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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Die landwirtschaftlichen Betriebe im deutschen Reiche

betrieb. Hier macht er 65,23 Prozent aus, bei den Kleinbauern steigt er
schon auf 81,23 Prozent, bei den Mittelbauern ans 96,55 und bei den Gro߬
bauern auf 91,93 Prozent, und bei den Großbetrieben sinkt er wieder auf
80,47 Prozent. Das sind im ganzen Reiche für den Vcmernstand durchaus gesunde
Verhältnisse, und auch bei deu Großbetrieben kann man nicht von einem be¬
denklichen "Absentismus" reden, zumal da hier die verpachteten Staatslündereicn
mit einer bedeutenden Fläche Pachtland mitgerechnet sind. Einen sehr geringen
Anteil an der Gesamtfläche haben die außerdem noch bei der Zahlung berück¬
sichtigten Besitzformen: Halbscheidland, Dcputatland. Dieustland und Anteil an
Gemeindeland; er wird ans 0,11 Prozent, 0,37 Prozent, 0,64 Prozent und
0,39 Prozent sür das Reich angegeben. Halbscheidland und Depntatland haben
hauptsächlich im Osten Verbreitung, der Anteil an Gemeindeland vornehmlich
in Rheinland, in Baiern rechts vom Rhein, in Württemberg, Baden und Elsaß-
Lothringen.

Von den landwirtschaftlichen Betriebsinhabern sind nach der Zählung von
1895 nnr 57,37 Prozent Landwirte nach ihrem Hauptberuf, und zwar nur
44,97 Prozent selbständige Landwirte, und 12,90 Prozent landwirtschaftliche
Hilfspersonen. Das Verhältnis verschiebt sich aber sehr, wenn man die
Größenklassen ansieht. Während von den Parzelleninhabern nur 17,43 selb¬
ständige und 21,33 Prozent unselbständige Landwirte im Hauptberuf sind, sind
von deu Besitzern der Betriebe von 2 bis 5 Hektar bereits 72,20 und
2,84 Prozent berufsmüßige Landwirte, von den Betrieben von 5 bis 20 Hektar
90,79 und 0,21 Prozent, von deu Betrieben von 20 bis 100 Hektar 96,15
und 0,6 Prozent und von den Großbetrieben 93,86 und 0,25 Prozent. Was
den Nebenberuf der -- ihrem Hauptberufe nach -- selbständigen Landwirte be¬
trifft, so sind 79,90 Prozent von ihnen ohne, 20,10 Prozent mit einem Neben¬
berufe verzeichnet gewesen. Alle diese Zahlen bieten im ganzen keinen Anlaß
zu weiterer Erörterung, und auf die Einzelheiten einzugehen ist hier nicht der
Platz. Für die Grenzbotenleser haben wir wohl das übliche Maß von Zahlen
schon weit überschritten. Also genug damit für jetzt. Die noch ausstehenden
amtlichen Veröffentlichungen über die Bctriebszühlung von 1895 werden noch
manche interessante Aufschlüsse bringen, und der agrcirpolitische Kampf der
nächsten Zeit noch manche Gelegenheit bieten, sie zu Hilfe zu rufen.

Großartige Veränderungen haben die Jahre von 1883 bis 1895, das
haben wir gesehen, überhaupt nicht gebracht, und es ist kein Grund zu der
Annahme, daß das darauf folgende Jahrzehnt von dem langsamen Tempo ab¬
weichen sollte, wenn man der natürlichen Entwicklung ihren Gang läßt. Ist
das aber zu wünschen? Staatliche Maßregeln zur Erhaltung der bäuerlichen
Betriebe kommen dabei nicht in Betracht; daß wir sie im allgemeinen für un¬
nötig halten, soweit sie die Verfügungsfreiheit über den Grundbesitz betreffen,
brauchen wir nicht nochmals darzulegen. Aber ist die Schaffung neuer Bauer-


