Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Oels deutsche Ooifwirtshcius barbarisch, die Gaben zu vernachlässigen, die dem Menschen verliehen sind, damit Da ich hier gerade von Pflanzen gesprochen habe, die uns die köstliche Die Zeiten sind vorbei, wo sich die Dienstboten am Rhein ausbedangen, Oels deutsche Ooifwirtshcius barbarisch, die Gaben zu vernachlässigen, die dem Menschen verliehen sind, damit Da ich hier gerade von Pflanzen gesprochen habe, die uns die köstliche Die Zeiten sind vorbei, wo sich die Dienstboten am Rhein ausbedangen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0313" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227215"/> <fw type="header" place="top"> Oels deutsche Ooifwirtshcius</fw><lb/> <p xml:id="ID_1043" prev="#ID_1042"> barbarisch, die Gaben zu vernachlässigen, die dem Menschen verliehen sind, damit<lb/> er sich sein Dasein immer reicher ausgestalte? Die Kulturfortschritte liegen in<lb/> der Steigerung der Leistungen und Forderungen. Darum sind auch die kleinsten<lb/> Merkmale der Ausstattung des täglichen Lebens so lehrreich.</p><lb/> <p xml:id="ID_1044"> Da ich hier gerade von Pflanzen gesprochen habe, die uns die köstliche<lb/> Erfrischung der Salate liefern — der von Eichrvdt besungne Schueckensalat<lb/> ist spezifisch südwestdeutsch, der Ochsenmaulsalat ist wahrscheinlich auch ur¬<lb/> sprünglich nur in beschränkten fränkischen Gebieten bekannt gewesen—, so<lb/> mögen auch einige Worte über Öl und Essig erlaubt sein, ohne die es keinen<lb/> Salat giebt. Öl aus Nüssen und Bucheckern spielt heutzutage selbst in der<lb/> Dorfküche keine Rolle mehr. Das Olivenöl herrscht unbedingt vor. Die<lb/> deutsche Nase ist nun diesem welschen Produkt gar wenig gewachsen. Mit<lb/> rauhem und ranzigem Öl kann man aber aus den zartesten Pflanzen keinen<lb/> guten Salat bereiten. Und der Essig gehört heute der chemischen Industrie, die<lb/> ihn aus Holz wasserklar und scharf wie Minernlsänre herstellt; früher galt er<lb/> als ein Nebenerzeugnis der Bierbrauerei und Weinküferei. Ihn durch Zusatz<lb/> vou Würzkräutern zu verbessern, versteht mau fast nirgends in Deutschland<lb/> mehr. Französischer Essig und französische Essigkvnserven von Manie und<lb/> andern werden dagegen massenhaft nach Deutschland eingeführt. Von Pfeffer<lb/> verbraucht Deutschland nur die mildesten Sorten, und wenn auch seit vierzig<lb/> Jahren Gulasche und andre Paprikagerichte in Deutschland in die Wirtskttche<lb/> und im Süden auch in die bürgerliche Küche eingedrungen sind, so ist ihre<lb/> Würznug doch nur ein blasser Schatten von der brennenden Schärfe des<lb/> spanischen Pfeffers in Ungarn und Spanien. Auch die englische Küche würzt<lb/> schärfer und mannigfaltiger als die deutsche. Wenn diese ihre guten alten<lb/> „Türken" und „Brühen" bewahrt hätte, so könnte sie freilich mit Verachtung<lb/> auf die Batterien von Saucen in Gläsern herabsehen, die den englischen Wirts¬<lb/> tisch zieren. Aber irgend ein ärmlich verneinender Geist hat die Erfindung gemacht,<lb/> daß man jeder Bratenbrühe mehr „Konsistenz" verleihen kaun, indem mau sie<lb/> mit billiger Kartoffelstärke zu einem ekelhaften braunen Kleister verrührt. Und<lb/> damit verderben nun unsre Wirte ihre besten Braten, indem sie eine einzige<lb/> Generalsauee über jegliche Art von Fleisch gießen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1045" next="#ID_1046"> Die Zeiten sind vorbei, wo sich die Dienstboten am Rhein ausbedangen,<lb/> nicht jeden Tag Lachs essen zu müssen, und wo Wildbret in deu waldreichen<lb/> Gegenden Mitteldeutschlands billiger war als Rindfleisch. Deutschland ist<lb/> indessen noch immer ein wildreiches Land. Seinen Fischreichtum hat die<lb/> Industrie schwer geschädigt, aber die Fischzucht hat auch wieder manches Ge¬<lb/> wässer fruchtbarer gemacht, und die Hochseefischerei liefert ihre Erzeugnisse tief<lb/> ins Binnenland, wo sonst Seefisch eine unbekannte Größe war. Auf deu Tischen<lb/> der höchstgelegneu Alpengasthünser wechseln Nordseefische mit l^rutti all murs des<lb/> Mittelmeers ab. Aber die zunehmende Bevölkerung hat die Fleischpreise überall</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0313]
Oels deutsche Ooifwirtshcius
barbarisch, die Gaben zu vernachlässigen, die dem Menschen verliehen sind, damit
er sich sein Dasein immer reicher ausgestalte? Die Kulturfortschritte liegen in
der Steigerung der Leistungen und Forderungen. Darum sind auch die kleinsten
Merkmale der Ausstattung des täglichen Lebens so lehrreich.
