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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Unsre südwesiafrikanische Kolonie

weißer Marmorgang befindet. Mehrfache Untersuchungen durch den damaligen
Kommissar, durch Kriegsschiffe, besonders durch den Kreuzer vierter Klasse Falke
und durch den Kapitän der Lulu Bohlen 188!) haben die Brauchbarkeit der
Landungsstelle erwiesen. Man entschied sich für die Landungsstelle Swakopmund
erst, als bis zum Jahre 1893 die Schwierigkeiten, die der Magistrat der Wal¬
fischbai bereitete, sich häuften, den Verstärkungsmannschaften der Schutztruppe
das Landen nicht gestattet wurde und im Mai 1893 zwei durch den Kreuzer
Arcona in der Walfischbai für die Schutztruppe gekantete Geschütze von der
Kapbehörde in der Walfischbai zurückbehalten wurden. Aufs bereitwilligste
erteilte darauf Herr Adolph Woermann dem mit Mannschaften für Südwest-
afrika Ende Mai abgehenden Dampfer Lulu Bohlen unter Kapitän Meinertz
den Auftrag, Personen und Güter bei Swakopmund zu landen. Einen Monat
später sah mau die Lulu Bohlen auf der Rhede von Swakopmund etwa
5 bis 600 Meter vom Ufer entfernt vor Anker gehen und das Löschen zufrieden¬
stellend vollziehen. Seitdem haben wiederholt Schiffe Güter gelandet, aber
zeitweise war es schwierig und bisweilen auch gar nicht möglich. Das Landen
und Bergen der Güter erfolgte anfänglich durch Krulcute, durch eine Matrosen-
bootsbemcmuung und durch die Stationsbesatzung und verursachte monatlich
etwa tausend Mark Kosten, was eine wesentliche Ersparnis gegen die Landungs¬
kosten in der Walfischbai ausmachte. Seit Anfang 1894 ist aber der Landungs¬
agent der Walfischbai auch mit dem Landen und Bergen der Ncgieruugs-
güter in Swakopmund beauftragt und erhält für die Tonne elf Mark, also
drei Mark mehr als in der Walfischbai.

Je mehr auf deutscher Seite Anstrengungen gemacht werden, sich von der
Walfischbai unabhängig zu machen, desto mehr geschieht auf Seite der Kap¬
regierung, dem entgegenzuarbeiten. So wird neuerdings die Anlegung eines
Schienenweges von der Bai nach dem Innern geplant. Aber alle Arbeiten
zur Hebung der Walfischbai sind umsonst, wenn es Deutschland gelingt, bei
Swakopmund einen leidlichen Hafen und einen Schienenweg von dort nach dem
Innern anzulegen. Dann wird die Walfischbai zu einem wertlosen Fleckchen
Erde herabsinken, und damit ein Hauptherd der für die Entwicklung dieses
Schutzgebietes ungünstigen Strömungen verschwinden.

Bei den vielen in Deutsch-Südwestafrika auszuführenden Arbeiten, bei der
Notwendigkeit, sie schnell und möglichst billig herzustellen, und bei dem geringen
materiellen Nutzen, den das Schutzgebiet nach der Verheerung durch die Rinder-
Pest auf lange Jahre hinaus für Deutschland haben wird, erscheint der kürzlich
von Dr. jur. Felix Fr. Brück, Professor der Rechte an der Universität Breslau,
veröffentlichte Entwurf eines Gesetzes betreffend die Deportation deutscher
Sträflinge nach Deutsch-Südwestafrika beachtenswert. Gegen die Deportation
überhaupt als solche haben sich bisher wenig Stimmen erhoben. Die Depor¬
tationsstrafe wirkt abstoßend und bessernd, befreit Staat und Gesellschaft von


Unsre südwesiafrikanische Kolonie

weißer Marmorgang befindet. Mehrfache Untersuchungen durch den damaligen
Kommissar, durch Kriegsschiffe, besonders durch den Kreuzer vierter Klasse Falke
und durch den Kapitän der Lulu Bohlen 188!) haben die Brauchbarkeit der
Landungsstelle erwiesen. Man entschied sich für die Landungsstelle Swakopmund
erst, als bis zum Jahre 1893 die Schwierigkeiten, die der Magistrat der Wal¬
fischbai bereitete, sich häuften, den Verstärkungsmannschaften der Schutztruppe
das Landen nicht gestattet wurde und im Mai 1893 zwei durch den Kreuzer
Arcona in der Walfischbai für die Schutztruppe gekantete Geschütze von der
Kapbehörde in der Walfischbai zurückbehalten wurden. Aufs bereitwilligste
erteilte darauf Herr Adolph Woermann dem mit Mannschaften für Südwest-
afrika Ende Mai abgehenden Dampfer Lulu Bohlen unter Kapitän Meinertz
den Auftrag, Personen und Güter bei Swakopmund zu landen. Einen Monat
später sah mau die Lulu Bohlen auf der Rhede von Swakopmund etwa
5 bis 600 Meter vom Ufer entfernt vor Anker gehen und das Löschen zufrieden¬
stellend vollziehen. Seitdem haben wiederholt Schiffe Güter gelandet, aber
zeitweise war es schwierig und bisweilen auch gar nicht möglich. Das Landen
und Bergen der Güter erfolgte anfänglich durch Krulcute, durch eine Matrosen-
bootsbemcmuung und durch die Stationsbesatzung und verursachte monatlich
etwa tausend Mark Kosten, was eine wesentliche Ersparnis gegen die Landungs¬
kosten in der Walfischbai ausmachte. Seit Anfang 1894 ist aber der Landungs¬
agent der Walfischbai auch mit dem Landen und Bergen der Ncgieruugs-
güter in Swakopmund beauftragt und erhält für die Tonne elf Mark, also
drei Mark mehr als in der Walfischbai.

