Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Erstes Vierteljahr.Wieviel Rekruten stellt die Landwirtschaft? Rekruten (512041) als entscheidend betrachtet, einfach, weil sie zwei Drittel Daß man aber, um den Anteil der ländlichen Bevölkerung an der Re¬ Als agrarische Gebiete galten zufolge seiner Mitteilung nicht erst die, in denen die Mehrzahl der Personen von der Landwirtschaft lebt, sondern schon die, in denen von 1000 in Landwirtschaft usw., Bergbau und Industrie, Handel und Verkehr Erwerbsthätigen mehr als die Hälfte in der Landwirtschaft, Gärtnerei und Tierzucht, Forstwirtschaft und Fischerei im Haupt¬ berufe thätig sind! als nicht agrarische Gebiete aber die, in denen die in Industrie und Handel Erwerbsthätigen mehr als die Hülste bilden. Es wurde also von den in häuslichen Diensten (einschließlich persönlicher Bedienung), auch Lohnarbeit wechselnder Art, im Militär-, Hof-, bürger¬ lichen und kirchlichen Dienst, sowie in den sogenannten freien Verufsnrten stehenden, sowie von den Personen ohne Beruf und ohne Berufsaugabe vollständig abgesehen. Dabei hat sich Brentano insofern geirrt, als er thatsächlich nicht die "Erwerbsthätigen," also die Personen betrachtet hat, deren hauptsächliche Thätigkeit nuf den Erwerb gerichtet ist, sondern auch ihre Angehörigen und Dienende!,, d. h. die gesamte von den betreffenden Berufen lebende Bevölkerung. **) Ergebnisse des Militärersatzgeschäfts im Jahre (Zeitschrift des königlich bai-
rischen Statistischen Bureaus, Jahrgang 1897, Heft 8). Wieviel Rekruten stellt die Landwirtschaft? Rekruten (512041) als entscheidend betrachtet, einfach, weil sie zwei Drittel Daß man aber, um den Anteil der ländlichen Bevölkerung an der Re¬ Als agrarische Gebiete galten zufolge seiner Mitteilung nicht erst die, in denen die Mehrzahl der Personen von der Landwirtschaft lebt, sondern schon die, in denen von 1000 in Landwirtschaft usw., Bergbau und Industrie, Handel und Verkehr Erwerbsthätigen mehr als die Hälfte in der Landwirtschaft, Gärtnerei und Tierzucht, Forstwirtschaft und Fischerei im Haupt¬ berufe thätig sind! als nicht agrarische Gebiete aber die, in denen die in Industrie und Handel Erwerbsthätigen mehr als die Hülste bilden. Es wurde also von den in häuslichen Diensten (einschließlich persönlicher Bedienung), auch Lohnarbeit wechselnder Art, im Militär-, Hof-, bürger¬ lichen und kirchlichen Dienst, sowie in den sogenannten freien Verufsnrten stehenden, sowie von den Personen ohne Beruf und ohne Berufsaugabe vollständig abgesehen. Dabei hat sich Brentano insofern geirrt, als er thatsächlich nicht die „Erwerbsthätigen," also die Personen betrachtet hat, deren hauptsächliche Thätigkeit nuf den Erwerb gerichtet ist, sondern auch ihre Angehörigen und Dienende!,, d. h. die gesamte von den betreffenden Berufen lebende Bevölkerung. **) Ergebnisse des Militärersatzgeschäfts im Jahre (Zeitschrift des königlich bai-
rischen Statistischen Bureaus, Jahrgang 1897, Heft 8). <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0212" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/227114"/> <fw type="header" place="top"> Wieviel Rekruten stellt die Landwirtschaft?</fw><lb/> <p xml:id="ID_660" prev="#ID_659"> Rekruten (512041) als entscheidend betrachtet, einfach, weil sie zwei Drittel<lb/> der gesamten Rekrutenzahl ausmacht, so ist es wahrlich gut, dem Rate Bren¬<lb/> tanos zu folgen und sich mit den absolute» Zahlen der ans den beiden Wirt¬<lb/> schaftsgebieten stammenden Rekruten zu beschäftigen. Wie also gewinnt er sie?