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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Unsre südwestafrikanische Kolonie

Marsch von Swakopmund nach Windhoek sechs Wagen nötig haben. Es ist
sicher, daß eine Truppe, die jetzt nach Südwestafrika geschickt werden würde,
noch länger an der Küste würde verweilen müssen, als der größere Teil der
auf Grund eines ähnlichen Gerüchts im vorigen Jahre nachgesandte" Ver¬
stärkung von 400 Mann. Die Verstärkung der Stationen des Innern würde
nur dazu dienen, die Kopfzahl der Mitesser an den Proviantrestbeständen zu
vermehren und die Dauer der Unterhaltung der Stationsbesatznng bedeutend
abkürzen. Zu beschützen giebt es überdies nach der Verheerung durch die
Rinderpest weniger denn je, und auch eine größere Stationsbesatzung kann nicht
verhindern, daß die Eingebornen Mord, Raub und Diebstähle ausführen, wie
es in den letzten Jahren wiederholt vorgekommen ist. Größere Strafexkursionen
können wegen unzulänglicher Transportmittel nicht unternommen werden, und
am allerwenigsten kann man jetzt daran denken, das zu erreichen, was zu
Beginn des Kriegs im April 1893 als Endziel betrachtet wurde, die Ent¬
waffnung. Bei Abschluß des Kriegs mit Witbooi und dem spätern mit den
Ovambandieru unterblieb diese Forderung wohl nur, weil es sonst nie zum
Friedensschlüsse gekommen wäre. Der Eingeborne Südwestafrikas ist viel zu
mißtrauisch und hat zu viele Möglichkeiten, sich dem Zwange zu entziehen,
als daß er seine Waffe, die sein Beschützer und sein Ernährer ist, freiwillig
hergäbe.

Wichtiger als die Vermehrung der Truppe und als eine Entwaffnung ist
zur Zeit die schnelle Herstellung eines Schienenweges ins Innere, womöglich
bis Windhoek, und die Herstellung einer geeigneten Landungsstelle bei Swakop-
mund. Man sollte hierzu alle Kräfte heranziehen, die durch die Verhältnisse
gezwungen sind, das Innere zu verlassen. Es ist sehr erfreulich, daß die
Regierung in diesem Sinne schon vorgegangen ist und zur Abwehr einer
ernstern Notlage die Herstellung eines Schienenweges von Swakopmund ins
Innere angeordnet und ein Kommando von 2 Offizieren und 45 Unteroffizieren
der Eisenbahnbrigade hiermit beauftragt hat. Hoffentlich wird gleichzeitig
die Verbesserung der Landungsverhältnisse von Swakopmund durch Anlegung
einer Mole energisch in die Hand genommen. Sonst würde es bei der mit
Ausnahme der Monate Juni, Juli und August fast immer starken Brandung
kaum möglich sein, die zum Bau einer Feldbahn nötigen Materialien so schnell
zu landen, wie es im Interesse der Beschleunigung des Bahnbaus erwünscht
ist. Alle für die Eisenbahn nötigen schweren Gegenstände dürften bei den
jetzigen Verhältnissen überhaupt nicht gelandet werden können. Aus diesem
Grunde ist schon Anfang der neunziger Jahre wiederholt die Wichtigkeit der
Herstellung einer Mole bei Swakopmund betont und auf deu günstigen Umstand
hingewiesen worden, daß sich 1200 Meter von der geeignetsten Landungsstelle
entfernt ein etwa 30 Meter breiter von Süden nach Norden streichender, leicht
abzubauender Basalt- und 1600 Meter entfernt ein etwa 60 Meter breiter


Unsre südwestafrikanische Kolonie

Marsch von Swakopmund nach Windhoek sechs Wagen nötig haben. Es ist
sicher, daß eine Truppe, die jetzt nach Südwestafrika geschickt werden würde,
noch länger an der Küste würde verweilen müssen, als der größere Teil der
auf Grund eines ähnlichen Gerüchts im vorigen Jahre nachgesandte» Ver¬
stärkung von 400 Mann. Die Verstärkung der Stationen des Innern würde
nur dazu dienen, die Kopfzahl der Mitesser an den Proviantrestbeständen zu
vermehren und die Dauer der Unterhaltung der Stationsbesatznng bedeutend
abkürzen. Zu beschützen giebt es überdies nach der Verheerung durch die
Rinderpest weniger denn je, und auch eine größere Stationsbesatzung kann nicht
verhindern, daß die Eingebornen Mord, Raub und Diebstähle ausführen, wie
es in den letzten Jahren wiederholt vorgekommen ist. Größere Strafexkursionen
können wegen unzulänglicher Transportmittel nicht unternommen werden, und
am allerwenigsten kann man jetzt daran denken, das zu erreichen, was zu
Beginn des Kriegs im April 1893 als Endziel betrachtet wurde, die Ent¬
waffnung. Bei Abschluß des Kriegs mit Witbooi und dem spätern mit den
Ovambandieru unterblieb diese Forderung wohl nur, weil es sonst nie zum
Friedensschlüsse gekommen wäre. Der Eingeborne Südwestafrikas ist viel zu
mißtrauisch und hat zu viele Möglichkeiten, sich dem Zwange zu entziehen,
als daß er seine Waffe, die sein Beschützer und sein Ernährer ist, freiwillig
hergäbe.