Je mehr auf deutscher Seite Anstrengungen gemacht werden, sich von der
Walfischbai unabhängig zu machen, desto mehr geschieht auf Seite der Kap¬
regierung, dem entgegenzuarbeiten. So wird neuerdings die Anlegung eines
Schienenweges von der Bai nach dem Innern geplant. Aber alle Arbeiten
zur Hebung der Walfischbai sind umsonst, wenn es Deutschland gelingt, bei
Swakopmund einen leidlichen Hafen und einen Schienenweg von dort nach dem
Innern anzulegen. Dann wird die Walfischbai zu einem wertlosen Fleckchen
Erde herabsinken, und damit ein Hauptherd der für die Entwicklung dieses
Schutzgebietes ungünstigen Strömungen verschwinden.

Bei den vielen in Deutsch-Südwestafrika auszuführenden Arbeiten, bei der
Notwendigkeit, sie schnell und möglichst billig herzustellen, und bei dem geringen
materiellen Nutzen, den das Schutzgebiet nach der Verheerung durch die Rinder-
Pest auf lange Jahre hinaus für Deutschland haben wird, erscheint der kürzlich
von Dr. jur. Felix Fr. Brück, Professor der Rechte an der Universität Breslau,
veröffentlichte Entwurf eines Gesetzes betreffend die Deportation deutscher
Sträflinge nach Deutsch-Südwestafrika beachtenswert. Gegen die Deportation
überhaupt als solche haben sich bisher wenig Stimmen erhoben. Die Depor¬
tationsstrafe wirkt abstoßend und bessernd, befreit Staat und Gesellschaft von


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[0077] Unsre südwesiafrikanische Kolonie weißer Marmorgang befindet. Mehrfache Untersuchungen durch den damaligen Kommissar, durch Kriegsschiffe, besonders durch den Kreuzer vierter Klasse Falke und durch den Kapitän der Lulu Bohlen 188!) haben die Brauchbarkeit der Landungsstelle erwiesen. Man entschied sich für die Landungsstelle Swakopmund erst, als bis zum Jahre 1893 die Schwierigkeiten, die der Magistrat der Wal¬ fischbai bereitete, sich häuften, den Verstärkungsmannschaften der Schutztruppe das Landen nicht gestattet wurde und im Mai 1893 zwei durch den Kreuzer Arcona in der Walfischbai für die Schutztruppe gekantete Geschütze von der Kapbehörde in der Walfischbai zurückbehalten wurden. Aufs bereitwilligste erteilte darauf Herr Adolph Woermann dem mit Mannschaften für Südwest- afrika Ende Mai abgehenden Dampfer Lulu Bohlen unter Kapitän Meinertz den Auftrag, Personen und Güter bei Swakopmund zu landen. Einen Monat später sah mau die Lulu Bohlen auf der Rhede von Swakopmund etwa 5 bis 600 Meter vom Ufer entfernt vor Anker gehen und das Löschen zufrieden¬ stellend vollziehen. Seitdem haben wiederholt Schiffe Güter gelandet, aber zeitweise war es schwierig und bisweilen auch gar nicht möglich. Das Landen und Bergen der Güter erfolgte anfänglich durch Krulcute, durch eine Matrosen- bootsbemcmuung und durch die Stationsbesatzung und verursachte monatlich etwa tausend Mark Kosten, was eine wesentliche Ersparnis gegen die Landungs¬ kosten in der Walfischbai ausmachte. Seit Anfang 1894 ist aber der Landungs¬ agent der Walfischbai auch mit dem Landen und Bergen der Ncgieruugs- güter in Swakopmund beauftragt und erhält für die Tonne elf Mark, also drei Mark mehr als in der Walfischbai. Je mehr auf deutscher Seite Anstrengungen gemacht werden, sich von der Walfischbai unabhängig zu machen, desto mehr geschieht auf Seite der Kap¬ regierung, dem entgegenzuarbeiten. So wird neuerdings die Anlegung eines Schienenweges von der Bai nach dem Innern geplant. Aber alle Arbeiten zur Hebung der Walfischbai sind umsonst, wenn es Deutschland gelingt, bei Swakopmund einen leidlichen Hafen und einen Schienenweg von dort nach dem Innern anzulegen. Dann wird die Walfischbai zu einem wertlosen Fleckchen Erde herabsinken, und damit ein Hauptherd der für die Entwicklung dieses Schutzgebietes ungünstigen Strömungen verschwinden. Bei den vielen in Deutsch-Südwestafrika auszuführenden Arbeiten, bei der Notwendigkeit, sie schnell und möglichst billig herzustellen, und bei dem geringen materiellen Nutzen, den das Schutzgebiet nach der Verheerung durch die Rinder- Pest auf lange Jahre hinaus für Deutschland haben wird, erscheint der kürzlich von Dr. jur. Felix Fr. Brück, Professor der Rechte an der Universität Breslau, veröffentlichte Entwurf eines Gesetzes betreffend die Deportation deutscher Sträflinge nach Deutsch-Südwestafrika beachtenswert. Gegen die Deportation überhaupt als solche haben sich bisher wenig Stimmen erhoben. Die Depor¬ tationsstrafe wirkt abstoßend und bessernd, befreit Staat und Gesellschaft von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/77>, abgerufen am 23.07.2024.