Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.Personalreformen bei der Post wieder ausgeschiedneu) 9785 Postgehilfen und 3503 Militäranwärter, also Jedenfalls steht es in allen urteilsfähigen Fachkreisen fest, daß die Bil¬ Es würde zu weit führen, alle Mängel und Schäden aufzudecken, die sich Personalreformen bei der Post wieder ausgeschiedneu) 9785 Postgehilfen und 3503 Militäranwärter, also Jedenfalls steht es in allen urteilsfähigen Fachkreisen fest, daß die Bil¬ Es würde zu weit führen, alle Mängel und Schäden aufzudecken, die sich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0320" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226550"/> <fw type="header" place="top"> Personalreformen bei der Post</fw><lb/> <p xml:id="ID_779" prev="#ID_778"> wieder ausgeschiedneu) 9785 Postgehilfen und 3503 Militäranwärter, also<lb/> 13288 Personen — gegenüber 1705 Posteleven — angenommen. Namentlich<lb/> die Zahl der Militäranwärter ist in auffallender Steigerung begriffen; 1878<lb/> wurden nur 52 angenommen, 1888: 270, 1891: 458, 1896: 884. Der<lb/> Bildungsstandpunkt der Militäranwärter kann als bekannt vorausgesetzt werden.<lb/> Die Schulbildung der Postgehilfen ist sehr verschieden. Es befinden sich<lb/> darunter junge Leute, die im Besitz der Einjährigen-Berechtigung oder gar<lb/> der Reise für die Prima sind. Wieviele das sind, ist nicht bekannt, doch<lb/> schwerlich mehr als zehn Prozent aller Zivilanwürter. Ein andrer Teil der<lb/> Postgehilfen hat sich nach dem Verlassen der Dorf- oder Elementarschule<lb/> privatim fortgebildet, noch andre haben die Postfachschulen besucht, die nach<lb/> 1871 wie Pilze aus der Erde schössen. Der größte Teil aller Gehilfen aber<lb/> hat nur die Bildung, wie sie das Reglement erfordert: „Die Bewerber müssen<lb/> richtig und zusammenhängend deutsch schreiben und sprechen, mit den gewöhn¬<lb/> lichen Nechnungsarbeiten vertraut sein, eine deutliche Handschrift haben, die<lb/> Lage der wichtigsten Orte kennen und französische Briefaufschriften, Länder- und<lb/> Ortsnamen zu verstehen und verstündlich auszusprechen imstande sein." Das<lb/> ist nicht viel, aber die Bestimmungen sind dchnuugsfühig, daher hat die Post-<lb/> verwaltung, je nachdem sie mehr oder weniger Leute brauchte, die Anforde¬<lb/> rungen etwas ermäßigt oder erhöht.</p><lb/> <p xml:id="ID_780"> Jedenfalls steht es in allen urteilsfähigen Fachkreisen fest, daß die Bil¬<lb/> dungsstufe der Zivilanwürter für die niedre Laufbahn seit Einführung des<lb/> Reglements von 1871 gesunken ist, und zwar teilweise so tief, daß sie für die<lb/> Ausbildung und Erziehung tüchtiger Postbeamten nicht mehr ausreicht. Mau<lb/> frage nur die Amtsvorsteher; nicht nur die, altern, die bessere Zeiten gekannt<lb/> haben, sondern auch die jüngern werden es bestätigen, daß ein großer Teil<lb/> der Postgehilfen den Anforderungen, die an sie gestellt werden müssen, nicht<lb/> entspricht; es fehlt ihnen an der erforderlichen Fassungskraft, an der Durch¬<lb/> bildung und Reife des Geistes und Charakters, die nur durch lungern Besuch<lb/> einer guten Schule erworben wird. Man bedenke ferner, daß sich unter vierzig<lb/> bis fünfzig Beamten bei einer Postanstalt oft zehn und mehr Postgehilfen be¬<lb/> finden, die noch nicht in allen Zweigen des Postdienstes ausgebildet sind, oft<lb/> kaum die nötigsten Handgriffe kennen und doch selbständig arbeiten sollen, weil<lb/> es gerade, wie bei der Post fast immer, an Arbeitskräften fehlt. Dazu der<lb/> fortwährende Wechsel im Personal, eine Folge der vielen, ganz zwecklosen Ver¬<lb/> setzungen der jungen Beamten aus einem Teile des Reichs in den andern.<lb/> Daß unter solchen Verhältnissen die Ordnung und Sicherheit im Dienstbetrieb<lb/> leidet, daß dieser — wir müssen es offen heraussagen — nicht mehr durchweg<lb/> auf der Höhe der Zeit steht, kann nicht Wunder nehmen. Das Publikum<lb/> muß es büßen.</p><lb/> <p xml:id="ID_781" next="#ID_782"> Es würde zu weit führen, alle Mängel und Schäden aufzudecken, die sich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0320]
Personalreformen bei der Post
wieder ausgeschiedneu) 9785 Postgehilfen und 3503 Militäranwärter, also
13288 Personen — gegenüber 1705 Posteleven — angenommen. Namentlich
die Zahl der Militäranwärter ist in auffallender Steigerung begriffen; 1878
wurden nur 52 angenommen, 1888: 270, 1891: 458, 1896: 884. Der
Bildungsstandpunkt der Militäranwärter kann als bekannt vorausgesetzt werden.
