Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Zur Reform des Postpaketportos Porto oft nur wenig übersteigt, erweist es sich als zu teuer. Andre Staaten Das Bedürfnis, kleine Pakete von etwa 1 Kilogramm Gewicht zu versenden, Die Städter sind hierbei übrigens wieder ein wenig begünstigt, denn sie Zur Reform des Postpaketportos Porto oft nur wenig übersteigt, erweist es sich als zu teuer. Andre Staaten Das Bedürfnis, kleine Pakete von etwa 1 Kilogramm Gewicht zu versenden, Die Städter sind hierbei übrigens wieder ein wenig begünstigt, denn sie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0263" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227165"/> <fw type="header" place="top"> Zur Reform des Postpaketportos</fw><lb/> <p xml:id="ID_853" prev="#ID_852"> Porto oft nur wenig übersteigt, erweist es sich als zu teuer. Andre Staaten<lb/> haben billigere Sätze für kleinere Gewichtsstufen eingeführt. Aber auch die<lb/> Thatsache giebt zu denken, daß in Deutschland Drucksachen oder Warenproben<lb/> bis zu 250 Gramm Gewicht 10 Pfennige, Drucksachen bis zu 500 Gramm nur<lb/> 20 Pfennige und bis 1000 Gramm nur 30 Pfennige kosten, während Pakete<lb/> von 250, 500 oder 1000 Gramm Schwere bei Entfernungen über 74,2 Kilometer<lb/> hinaus 50 Pfennige und 5 bis 15 Pfennige an Bestellgebühr kosten. Darin<lb/> liegt sicherlich ein Widerspruch und eine Härte. Ein Kilogramm ist sür die<lb/> Eisenbahn und den Briefträger nicht leichter und nicht schwerer zu befördern<lb/> und zu bestellen, wenn es das einemal in Büchern nnter Streifband und das<lb/> andremal in Büchern unter festgeklebter und umschnürter Papierhülle oder in<lb/> einer Pappschachtel voll Taschentüchern besteht. Warum soll man denn ver¬<lb/> anlaßt werden, dieses Kilo Taschentücher erst in vier Stücke „Warenproben"<lb/> zu zerlegen und so sich und der Post mehr Arbeit zu machen, um vielleicht<lb/> uur 10 Pfennige am Paketporto und 5 bis 10 Pfennige am Bestellgeld zu<lb/> sparen? Außerdem leidet man dabei immer Gewissensskrupel, ob Dinge, die<lb/> keineswegs bloß als „Proben" geschickt werden, als solche aufgegeben werden<lb/> dürfen, wie aber ziemlich allgemein üblich ist. Wirkliche „Warenproben," „die<lb/> keinen Handelswert haben" sollen, wie die Postordnung vorschreibt, dürften<lb/> vielleicht sogar die Minderheit bilden.</p><lb/> <p xml:id="ID_854"> Das Bedürfnis, kleine Pakete von etwa 1 Kilogramm Gewicht zu versenden,<lb/> ist aber sehr groß. Man denke nur daran, daß es in Deutschland über 52 Mil¬<lb/> lionen Geburtstage und über 17 Millionen katholischer Namenstage giebt<lb/> (vom Weihnachtsfest ganz abgesehen), und daß „die schenkende Tugend" von<lb/> fernen Freunden und Verwandten sich an diesen Festtagen gar gern bethätigen<lb/> möchte. Fünfzig Pfennige sind hier aber oft schon ein prohibitiver Tarif, denn<lb/> die kleinen Geschenke und Überraschungen, die die Familien- und Freundschafts¬<lb/> beziehungen aufrecht erhalten sollen, haben häusig kaum einen größern Wert<lb/> als der Portobetrag.</p><lb/> <p xml:id="ID_855" next="#ID_856"> Die Städter sind hierbei übrigens wieder ein wenig begünstigt, denn sie<lb/> können z. B. Bücher zu Geschenken kaufen und diese billiger versenden als die<lb/> Landbewohner ihre Geschenke, da ihnen ja meist kein Buchladen zur Verfügung<lb/> steht. Die Leute auf dem Lande müssen für kleine zu verschenkende Gegen¬<lb/> stände daher stets das Paketporto entrichten, also 25 oder 50 Pfennige, während<lb/> Bücher von Vt' Vs oder 1 Kilogramm Gewicht nur 10, 20 oder 30 Pfennige<lb/> Porto kosten. Aber, ob Landbewohner oder Städter, fast jeder kommt einmal<lb/> in den Fall, sich kleine leichte Pakete zuschicken zu lassen oder solche selbst<lb/> abzuschicken: ein Parlamentsmitglied, das sich von seinem Landgute oder aus<lb/> seiner fernen Heimatstadt seine vergessene Cigarrentasche oder Spitze, seine<lb/> Morgenschuhe oder seine Taschenuhr oder sein Federmesser nachsenden lassen<lb/> möchte, um sie nicht in der Hauptstadt von neuem kaufen zu müssen; oberem<lb/> gewöhnlicher Gutsbesitzer, der sich ein Pfund Pulver oder Patronenhülsen für</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0263]
