Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.Zwei philosophische Systeme hoffen auf eine spätere vollkommne Einsicht in diese Vernünftigkeit, und eben Nun ist ja die sittliche Empfindung in den meisten Menschen weit schwächer ) Seite ggZ fügt Hartmann die Einschränkung bei: "Der Zweck heiligt nur dann das
Mittel, wenn das Mittel als Ursache nicht etwa Nebenwirkungen mit sich sührt, die sittlich un- chsig erscheinen." J>, einer Rezension des Buches von Gothein über Ignatius von Loyola ' es unter andern- als verhängnisvoll für die Moral erklärt, dich Ignatius ans eine An- ^enge entschieden hat: außer denen, die ans Befehl ihres Herrn in den Krieg zögen, begingen so che, die freiwillig um einem ungerechten Kriege teilnahmen - keine Sünde, wenn sie ihn qefordc^. I""" ^'""d hin" für gerecht hielten. Wenn die von dein Rezensenten jede? ^^^"h^'thien allgemein gewieselt wäre, dann würde vor unsrer heutigen Zeit, wo "Änliche Wesen "auf Befehl seines Herrn" in den Krieg ziehen muß, überhaupt kein ur-eg geführt worden sein. Zwei philosophische Systeme hoffen auf eine spätere vollkommne Einsicht in diese Vernünftigkeit, und eben Nun ist ja die sittliche Empfindung in den meisten Menschen weit schwächer ) Seite ggZ fügt Hartmann die Einschränkung bei: „Der Zweck heiligt nur dann das
Mittel, wenn das Mittel als Ursache nicht etwa Nebenwirkungen mit sich sührt, die sittlich un- chsig erscheinen." J>, einer Rezension des Buches von Gothein über Ignatius von Loyola ' es unter andern- als verhängnisvoll für die Moral erklärt, dich Ignatius ans eine An- ^enge entschieden hat: außer denen, die ans Befehl ihres Herrn in den Krieg zögen, begingen so che, die freiwillig um einem ungerechten Kriege teilnahmen - keine Sünde, wenn sie ihn qefordc^. I""" ^'""d hin" für gerecht hielten. Wenn die von dein Rezensenten jede? ^^^"h^'thien allgemein gewieselt wäre, dann würde vor unsrer heutigen Zeit, wo "Änliche Wesen „auf Befehl seines Herrn" in den Krieg ziehen muß, überhaupt kein ur-eg geführt worden sein. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226317"/> <fw type="header" place="top"> Zwei philosophische Systeme</fw><lb/> <p xml:id="ID_200" prev="#ID_199"> hoffen auf eine spätere vollkommne Einsicht in diese Vernünftigkeit, und eben<lb/> darin besteht eine der Hauptleistungen des Christentums, daß es neben der<lb/> Liebe, deren Wert schon vorher anerkannt worden war, den Glauben und die<lb/> Hoffnung für die höchsten Tugenden erklärt; die drei göttlichen Tugenden<lb/> nennt sie die Kirche.</p><lb/> <p xml:id="ID_201" next="#ID_202"> Nun ist ja die sittliche Empfindung in den meisten Menschen weit schwächer<lb/> als das leibliche Bedürfnis und die Leidenschaft, deshalb kommen ihnen die<lb/> großen Gemeinschaften, Kirche und Staat, zu Hilfe, indem sie die innere, natür¬<lb/> liche Bindung an die Pflicht durch äußere, künstliche Bande verstärken: die<lb/> Kirche, indem sie die Forderungen der sittlichen Natur als Gebote des Welt-<lb/> schöpfers darstellt, der selbstverständlich das Recht und die Macht hat, zu ver¬<lb/> pflichten; der Staat, indem er sie seinerseits im Namen des Gemeinwohls<lb/> erhebt; beide, indem sie ihren Geboten durch Androhung von Strafen Nach¬<lb/> druck verleihen. In den Händen dieser beiden Gewalten wird die natürliche<lb/> Herzens- und Tugeudmoral einerseits zur Pflichtemnoral, andrerseits zur Zweck¬<lb/> moral, und nicht selten gerät jene ursprüngliche Moral mit der Staats- und<lb/> Kirchenmoral in Konflikt, weil der Staats- und Kirchenzweck mitunter auch des<lb/> Unmoralischen bedarf. Nach Hartmann ist nun freilich allemal das moralisch,<lb/> was den Zwecken eines Subjekts höherer Ordnung dient, und der aus mo¬<lb/> ralischen Gründen widerstrebende Einzelne ist der Unmoralische, die Vertreter<lb/> der Zweckmoral geben dem Kreon gegen die Antigone Recht. Denn das ist<lb/> nun einmal das Verhängnis jeder Zweckmoral, nicht bloß der Hartmcmnschen,<lb/> daß sie Jcsuitenmoral sein muß. Hartmann ist ehrlich genug, das offen an¬<lb/> zuerkennen, während sich die übrigen Vertreter der Zweckinoral, die im ganzen<lb/> öffentlichen Leben herrscht, durch die feurige Bekämpfung der Jesuitenmoral*)<lb/> lächerlich machen, die sie selbst fortwährend üben. Die einfache Entfaltung einer<lb/> gesunden und feinen sittlichen Anlage ist die Moral der schönen Seelen, der<lb/> edeln Charaktere, des Franz von Assisi, der Mystiker, des