaaten genommen


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[0408] Marmeerfahrmigen aus dem Sezesstonskriege ^36^ bis ^865 Die Baumwolle der Südstaaten beschäftigte Hunderttausende von Arbeitern in Frankreich und besonders in England. Der Baumwollpreis ging durch die Blockade in Europa ebenso in die Höhe, wie der Preis des Kriegsmaterials, der Maschinen, der Fabrikate der Technik und vieler Genußmittel in den Süd¬ staaten. Der Baumwollpreis ist in Liverpool gegen Ende des Krieges zwölfmal höher als in Charleston gewesen. Kriegsmaterial und Fabrikate in die Süd¬ staaten einführen und Baumwolle und Tabak ausführen, das warf Gewinne ab, denen zuliebe Abenteurer gern Schiff und Freiheit aufs Spiel setzten. Die britischen Bahamainseln, vor allem Nassau, und auch die Bermudas¬ inseln eigneten sich als neutrale Häfen besonders zum Schmuggelgeschäft. An dort bestehende Firmen und nach Havanna wurden alle für die Südstaaten bestimmten Güter von Europa aus adressirt, wodurch sie der Wegnahme auf offner See entzogen wurden. Charleston und Wilmington wurden die Haupt¬ hafen der Blockadebrecher auf südstaatlichcm Gebiet, und erst mit Wilmingtons Wegnahme im Januar 1865 hörte das Blockadebrechen ganz auf. Zunächst wurden nnr ältere, wertlose Schiffe beim Blockadebrechen gewagt, bald aber entstanden auf Englands Werften auf Veranlassung der besonders am Verkehr mit den Südstaaten interessirten Kaufleute Liverpools schnelle, flachgehende, besonders für das Blockadebrechen gebaute, stählerne Raddampfer, z. B. Bcmshee Ur. 1 und Ur. 2, Will-o'-the Wisp, Kate, Wild Dcchrell und Wild Rover, von denen einzelne bis zu siebzehn Knoten liefen. Zwischen Nassau und den südstaatlichen Häfen sind vom November 1861 bis zum März 1864 in fast 400 Fahrten im ganzen 84 verschiedne Dampfer gelaufen, von denen 37 im Laufe der Zeit weggefangen wurden, während 24 durch andre Ursachen verloren gingen. Die Höhe der Frachten deckte bei einigen glücklichen Fahrten den Verlust des Schiffes; sie betrug zeitweise beim Einbringen von Kriegsmaterial für die Tonne 250 Dollar Gold, bei der Ausfuhr für eine Tonne Tabak 350 Dollars und für den Ballen Baumwolle 250 Dollars. (1 Tonne 1000 Kilogramm.) Der zu einer englischen Firma in Liverpool gehörige Agent Thomas E. Taylor hat in seinem Buch liunninK elle oloellg-as in anregender Weise seine Erlebnisse und die Ersahrungen niedergeschrieben, die er ans 27 erfolg¬ reichen Fahrten und einer unglücklichen Fahrt durch die blockirten Gewässer gesammelt hat. Nachdem die Südstaaten Fort Sünder genommen hatten, war am 15. April 1861 von Präsident Lincoln die Mobilmachung von Truppen gegen die Kon- föderirten veranlaßt worden, am 17. April hatte Jefferson Davis zur Aus¬ rüstung von Kapern gegen die Nordstaaten aufgefordert, und Lincoln hatte am 19. April darauf mit der Blockadeerklärung geantwortet. Am 2. Juni 1861 segelte als erster Kaper ein früherer Lotsenschoner Savannah aus Charleston aus. Nachdem der Savannah eine Handelsbrigg der Nordstaaten genommen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_226901/408>, abgerufen am 09.01.2025.