Die landwirtschaftlichen Betriebe im deutschen Reiche

betrieb. Hier macht er 65,23 Prozent aus, bei den Kleinbauern steigt er
schon auf 81,23 Prozent, bei den Mittelbauern ans 96,55 und bei den Gro߬
bauern auf 91,93 Prozent, und bei den Großbetrieben sinkt er wieder auf
80,47 Prozent. Das sind im ganzen Reiche für den Vcmernstand durchaus gesunde
Verhältnisse, und auch bei deu Großbetrieben kann man nicht von einem be¬
denklichen „Absentismus" reden, zumal da hier die verpachteten Staatslündereicn
mit einer bedeutenden Fläche Pachtland mitgerechnet sind. Einen sehr geringen
Anteil an der Gesamtfläche haben die außerdem noch bei der Zahlung berück¬
sichtigten Besitzformen: Halbscheidland, Dcputatland. Dieustland und Anteil an
Gemeindeland; er wird ans 0,11 Prozent, 0,37 Prozent, 0,64 Prozent und
0,39 Prozent sür das Reich angegeben. Halbscheidland und Depntatland haben
hauptsächlich im Osten Verbreitung, der Anteil an Gemeindeland vornehmlich
in Rheinland, in Baiern rechts vom Rhein, in Württemberg, Baden und Elsaß-
Lothringen.

Von den landwirtschaftlichen Betriebsinhabern sind nach der Zählung von
1895 nnr 57,37 Prozent Landwirte nach ihrem Hauptberuf, und zwar nur
44,97 Prozent selbständige Landwirte, und 12,90 Prozent landwirtschaftliche
Hilfspersonen. Das Verhältnis verschiebt sich aber sehr, wenn man die
Größenklassen ansieht. Während von den Parzelleninhabern nur 17,43 selb¬
ständige und 21,33 Prozent unselbständige Landwirte im Hauptberuf sind, sind
von deu Besitzern der Betriebe von 2 bis 5 Hektar bereits 72,20 und
2,84 Prozent berufsmüßige Landwirte, von den Betrieben von 5 bis 20 Hektar
90,79 und 0,21 Prozent, von deu Betrieben von 20 bis 100 Hektar 96,15
und 0,6 Prozent und von den Großbetrieben 93,86 und 0,25 Prozent. Was
den Nebenberuf der — ihrem Hauptberufe nach — selbständigen Landwirte be¬
trifft, so sind 79,90 Prozent von ihnen ohne, 20,10 Prozent mit einem Neben¬
berufe verzeichnet gewesen. Alle diese Zahlen bieten im ganzen keinen Anlaß
zu weiterer Erörterung, und auf die Einzelheiten einzugehen ist hier nicht der
Platz. Für die Grenzbotenleser haben wir wohl das übliche Maß von Zahlen
schon weit überschritten. Also genug damit für jetzt. Die noch ausstehenden
amtlichen Veröffentlichungen über die Bctriebszühlung von 1895 werden noch
manche interessante Aufschlüsse bringen, und der agrcirpolitische Kampf der
nächsten Zeit noch manche Gelegenheit bieten, sie zu Hilfe zu rufen.

Großartige Veränderungen haben die Jahre von 1883 bis 1895, das
haben wir gesehen, überhaupt nicht gebracht, und es ist kein Grund zu der
Annahme, daß das darauf folgende Jahrzehnt von dem langsamen Tempo ab¬
weichen sollte, wenn man der natürlichen Entwicklung ihren Gang läßt. Ist
das aber zu wünschen? Staatliche Maßregeln zur Erhaltung der bäuerlichen
Betriebe kommen dabei nicht in Betracht; daß wir sie im allgemeinen für un¬
nötig halten, soweit sie die Verfügungsfreiheit über den Grundbesitz betreffen,
brauchen wir nicht nochmals darzulegen. Aber ist die Schaffung neuer Bauer-