Zur Reform des Postpaketportos
Porto oft nur wenig übersteigt, erweist es sich als zu teuer. Andre Staaten
haben billigere Sätze für kleinere Gewichtsstufen eingeführt. Aber auch die
Thatsache giebt zu denken, daß in Deutschland Drucksachen oder Warenproben
bis zu 250 Gramm Gewicht 10 Pfennige, Drucksachen bis zu 500 Gramm nur
20 Pfennige und bis 1000 Gramm nur 30 Pfennige kosten, während Pakete
von 250, 500 oder 1000 Gramm Schwere bei Entfernungen über 74,2 Kilometer
hinaus 50 Pfennige und 5 bis 15 Pfennige an Bestellgebühr kosten. Darin
liegt sicherlich ein Widerspruch und eine Härte. Ein Kilogramm ist sür die
Eisenbahn und den Briefträger nicht leichter und nicht schwerer zu befördern
und zu bestellen, wenn es das einemal in Büchern nnter Streifband und das
andremal in Büchern unter festgeklebter und umschnürter Papierhülle oder in
einer Pappschachtel voll Taschentüchern besteht. Warum soll man denn ver¬
anlaßt werden, dieses Kilo Taschentücher erst in vier Stücke „Warenproben"
zu zerlegen und so sich und der Post mehr Arbeit zu machen, um vielleicht
uur 10 Pfennige am Paketporto und 5 bis 10 Pfennige am Bestellgeld zu
sparen? Außerdem leidet man dabei immer Gewissensskrupel, ob Dinge, die
keineswegs bloß als „Proben" geschickt werden, als solche aufgegeben werden
dürfen, wie aber ziemlich allgemein üblich ist. Wirkliche „Warenproben," „die
keinen Handelswert haben" sollen, wie die Postordnung vorschreibt, dürften
vielleicht sogar die Minderheit bilden.
Das Bedürfnis, kleine Pakete von etwa 1 Kilogramm Gewicht zu versenden,
ist aber sehr groß. Man denke nur daran, daß es in Deutschland über 52 Mil¬
lionen Geburtstage und über 17 Millionen katholischer Namenstage giebt
(vom Weihnachtsfest ganz abgesehen), und daß „die schenkende Tugend" von
fernen Freunden und Verwandten sich an diesen Festtagen gar gern bethätigen
möchte. Fünfzig Pfennige sind hier aber oft schon ein prohibitiver Tarif, denn
die kleinen Geschenke und Überraschungen, die die Familien- und Freundschafts¬
beziehungen aufrecht erhalten sollen, haben häusig kaum einen größern Wert
als der Portobetrag.
Die Städter sind hierbei übrigens wieder ein wenig begünstigt, denn sie
können z. B. Bücher zu Geschenken kaufen und diese billiger versenden als die
Landbewohner ihre Geschenke, da ihnen ja meist kein Buchladen zur Verfügung
steht. Die Leute auf dem Lande müssen für kleine zu verschenkende Gegen¬
stände daher stets das Paketporto entrichten, also 25 oder 50 Pfennige, während
Bücher von Vt' Vs oder 1 Kilogramm Gewicht nur 10, 20 oder 30 Pfennige
Porto kosten. Aber, ob Landbewohner oder Städter, fast jeder kommt einmal
in den Fall, sich kleine leichte Pakete zuschicken zu lassen oder solche selbst
abzuschicken: ein Parlamentsmitglied, das sich von seinem Landgute oder aus
seiner fernen Heimatstadt seine vergessene Cigarrentasche oder Spitze, seine
Morgenschuhe oder seine Taschenuhr oder sein Federmesser nachsenden lassen
möchte, um sie nicht in der Hauptstadt von neuem kaufen zu müssen; oberem
gewöhnlicher Gutsbesitzer, der sich ein Pfund Pulver oder Patronenhülsen für
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