Johannesevangeliums<lb/> und des Galaterbriefes; sie schwebte Luthern vor, als er den Traktat von der<lb/> Freiheit eines Christenmenschen schrieb. Die Pflichtenmoral ist die Unteroffiziers-<lb/> "oral, die Moral des Mosaismus, der katholischen Kirche, des preußischen</p><lb/> <note xml:id="FID_11" place="foot"> ) Seite ggZ fügt Hartmann die Einschränkung bei: „Der Zweck heiligt nur dann das<lb/> Mittel, wenn das Mittel als Ursache nicht etwa Nebenwirkungen mit sich sührt, die sittlich un-<lb/> chsig erscheinen." J>, einer Rezension des Buches von Gothein über Ignatius von Loyola<lb/> ' es unter andern- als verhängnisvoll für die Moral erklärt, dich Ignatius ans eine An-<lb/> ^enge entschieden hat: außer denen, die ans Befehl ihres Herrn in den Krieg zögen, begingen<lb/> so che, die freiwillig um einem ungerechten Kriege teilnahmen - keine Sünde, wenn sie ihn<lb/> qefordc^. I""" ^'""d hin" für gerecht hielten. Wenn die von dein Rezensenten<lb/> jede? ^^^"h^'thien allgemein gewieselt wäre, dann würde vor unsrer heutigen Zeit, wo<lb/> "Änliche Wesen „auf Befehl seines Herrn" in den Krieg ziehen muß, überhaupt kein<lb/> ur-eg geführt worden sein.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0085]
Zwei philosophische Systeme
hoffen auf eine spätere vollkommne Einsicht in diese Vernünftigkeit, und eben
darin besteht eine der Hauptleistungen des Christentums, daß es neben der
Liebe, deren Wert schon vorher anerkannt worden war, den Glauben und die
Hoffnung für die höchsten Tugenden erklärt; die drei göttlichen Tugenden
nennt sie die Kirche.
Nun ist ja die sittliche Empfindung in den meisten Menschen weit schwächer
als das leibliche Bedürfnis und die Leidenschaft, deshalb kommen ihnen die
großen Gemeinschaften, Kirche und Staat, zu Hilfe, indem sie die innere, natür¬
liche Bindung an die Pflicht durch äußere, künstliche Bande verstärken: die
Kirche, indem sie die Forderungen der sittlichen Natur als Gebote des Welt-
schöpfers darstellt, der selbstverständlich das Recht und die Macht hat, zu ver¬
pflichten; der Staat, indem er sie seinerseits im Namen des Gemeinwohls
erhebt; beide, indem sie ihren Geboten durch Androhung von Strafen Nach¬
druck verleihen. In den Händen dieser beiden Gewalten wird die natürliche
Herzens- und Tugeudmoral einerseits zur Pflichtemnoral, andrerseits zur Zweck¬
moral, und nicht selten gerät jene ursprüngliche Moral mit der Staats- und
Kirchenmoral in Konflikt, weil der Staats- und Kirchenzweck mitunter auch des
Unmoralischen bedarf. Nach Hartmann ist nun freilich allemal das moralisch,
was den Zwecken eines Subjekts höherer Ordnung dient, und der aus mo¬
ralischen Gründen widerstrebende Einzelne ist der Unmoralische, die Vertreter
der Zweckmoral geben dem Kreon gegen die Antigone Recht. Denn das ist
nun einmal das Verhängnis jeder Zweckmoral, nicht bloß der Hartmcmnschen,
daß sie Jcsuitenmoral sein muß. Hartmann ist ehrlich genug, das offen an¬
zuerkennen, während sich die übrigen Vertreter der Zweckinoral, die im ganzen
öffentlichen Leben herrscht, durch die feurige Bekämpfung der Jesuitenmoral*)
lächerlich machen, die sie selbst fortwährend üben. Die einfache Entfaltung einer
gesunden und feinen sittlichen Anlage ist die Moral der schönen Seelen, der
edeln Charaktere, des Franz von Assisi, der Mystiker, des Johannesevangeliums
und des Galaterbriefes; sie schwebte Luthern vor, als er den Traktat von der
Freiheit eines Christenmenschen schrieb. Die Pflichtenmoral ist die Unteroffiziers-
"oral, die Moral des Mosaismus, der katholischen Kirche, des preußischen
) Seite ggZ fügt Hartmann die Einschränkung bei: „Der Zweck heiligt nur dann das
Mittel, wenn das Mittel als Ursache nicht etwa Nebenwirkungen mit sich sührt, die sittlich un-
chsig erscheinen." J>, einer Rezension des Buches von Gothein über Ignatius von Loyola
' es unter andern- als verhängnisvoll für die Moral erklärt, dich Ignatius ans eine An-
^enge entschieden hat: außer denen, die ans Befehl ihres Herrn in den Krieg zögen, begingen
so che, die freiwillig um einem ungerechten Kriege teilnahmen - keine Sünde, wenn sie ihn
qefordc^. I""" ^'""d hin" für gerecht hielten. Wenn die von dein Rezensenten
jede? ^^^"h^'thien allgemein gewieselt wäre, dann würde vor unsrer heutigen Zeit, wo
"Änliche Wesen „auf Befehl seines Herrn" in den Krieg ziehen muß, überhaupt kein
ur-eg geführt worden sein.
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