<lb/> Er stellt die überwiegend agrarischen und die überwiegend industriellen Gebiete")<lb/> nebst den aus jedem von ihnen gebürtigen Rekruten in zwei Gruppen auf<lb/> und findet, daß die ersten zusammen nicht ganz ein Drittel, die letzten etwas<lb/> mehr als zwei Drittel der ganzen Nekrutenzahl aufgebracht haben. Stellt die<lb/> erste Gruppe nun den Agrnrstaat, die zweite den Industriestaat vor, so ist<lb/> dieser doch kein rein industrieller. Weil Brentano nur eine Gruppe von Ge¬<lb/> bieten, die überwiegend industriell sind, als solchen bezeichnen kann, sind die<lb/> industriellen Bewohner mit agrarischen beträchtlich durchsetzt (im „Industrie¬<lb/> staat" sind 10838852, im „Agrarstaat" mir 7 662455 Landleute vertreten!),<lb/> und dies ergiebt wieder eine gewisse Zahl agrarischer Rekruten. Er kann also<lb/> von den in seinem Industriestaat gebornen Rekruten nicht sagen, daß sie<lb/> sämtlich industriellen Ursprungs seien und ihre Zahl ein Maß abgebe für die<lb/> kriegerische Selbständigkeit dieses Industriestaats. Dazu kommt noch, daß ihm<lb/> jeder Anhalt für die Tauglichkeit der industriellen und der agrarischen Militär¬<lb/> pflichtiger fehlt. Wenn die der agrarischen größer ist — und er weiß, daß<lb/> sie größer ist —, wird die Verlegenheit nicht kleiner.</p><lb/> <p xml:id="ID_661" next="#ID_662"> Daß man aber, um den Anteil der ländlichen Bevölkerung an der Re¬<lb/> krutenstellung zu erforschen, auf die Herkunft der Rekruten zurückgreifen müsse,<lb/> sagt Brentano selbst. Es erscheint ihm nämlich die amtliche bairische Statistik^)<lb/> des Militärersatzgeschäfts im Jahre 1896/97 für seinen Zweck deshalb nicht<lb/> geeignet, weil sie die eingestellten Rekruten nach dem Beruf nachweist. Man<lb/> wäre bei ihrer Benutzung dem Einwände ausgesetzt, daß der Beruf der Eltern,<lb/> also die Herkunft der Rekruten zu erforschen sei, es könnten Bauernsöhne sein,<lb/> die zur Industrie übergegangen wären. Ist diesem Einwände aber damit be¬<lb/> gegnet, daß Brentano die Gebürtigkeit der Rekruten der Reichsstatistik ent-</p><lb/> <note xml:id="FID_18" place="foot"> Als agrarische Gebiete galten zufolge seiner Mitteilung nicht erst die, in denen die<lb/> Mehrzahl der Personen von der Landwirtschaft lebt, sondern schon die, in denen von 1000 in<lb/> Landwirtschaft usw., Bergbau und Industrie, Handel und Verkehr Erwerbsthätigen mehr als<lb/> die Hälfte in der Landwirtschaft, Gärtnerei und Tierzucht, Forstwirtschaft und Fischerei im Haupt¬<lb/> berufe thätig sind! als nicht agrarische Gebiete aber die, in denen die in Industrie und Handel<lb/> Erwerbsthätigen mehr als die Hülste bilden. Es wurde also von den in häuslichen Diensten<lb/> (einschließlich persönlicher Bedienung), auch Lohnarbeit wechselnder Art, im Militär-, Hof-, bürger¬<lb/> lichen und kirchlichen Dienst, sowie in den sogenannten freien Verufsnrten stehenden, sowie von<lb/> den Personen ohne Beruf und ohne Berufsaugabe vollständig abgesehen. Dabei hat sich<lb/> Brentano insofern geirrt, als er thatsächlich nicht die „Erwerbsthätigen," also die Personen<lb/> betrachtet hat, deren hauptsächliche Thätigkeit nuf den Erwerb gerichtet ist, sondern auch ihre<lb/> Angehörigen und Dienende!,, d. h. die gesamte von den betreffenden Berufen lebende Bevölkerung.</note><lb/> <note xml:id="FID_19" place="foot"> **) Ergebnisse des Militärersatzgeschäfts im Jahre (Zeitschrift des königlich bai-<lb/> rischen Statistischen Bureaus, Jahrgang 1897, Heft 8).</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0212]
Wieviel Rekruten stellt die Landwirtschaft?