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[0058] Die landwirtschaftlichen Betriebe im deutschen Reiche betrieb. Hier macht er 65,23 Prozent aus, bei den Kleinbauern steigt er schon auf 81,23 Prozent, bei den Mittelbauern ans 96,55 und bei den Gro߬ bauern auf 91,93 Prozent, und bei den Großbetrieben sinkt er wieder auf 80,47 Prozent. Das sind im ganzen Reiche für den Vcmernstand durchaus gesunde Verhältnisse, und auch bei deu Großbetrieben kann man nicht von einem be¬ denklichen „Absentismus" reden, zumal da hier die verpachteten Staatslündereicn mit einer bedeutenden Fläche Pachtland mitgerechnet sind. Einen sehr geringen Anteil an der Gesamtfläche haben die außerdem noch bei der Zahlung berück¬ sichtigten Besitzformen: Halbscheidland, Dcputatland. Dieustland und Anteil an Gemeindeland; er wird ans 0,11 Prozent, 0,37 Prozent, 0,64 Prozent und 0,39 Prozent sür das Reich angegeben. Halbscheidland und Depntatland haben hauptsächlich im Osten Verbreitung, der Anteil an Gemeindeland vornehmlich in Rheinland, in Baiern rechts vom Rhein, in Württemberg, Baden und Elsaß- Lothringen. Von den landwirtschaftlichen Betriebsinhabern sind nach der Zählung von 1895 nnr 57,37 Prozent Landwirte nach ihrem Hauptberuf, und zwar nur 44,97 Prozent selbständige Landwirte, und 12,90 Prozent landwirtschaftliche Hilfspersonen. Das Verhältnis verschiebt sich aber sehr, wenn man die Größenklassen ansieht. Während von den Parzelleninhabern nur 17,43 selb¬ ständige und 21,33 Prozent unselbständige Landwirte im Hauptberuf sind, sind von deu Besitzern der Betriebe von 2 bis 5 Hektar bereits 72,20 und 2,84 Prozent berufsmüßige Landwirte, von den Betrieben von 5 bis 20 Hektar 90,79 und 0,21 Prozent, von deu Betrieben von 20 bis 100 Hektar 96,15 und 0,6 Prozent und von den Großbetrieben 93,86 und 0,25 Prozent. Was den Nebenberuf der — ihrem Hauptberufe nach — selbständigen Landwirte be¬ trifft, so sind 79,90 Prozent von ihnen ohne, 20,10 Prozent mit einem Neben¬ berufe verzeichnet gewesen. Alle diese Zahlen bieten im ganzen keinen Anlaß zu weiterer Erörterung, und auf die Einzelheiten einzugehen ist hier nicht der Platz. Für die Grenzbotenleser haben wir wohl das übliche Maß von Zahlen schon weit überschritten. Also genug damit für jetzt. Die noch ausstehenden amtlichen Veröffentlichungen über die Bctriebszühlung von 1895 werden noch manche interessante Aufschlüsse bringen, und der agrcirpolitische Kampf der nächsten Zeit noch manche Gelegenheit bieten, sie zu Hilfe zu rufen. Großartige Veränderungen haben die Jahre von 1883 bis 1895, das haben wir gesehen, überhaupt nicht gebracht, und es ist kein Grund zu der Annahme, daß das darauf folgende Jahrzehnt von dem langsamen Tempo ab¬ weichen sollte, wenn man der natürlichen Entwicklung ihren Gang läßt. Ist das aber zu wünschen? Staatliche Maßregeln zur Erhaltung der bäuerlichen Betriebe kommen dabei nicht in Betracht; daß wir sie im allgemeinen für un¬ nötig halten, soweit sie die Verfügungsfreiheit über den Grundbesitz betreffen, brauchen wir nicht nochmals darzulegen. Aber ist die Schaffung neuer Bauer-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/58>, abgerufen am 23.07.2024.