Wichtiger als die Vermehrung der Truppe und als eine Entwaffnung ist
zur Zeit die schnelle Herstellung eines Schienenweges ins Innere, womöglich
bis Windhoek, und die Herstellung einer geeigneten Landungsstelle bei Swakop-
mund. Man sollte hierzu alle Kräfte heranziehen, die durch die Verhältnisse
gezwungen sind, das Innere zu verlassen. Es ist sehr erfreulich, daß die
Regierung in diesem Sinne schon vorgegangen ist und zur Abwehr einer
ernstern Notlage die Herstellung eines Schienenweges von Swakopmund ins
Innere angeordnet und ein Kommando von 2 Offizieren und 45 Unteroffizieren
der Eisenbahnbrigade hiermit beauftragt hat. Hoffentlich wird gleichzeitig
die Verbesserung der Landungsverhältnisse von Swakopmund durch Anlegung
einer Mole energisch in die Hand genommen. Sonst würde es bei der mit
Ausnahme der Monate Juni, Juli und August fast immer starken Brandung
kaum möglich sein, die zum Bau einer Feldbahn nötigen Materialien so schnell
zu landen, wie es im Interesse der Beschleunigung des Bahnbaus erwünscht
ist. Alle für die Eisenbahn nötigen schweren Gegenstände dürften bei den
jetzigen Verhältnissen überhaupt nicht gelandet werden können. Aus diesem
Grunde ist schon Anfang der neunziger Jahre wiederholt die Wichtigkeit der
Herstellung einer Mole bei Swakopmund betont und auf deu günstigen Umstand
hingewiesen worden, daß sich 1200 Meter von der geeignetsten Landungsstelle
entfernt ein etwa 30 Meter breiter von Süden nach Norden streichender, leicht
abzubauender Basalt- und 1600 Meter entfernt ein etwa 60 Meter breiter


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[0076] Unsre südwestafrikanische Kolonie Marsch von Swakopmund nach Windhoek sechs Wagen nötig haben. Es ist sicher, daß eine Truppe, die jetzt nach Südwestafrika geschickt werden würde, noch länger an der Küste würde verweilen müssen, als der größere Teil der auf Grund eines ähnlichen Gerüchts im vorigen Jahre nachgesandte» Ver¬ stärkung von 400 Mann. Die Verstärkung der Stationen des Innern würde nur dazu dienen, die Kopfzahl der Mitesser an den Proviantrestbeständen zu vermehren und die Dauer der Unterhaltung der Stationsbesatznng bedeutend abkürzen. Zu beschützen giebt es überdies nach der Verheerung durch die Rinderpest weniger denn je, und auch eine größere Stationsbesatzung kann nicht verhindern, daß die Eingebornen Mord, Raub und Diebstähle ausführen, wie es in den letzten Jahren wiederholt vorgekommen ist. Größere Strafexkursionen können wegen unzulänglicher Transportmittel nicht unternommen werden, und am allerwenigsten kann man jetzt daran denken, das zu erreichen, was zu Beginn des Kriegs im April 1893 als Endziel betrachtet wurde, die Ent¬ waffnung. Bei Abschluß des Kriegs mit Witbooi und dem spätern mit den Ovambandieru unterblieb diese Forderung wohl nur, weil es sonst nie zum Friedensschlüsse gekommen wäre. Der Eingeborne Südwestafrikas ist viel zu mißtrauisch und hat zu viele Möglichkeiten, sich dem Zwange zu entziehen, als daß er seine Waffe, die sein Beschützer und sein Ernährer ist, freiwillig hergäbe. Wichtiger als die Vermehrung der Truppe und als eine Entwaffnung ist zur Zeit die schnelle Herstellung eines Schienenweges ins Innere, womöglich bis Windhoek, und die Herstellung einer geeigneten Landungsstelle bei Swakop- mund. Man sollte hierzu alle Kräfte heranziehen, die durch die Verhältnisse gezwungen sind, das Innere zu verlassen. Es ist sehr erfreulich, daß die Regierung in diesem Sinne schon vorgegangen ist und zur Abwehr einer ernstern Notlage die Herstellung eines Schienenweges von Swakopmund ins Innere angeordnet und ein Kommando von 2 Offizieren und 45 Unteroffizieren der Eisenbahnbrigade hiermit beauftragt hat. Hoffentlich wird gleichzeitig die Verbesserung der Landungsverhältnisse von Swakopmund durch Anlegung einer Mole energisch in die Hand genommen. Sonst würde es bei der mit Ausnahme der Monate Juni, Juli und August fast immer starken Brandung kaum möglich sein, die zum Bau einer Feldbahn nötigen Materialien so schnell zu landen, wie es im Interesse der Beschleunigung des Bahnbaus erwünscht ist. Alle für die Eisenbahn nötigen schweren Gegenstände dürften bei den jetzigen Verhältnissen überhaupt nicht gelandet werden können. Aus diesem Grunde ist schon Anfang der neunziger Jahre wiederholt die Wichtigkeit der Herstellung einer Mole bei Swakopmund betont und auf deu günstigen Umstand hingewiesen worden, daß sich 1200 Meter von der geeignetsten Landungsstelle entfernt ein etwa 30 Meter breiter von Süden nach Norden streichender, leicht abzubauender Basalt- und 1600 Meter entfernt ein etwa 60 Meter breiter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/76>, abgerufen am 23.07.2024.