Rekruten (512041) als entscheidend betrachtet, einfach, weil sie zwei Drittel
der gesamten Rekrutenzahl ausmacht, so ist es wahrlich gut, dem Rate Bren¬
tanos zu folgen und sich mit den absolute» Zahlen der ans den beiden Wirt¬
schaftsgebieten stammenden Rekruten zu beschäftigen. Wie also gewinnt er sie?
Er stellt die überwiegend agrarischen und die überwiegend industriellen Gebiete")
nebst den aus jedem von ihnen gebürtigen Rekruten in zwei Gruppen auf
und findet, daß die ersten zusammen nicht ganz ein Drittel, die letzten etwas
mehr als zwei Drittel der ganzen Nekrutenzahl aufgebracht haben. Stellt die
erste Gruppe nun den Agrnrstaat, die zweite den Industriestaat vor, so ist
dieser doch kein rein industrieller. Weil Brentano nur eine Gruppe von Ge¬
bieten, die überwiegend industriell sind, als solchen bezeichnen kann, sind die
industriellen Bewohner mit agrarischen beträchtlich durchsetzt (im „Industrie¬
staat" sind 10838852, im „Agrarstaat" mir 7 662455 Landleute vertreten!),
und dies ergiebt wieder eine gewisse Zahl agrarischer Rekruten. Er kann also
von den in seinem Industriestaat gebornen Rekruten nicht sagen, daß sie
sämtlich industriellen Ursprungs seien und ihre Zahl ein Maß abgebe für die
kriegerische Selbständigkeit dieses Industriestaats. Dazu kommt noch, daß ihm
jeder Anhalt für die Tauglichkeit der industriellen und der agrarischen Militär¬
pflichtiger fehlt. Wenn die der agrarischen größer ist — und er weiß, daß
sie größer ist —, wird die Verlegenheit nicht kleiner.
Daß man aber, um den Anteil der ländlichen Bevölkerung an der Re¬
krutenstellung zu erforschen, auf die Herkunft der Rekruten zurückgreifen müsse,
sagt Brentano selbst. Es erscheint ihm nämlich die amtliche bairische Statistik^)
des Militärersatzgeschäfts im Jahre 1896/97 für seinen Zweck deshalb nicht
geeignet, weil sie die eingestellten Rekruten nach dem Beruf nachweist. Man
wäre bei ihrer Benutzung dem Einwände ausgesetzt, daß der Beruf der Eltern,
also die Herkunft der Rekruten zu erforschen sei, es könnten Bauernsöhne sein,
die zur Industrie übergegangen wären. Ist diesem Einwände aber damit be¬
gegnet, daß Brentano die Gebürtigkeit der Rekruten der Reichsstatistik ent-
Als agrarische Gebiete galten zufolge seiner Mitteilung nicht erst die, in denen die
Mehrzahl der Personen von der Landwirtschaft lebt, sondern schon die, in denen von 1000 in
Landwirtschaft usw., Bergbau und Industrie, Handel und Verkehr Erwerbsthätigen mehr als
die Hälfte in der Landwirtschaft, Gärtnerei und Tierzucht, Forstwirtschaft und Fischerei im Haupt¬
berufe thätig sind! als nicht agrarische Gebiete aber die, in denen die in Industrie und Handel
Erwerbsthätigen mehr als die Hülste bilden. Es wurde also von den in häuslichen Diensten
(einschließlich persönlicher Bedienung), auch Lohnarbeit wechselnder Art, im Militär-, Hof-, bürger¬
lichen und kirchlichen Dienst, sowie in den sogenannten freien Verufsnrten stehenden, sowie von
den Personen ohne Beruf und ohne Berufsaugabe vollständig abgesehen. Dabei hat sich
Brentano insofern geirrt, als er thatsächlich nicht die „Erwerbsthätigen," also die Personen
betrachtet hat, deren hauptsächliche Thätigkeit nuf den Erwerb gerichtet ist, sondern auch ihre
Angehörigen und Dienende!,, d. h. die gesamte von den betreffenden Berufen lebende Bevölkerung.
**) Ergebnisse des Militärersatzgeschäfts im Jahre (Zeitschrift des königlich bai-
rischen Statistischen Bureaus, Jahrgang 1897, Heft 8).
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