Die Schulbildung der Postgehilfen ist sehr verschieden. Es befinden sich
darunter junge Leute, die im Besitz der Einjährigen-Berechtigung oder gar
der Reise für die Prima sind. Wieviele das sind, ist nicht bekannt, doch
schwerlich mehr als zehn Prozent aller Zivilanwürter. Ein andrer Teil der
Postgehilfen hat sich nach dem Verlassen der Dorf- oder Elementarschule
privatim fortgebildet, noch andre haben die Postfachschulen besucht, die nach
1871 wie Pilze aus der Erde schössen. Der größte Teil aller Gehilfen aber
hat nur die Bildung, wie sie das Reglement erfordert: „Die Bewerber müssen
richtig und zusammenhängend deutsch schreiben und sprechen, mit den gewöhn¬
lichen Nechnungsarbeiten vertraut sein, eine deutliche Handschrift haben, die
Lage der wichtigsten Orte kennen und französische Briefaufschriften, Länder- und
Ortsnamen zu verstehen und verstündlich auszusprechen imstande sein." Das
ist nicht viel, aber die Bestimmungen sind dchnuugsfühig, daher hat die Post-
verwaltung, je nachdem sie mehr oder weniger Leute brauchte, die Anforde¬
rungen etwas ermäßigt oder erhöht.
Jedenfalls steht es in allen urteilsfähigen Fachkreisen fest, daß die Bil¬
dungsstufe der Zivilanwürter für die niedre Laufbahn seit Einführung des
Reglements von 1871 gesunken ist, und zwar teilweise so tief, daß sie für die
Ausbildung und Erziehung tüchtiger Postbeamten nicht mehr ausreicht. Mau
frage nur die Amtsvorsteher; nicht nur die, altern, die bessere Zeiten gekannt
haben, sondern auch die jüngern werden es bestätigen, daß ein großer Teil
der Postgehilfen den Anforderungen, die an sie gestellt werden müssen, nicht
entspricht; es fehlt ihnen an der erforderlichen Fassungskraft, an der Durch¬
bildung und Reife des Geistes und Charakters, die nur durch lungern Besuch
einer guten Schule erworben wird. Man bedenke ferner, daß sich unter vierzig
bis fünfzig Beamten bei einer Postanstalt oft zehn und mehr Postgehilfen be¬
finden, die noch nicht in allen Zweigen des Postdienstes ausgebildet sind, oft
kaum die nötigsten Handgriffe kennen und doch selbständig arbeiten sollen, weil
es gerade, wie bei der Post fast immer, an Arbeitskräften fehlt. Dazu der
fortwährende Wechsel im Personal, eine Folge der vielen, ganz zwecklosen Ver¬
setzungen der jungen Beamten aus einem Teile des Reichs in den andern.
Daß unter solchen Verhältnissen die Ordnung und Sicherheit im Dienstbetrieb
leidet, daß dieser — wir müssen es offen heraussagen — nicht mehr durchweg
auf der Höhe der Zeit steht, kann nicht Wunder nehmen. Das Publikum
muß es büßen.
Es würde zu weit führen, alle Mängel und Schäden aufzudecken, die sich
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