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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Die Hochwassergefahr und ihre Bekämpfung

in sich zusammengesunkne Holzhäuschen, bei denen es ein wahres Wunder ist,
daß sie nicht von selber einstürzen. So viel steht fest: hätten wir in Schlesien
bessere Baulichkeiten, das Hochwasser hätte diesen Sommer nicht so großen
Schaden anrichten können.

Suchen wir auf den angegebnen Wegen die Schäden der Hochwasser ab¬
zuschwächen, so werden wir allmählich des Übels Herr werden. Ohne Hilfe
des Staates geht es natürlich nicht. Die Mittel, die dazu erforderlich sind,
übersteigen die Kräfte der Unterverbände, der Provinzen, der Kreise und vollends
der einzelnen Gemeinden. Aber eine Anfforstung kommt ja dem ganzen Lande
zu gute, dem Bewohner der Ebne ebenso wie dem des Gebirges. Die Thal¬
sperren gewähren zwar den größten Nutzen den dicht unter ihnen gelegnen
Bezirken, aber ihre wohlthätige Wirkung ist weit bis ins Land hinein zu
spüren, wenn sich auch der Vorteil für die einzelnen näher und ferner gelegnen
Ortschaften nicht genau abmessen läßt. Wenn durch Höherlegung der Land-
straßen eine Unterbrechung des Verkehrs in den Überschwemmungsgebieten ver¬
mieden wird, so ist das für den Kaufmann in der größern Stadt ebenso viel
wert wie für die Betroffnen, und wenn der Staat Prämien oder Beihilfen für
Neubauten zahlt, so haben davon auch die wieder Nutzen, die mit dem Gebirge
in geschäftlichen Beziehungen stehen. Denn mit der Sicherheit gegen die
Wassersgefahr ist auch größere Sicherheit gegen Geschüftsstvckung gegeben.
Der Staat hat ein Interesse daran, daß die Leistungsfähigkeit, der Wohlstand
seiner Unterthanen erhalten bleibe, darum hat er bei außergewöhnlichen Natur¬
ereignissen, bei Gefährdung ganzer Landstriche einzutreten, und er wird sich
dieser Aufgabe, wie in andern Fällen, so auch hier nicht entziehen.

Aber auch den Gemeinden bleibt noch etwas zu thun übrig. In der
Schreckcnsnacht dieses Sommers haben wir einsehen lernen, daß der Einzelne
den entfesselten Naturgewalten gegenüber machtlos ist, daß hier nur eine wohl-
vrganisirte Rettungsmannschaft helfen kann, die unter einheitlicher Leitung mit
Umsicht an das Nettungswerk geht, eine Rettungsmannschaft, wie wir sie in
unsrer Feuerwehr haben. Die großen Städte haben ja durchweg ihre wohl¬
geschulte Berufsfeuerwehr, aber in den kleinen Städten ist es oft recht übel
damit bestellt. Die Bürger müssen zwar "Jüngstendienste" leisten, d.h. sich
eine Reihe von Jahren der Stadt zur Verfügung stellen und bei Feuers- und
Wassergefahr mit Hand anlegen; aber es ist niemand im Magistrat, der sich
der Sache annähme, regelmäßige Übungen werden nicht abgehalten. Vielleicht
besteht in der Stadt ein freiwilliger Feuerwehrverein. Er ist vor Jahr und Tag
gegründet worden mit Unterstützung angesehner Bürger, die auch reichliche
Geldmittel für die erste Einrichtung zusammengebracht hatten. Aber die Per¬
sonen haben gewechselt, die Stadt ist von größern Bränden verschont geblieben,
und so hat man angefangen, sich in Sicherheit zu wiegen. Niemand kümmert
sich um den Verein, es fehlt ihm an Geld, seine Mitgliederzahl ist zurück-


Die Hochwassergefahr und ihre Bekämpfung

in sich zusammengesunkne Holzhäuschen, bei denen es ein wahres Wunder ist,
daß sie nicht von selber einstürzen. So viel steht fest: hätten wir in Schlesien
bessere Baulichkeiten, das Hochwasser hätte diesen Sommer nicht so großen
Schaden anrichten können.

Suchen wir auf den angegebnen Wegen die Schäden der Hochwasser ab¬
zuschwächen, so werden wir allmählich des Übels Herr werden. Ohne Hilfe
des Staates geht es natürlich nicht. Die Mittel, die dazu erforderlich sind,
übersteigen die Kräfte der Unterverbände, der Provinzen, der Kreise und vollends
der einzelnen Gemeinden. Aber eine Anfforstung kommt ja dem ganzen Lande
zu gute, dem Bewohner der Ebne ebenso wie dem des Gebirges. Die Thal¬
sperren gewähren zwar den größten Nutzen den dicht unter ihnen gelegnen
Bezirken, aber ihre wohlthätige Wirkung ist weit bis ins Land hinein zu
spüren, wenn sich auch der Vorteil für die einzelnen näher und ferner gelegnen
Ortschaften nicht genau abmessen läßt. Wenn durch Höherlegung der Land-
straßen eine Unterbrechung des Verkehrs in den Überschwemmungsgebieten ver¬
mieden wird, so ist das für den Kaufmann in der größern Stadt ebenso viel
wert wie für die Betroffnen, und wenn der Staat Prämien oder Beihilfen für
Neubauten zahlt, so haben davon auch die wieder Nutzen, die mit dem Gebirge
in geschäftlichen Beziehungen stehen. Denn mit der Sicherheit gegen die
Wassersgefahr ist auch größere Sicherheit gegen Geschüftsstvckung gegeben.
Der Staat hat ein Interesse daran, daß die Leistungsfähigkeit, der Wohlstand
seiner Unterthanen erhalten bleibe, darum hat er bei außergewöhnlichen Natur¬
ereignissen, bei Gefährdung ganzer Landstriche einzutreten, und er wird sich
dieser Aufgabe, wie in andern Fällen, so auch hier nicht entziehen.

Aber auch den Gemeinden bleibt noch etwas zu thun übrig. In der
Schreckcnsnacht dieses Sommers haben wir einsehen lernen, daß der Einzelne
den entfesselten Naturgewalten gegenüber machtlos ist, daß hier nur eine wohl-
vrganisirte Rettungsmannschaft helfen kann, die unter einheitlicher Leitung mit
Umsicht an das Nettungswerk geht, eine Rettungsmannschaft, wie wir sie in
unsrer Feuerwehr haben. Die großen Städte haben ja durchweg ihre wohl¬
geschulte Berufsfeuerwehr, aber in den kleinen Städten ist es oft recht übel
damit bestellt. Die Bürger müssen zwar „Jüngstendienste" leisten, d.h. sich
eine Reihe von Jahren der Stadt zur Verfügung stellen und bei Feuers- und
Wassergefahr mit Hand anlegen; aber es ist niemand im Magistrat, der sich
der Sache annähme, regelmäßige Übungen werden nicht abgehalten. Vielleicht
besteht in der Stadt ein freiwilliger Feuerwehrverein. Er ist vor Jahr und Tag
gegründet worden mit Unterstützung angesehner Bürger, die auch reichliche
Geldmittel für die erste Einrichtung zusammengebracht hatten. Aber die Per¬
sonen haben gewechselt, die Stadt ist von größern Bränden verschont geblieben,
und so hat man angefangen, sich in Sicherheit zu wiegen. Niemand kümmert
sich um den Verein, es fehlt ihm an Geld, seine Mitgliederzahl ist zurück-


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[0612] Die Hochwassergefahr und ihre Bekämpfung in sich zusammengesunkne Holzhäuschen, bei denen es ein wahres Wunder ist, daß sie nicht von selber einstürzen. So viel steht fest: hätten wir in Schlesien bessere Baulichkeiten, das Hochwasser hätte diesen Sommer nicht so großen Schaden anrichten können. Suchen wir auf den angegebnen Wegen die Schäden der Hochwasser ab¬ zuschwächen, so werden wir allmählich des Übels Herr werden. Ohne Hilfe des Staates geht es natürlich nicht. Die Mittel, die dazu erforderlich sind, übersteigen die Kräfte der Unterverbände, der Provinzen, der Kreise und vollends der einzelnen Gemeinden. Aber eine Anfforstung kommt ja dem ganzen Lande zu gute, dem Bewohner der Ebne ebenso wie dem des Gebirges. Die Thal¬ sperren gewähren zwar den größten Nutzen den dicht unter ihnen gelegnen Bezirken, aber ihre wohlthätige Wirkung ist weit bis ins Land hinein zu spüren, wenn sich auch der Vorteil für die einzelnen näher und ferner gelegnen Ortschaften nicht genau abmessen läßt. Wenn durch Höherlegung der Land- straßen eine Unterbrechung des Verkehrs in den Überschwemmungsgebieten ver¬ mieden wird, so ist das für den Kaufmann in der größern Stadt ebenso viel wert wie für die Betroffnen, und wenn der Staat Prämien oder Beihilfen für Neubauten zahlt, so haben davon auch die wieder Nutzen, die mit dem Gebirge in geschäftlichen Beziehungen stehen. Denn mit der Sicherheit gegen die Wassersgefahr ist auch größere Sicherheit gegen Geschüftsstvckung gegeben. Der Staat hat ein Interesse daran, daß die Leistungsfähigkeit, der Wohlstand seiner Unterthanen erhalten bleibe, darum hat er bei außergewöhnlichen Natur¬ ereignissen, bei Gefährdung ganzer Landstriche einzutreten, und er wird sich dieser Aufgabe, wie in andern Fällen, so auch hier nicht entziehen. Aber auch den Gemeinden bleibt noch etwas zu thun übrig. In der Schreckcnsnacht dieses Sommers haben wir einsehen lernen, daß der Einzelne den entfesselten Naturgewalten gegenüber machtlos ist, daß hier nur eine wohl- vrganisirte Rettungsmannschaft helfen kann, die unter einheitlicher Leitung mit Umsicht an das Nettungswerk geht, eine Rettungsmannschaft, wie wir sie in unsrer Feuerwehr haben. Die großen Städte haben ja durchweg ihre wohl¬ geschulte Berufsfeuerwehr, aber in den kleinen Städten ist es oft recht übel damit bestellt. Die Bürger müssen zwar „Jüngstendienste" leisten, d.h. sich eine Reihe von Jahren der Stadt zur Verfügung stellen und bei Feuers- und Wassergefahr mit Hand anlegen; aber es ist niemand im Magistrat, der sich der Sache annähme, regelmäßige Übungen werden nicht abgehalten. Vielleicht besteht in der Stadt ein freiwilliger Feuerwehrverein. Er ist vor Jahr und Tag gegründet worden mit Unterstützung angesehner Bürger, die auch reichliche Geldmittel für die erste Einrichtung zusammengebracht hatten. Aber die Per¬ sonen haben gewechselt, die Stadt ist von größern Bränden verschont geblieben, und so hat man angefangen, sich in Sicherheit zu wiegen. Niemand kümmert sich um den Verein, es fehlt ihm an Geld, seine Mitgliederzahl ist zurück-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/612>, abgerufen am 29.12.2024.