Da ich hier gerade von Pflanzen gesprochen habe, die uns die köstliche
Erfrischung der Salate liefern — der von Eichrvdt besungne Schueckensalat
ist spezifisch südwestdeutsch, der Ochsenmaulsalat ist wahrscheinlich auch ur¬
sprünglich nur in beschränkten fränkischen Gebieten bekannt gewesen—, so
mögen auch einige Worte über Öl und Essig erlaubt sein, ohne die es keinen
Salat giebt. Öl aus Nüssen und Bucheckern spielt heutzutage selbst in der
Dorfküche keine Rolle mehr. Das Olivenöl herrscht unbedingt vor. Die
deutsche Nase ist nun diesem welschen Produkt gar wenig gewachsen. Mit
rauhem und ranzigem Öl kann man aber aus den zartesten Pflanzen keinen
guten Salat bereiten. Und der Essig gehört heute der chemischen Industrie, die
ihn aus Holz wasserklar und scharf wie Minernlsänre herstellt; früher galt er
als ein Nebenerzeugnis der Bierbrauerei und Weinküferei. Ihn durch Zusatz
vou Würzkräutern zu verbessern, versteht mau fast nirgends in Deutschland
mehr. Französischer Essig und französische Essigkvnserven von Manie und
andern werden dagegen massenhaft nach Deutschland eingeführt. Von Pfeffer
verbraucht Deutschland nur die mildesten Sorten, und wenn auch seit vierzig
Jahren Gulasche und andre Paprikagerichte in Deutschland in die Wirtskttche
und im Süden auch in die bürgerliche Küche eingedrungen sind, so ist ihre
Würznug doch nur ein blasser Schatten von der brennenden Schärfe des
spanischen Pfeffers in Ungarn und Spanien. Auch die englische Küche würzt
schärfer und mannigfaltiger als die deutsche. Wenn diese ihre guten alten
„Türken" und „Brühen" bewahrt hätte, so könnte sie freilich mit Verachtung
auf die Batterien von Saucen in Gläsern herabsehen, die den englischen Wirts¬
tisch zieren. Aber irgend ein ärmlich verneinender Geist hat die Erfindung gemacht,
daß man jeder Bratenbrühe mehr „Konsistenz" verleihen kaun, indem mau sie
mit billiger Kartoffelstärke zu einem ekelhaften braunen Kleister verrührt. Und
damit verderben nun unsre Wirte ihre besten Braten, indem sie eine einzige
Generalsauee über jegliche Art von Fleisch gießen.
Die Zeiten sind vorbei, wo sich die Dienstboten am Rhein ausbedangen,
nicht jeden Tag Lachs essen zu müssen, und wo Wildbret in deu waldreichen
Gegenden Mitteldeutschlands billiger war als Rindfleisch. Deutschland ist
indessen noch immer ein wildreiches Land. Seinen Fischreichtum hat die
Industrie schwer geschädigt, aber die Fischzucht hat auch wieder manches Ge¬
wässer fruchtbarer gemacht, und die Hochseefischerei liefert ihre Erzeugnisse tief
ins Binnenland, wo sonst Seefisch eine unbekannte Größe war. Auf deu Tischen
der höchstgelegneu Alpengasthünser wechseln Nordseefische mit l^rutti all murs des
Mittelmeers ab. Aber die zunehmende Bevölkerung hat die Fleischpreise überall
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |