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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Die Besiedlung des brasilischen Alto-Uruguaygebiets
von L. Kapff

le Deutsche Post, die von dem Pfarrer Rothermund in S. Leopoldo,
dem "Deutscheste!? der Deutschen" in der brasilischen Provinz
Rio Grande do Sui, herausgegeben wird, bringt eine Mitteilung,
der wir eine weite Verbreitung in den kolonisationsfreundlichcn
Kreisen Deutschlands wünschen möchten. Schon vielfach ist von
Kennern des Landes auf die Bedeutung des Waldgebietes der ehemaligen
Jesuitenmissionen am obern Uruguay hingewiesen worden, ohne daß bisher von
der Regierung des Staates Rio Grande eine Kolonisation in Angriff genommen
worden wäre. Nun ist das Eis gebrochen und vorläufig wenigstens die Kolonie
Guarany -- genannt nach dem einst in jenen Gegenden seßhaften, jetzt nur noch
spärlich vertretenen Stamm der Guaranyindianer -- begründet worden; der neu¬
ernannte Leiter ist schon seit mehreren Monaten an der Stätte seiner künftigen
Wirksamkeit. Die vermessenen Ländereien, ein Gebiet von 100 Quadratlegoas --
660 Quadratkilometer, also etwas größer als die beiden Fürstentümer Schaum-
burg-Lippe und Reuß ü. L., liegen an der Mündung des Comandahy (Bohnen¬
fluß) in den Uruguay in dem Gebiet, das die Jesuiten zuletzt noch behaupteten,
und weiter aufwärts entlang dem erstern Flusse. Vou der Hauptstadt des
Staates Rio Grande, Porto Alegre, führt die Reise dorthin über Cruz Alta,
eine zwischen der eigentlichen deutschen Koloniezone der Serra Gerak und den
Uruguayniederungen gelegne Stadt, und dann über die am Jjuhy, einem Neben¬
fluß des Uruguay, sich Hinzichende Kolonie gleichen Namens. Auf dem gebirgigen
Nucleo Comandahy sollen Italiener, am Uruguay selbst Deutsche angesiedelt
werden, und man hofft dann auf eine rasche segensreiche Entwicklung des
neuen Gemeinwesens. Die Kolonielose betragen 250 x 1000 Meter und
kosten je 350 Milreis (1 Milreis nach dem gegenwärtigen sehr niedrigen Kurs
60 bis 70 Pfennige), die innerhalb zweier Jahre zu bezahlen sind. Die
Kolonisten werden auf Staatskosten an Ort und Stelle befördert und vou
Anfang an durch Weg- und Brückeubauten, für die sie Bezahlung erhalten,
von der Regierung beschäftigt. Auch sämtliche Angestellte sollen aus den
Kolonisten selbst genommen werden. Der Gewährsmann der Deutschen Post
versichert, daß am Comandahy schon mehrere Deutsche von früher her ansässig




Die Besiedlung des brasilischen Alto-Uruguaygebiets
von L. Kapff

le Deutsche Post, die von dem Pfarrer Rothermund in S. Leopoldo,
dem „Deutscheste!? der Deutschen" in der brasilischen Provinz
Rio Grande do Sui, herausgegeben wird, bringt eine Mitteilung,
der wir eine weite Verbreitung in den kolonisationsfreundlichcn
Kreisen Deutschlands wünschen möchten. Schon vielfach ist von
Kennern des Landes auf die Bedeutung des Waldgebietes der ehemaligen
Jesuitenmissionen am obern Uruguay hingewiesen worden, ohne daß bisher von
der Regierung des Staates Rio Grande eine Kolonisation in Angriff genommen
worden wäre. Nun ist das Eis gebrochen und vorläufig wenigstens die Kolonie
Guarany — genannt nach dem einst in jenen Gegenden seßhaften, jetzt nur noch
spärlich vertretenen Stamm der Guaranyindianer — begründet worden; der neu¬
ernannte Leiter ist schon seit mehreren Monaten an der Stätte seiner künftigen
Wirksamkeit. Die vermessenen Ländereien, ein Gebiet von 100 Quadratlegoas —
660 Quadratkilometer, also etwas größer als die beiden Fürstentümer Schaum-
burg-Lippe und Reuß ü. L., liegen an der Mündung des Comandahy (Bohnen¬
fluß) in den Uruguay in dem Gebiet, das die Jesuiten zuletzt noch behaupteten,
und weiter aufwärts entlang dem erstern Flusse. Vou der Hauptstadt des
Staates Rio Grande, Porto Alegre, führt die Reise dorthin über Cruz Alta,
eine zwischen der eigentlichen deutschen Koloniezone der Serra Gerak und den
Uruguayniederungen gelegne Stadt, und dann über die am Jjuhy, einem Neben¬
fluß des Uruguay, sich Hinzichende Kolonie gleichen Namens. Auf dem gebirgigen
Nucleo Comandahy sollen Italiener, am Uruguay selbst Deutsche angesiedelt
werden, und man hofft dann auf eine rasche segensreiche Entwicklung des
neuen Gemeinwesens. Die Kolonielose betragen 250 x 1000 Meter und
kosten je 350 Milreis (1 Milreis nach dem gegenwärtigen sehr niedrigen Kurs
60 bis 70 Pfennige), die innerhalb zweier Jahre zu bezahlen sind. Die
Kolonisten werden auf Staatskosten an Ort und Stelle befördert und vou
Anfang an durch Weg- und Brückeubauten, für die sie Bezahlung erhalten,
von der Regierung beschäftigt. Auch sämtliche Angestellte sollen aus den
Kolonisten selbst genommen werden. Der Gewährsmann der Deutschen Post
versichert, daß am Comandahy schon mehrere Deutsche von früher her ansässig


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[0170] [Abbildung] Die Besiedlung des brasilischen Alto-Uruguaygebiets von L. Kapff le Deutsche Post, die von dem Pfarrer Rothermund in S. Leopoldo, dem „Deutscheste!? der Deutschen" in der brasilischen Provinz Rio Grande do Sui, herausgegeben wird, bringt eine Mitteilung, der wir eine weite Verbreitung in den kolonisationsfreundlichcn Kreisen Deutschlands wünschen möchten. Schon vielfach ist von Kennern des Landes auf die Bedeutung des Waldgebietes der ehemaligen Jesuitenmissionen am obern Uruguay hingewiesen worden, ohne daß bisher von der Regierung des Staates Rio Grande eine Kolonisation in Angriff genommen worden wäre. Nun ist das Eis gebrochen und vorläufig wenigstens die Kolonie Guarany — genannt nach dem einst in jenen Gegenden seßhaften, jetzt nur noch spärlich vertretenen Stamm der Guaranyindianer — begründet worden; der neu¬ ernannte Leiter ist schon seit mehreren Monaten an der Stätte seiner künftigen Wirksamkeit. Die vermessenen Ländereien, ein Gebiet von 100 Quadratlegoas — 660 Quadratkilometer, also etwas größer als die beiden Fürstentümer Schaum- burg-Lippe und Reuß ü. L., liegen an der Mündung des Comandahy (Bohnen¬ fluß) in den Uruguay in dem Gebiet, das die Jesuiten zuletzt noch behaupteten, und weiter aufwärts entlang dem erstern Flusse. Vou der Hauptstadt des Staates Rio Grande, Porto Alegre, führt die Reise dorthin über Cruz Alta, eine zwischen der eigentlichen deutschen Koloniezone der Serra Gerak und den Uruguayniederungen gelegne Stadt, und dann über die am Jjuhy, einem Neben¬ fluß des Uruguay, sich Hinzichende Kolonie gleichen Namens. Auf dem gebirgigen Nucleo Comandahy sollen Italiener, am Uruguay selbst Deutsche angesiedelt werden, und man hofft dann auf eine rasche segensreiche Entwicklung des neuen Gemeinwesens. Die Kolonielose betragen 250 x 1000 Meter und kosten je 350 Milreis (1 Milreis nach dem gegenwärtigen sehr niedrigen Kurs 60 bis 70 Pfennige), die innerhalb zweier Jahre zu bezahlen sind. Die Kolonisten werden auf Staatskosten an Ort und Stelle befördert und vou Anfang an durch Weg- und Brückeubauten, für die sie Bezahlung erhalten, von der Regierung beschäftigt. Auch sämtliche Angestellte sollen aus den Kolonisten selbst genommen werden. Der Gewährsmann der Deutschen Post versichert, daß am Comandahy schon mehrere Deutsche von früher her ansässig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/170>, abgerufen am 22.07.2024.