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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Die Hochwassergefahr und ihre Bekämpfung

ausnutzen. Allerdings ist bei Anlage und Unterhaltung einer Thalsperre die
größte Vorsicht erforderlich. Geben die Mauern dem ständigen Druck der auf
ihnen lastenden Wassermassen nach, so kann durch die plötzliche Überflutung
der unterhalb gelegnen Ortschaften, wie es vor mehreren Jahren in Nord¬
frankreich geschah, unermeßliches Unglück angerichtet werden- Bei der nötigen
Vorsicht aber sind Thalsperren vorzüglich geeignet, einen Landstrich von mäßiger
Ausdehnung vor Überschwemmungen zu sichern. Nur muß die Örtlichkeit für
die Anlegung der Thalsperre günstig sein: der zu schützende Landstrich muß
unterhalb eines engen Flußthales liegen. Eine solche Lage ist aber nicht gerade
häufig. In der Regel ist sie anzutreffen, wo ein Gebirgsbach aus einem
höhern Gelände in ein tieferes, aus dem Gebirge in die Ebne tritt, am
häufigsten, wo er zuvor einen ihm entgegenstehenden Bergzug durchbrochen
hat. Seine Wassermenge muß schon vorher so groß gewesen sein, daß er sich
tief in das Gebirge eingebettet hat. Weiter ist nötig, daß der Oberlauf des
Baches oder Flusses, da wo man die Sperre anzulegen beabsichtigt, auf eine
große Strecke uicht stark besiedelt ist. Diese Bedingung wird nur dann erfüllt
sein, wenn die Thalsohle genügend schmal ist und die Thalwände genügend steil
sind; in solchen steilen Engthälern hat man es in der Regel nur mit einzelnen
Gehöften, nicht mit ganzen Ortschaften zu thun, und einzelne Besitzer kann
man schon entschädigen, ohne daß die Kosten der Anlage unverhältnismäßig
hoch würden. Wenn wir uns auf das Riesengebirge beschränken, so sind
z. B. geeignete Örtlichkeiten vorhanden am Zacken oberhalb Petersdorf vor
seinem Eintritt ins Hirschberger Thal, am Bober in der Gegend von Jannowitz
und dann wieder unterhalb Hirschberg, an der Katzbach zwischen Neukirch und
Goldberg, am Oberlaufe der Elbe zwischen Spindelmühle und Hohenelbe.
Nicht möglich sind Thalsperren, wo das Wasser in breiten Rinnen von ver-
schiednen Seiten ins Thal herunterkommt, und namentlich da, wo sich an diesen
Rinnen Ortschaften auf die Berge hinaufziehen; doch würden hier Teiche teil¬
weise als Ersatz dienen können. Im allgemeinen sind Thalsperren weniger
zweckmäßig anzubringen an den höhern Teilen des Gebirges, wo sich die
Wassermassen erst sammeln, als beim Übergange aus dem Gebirgsland ins
Flachland, wo die Thäler in der Regel enger und tiefer werden. Bei dem
letzten Hochwasser wären durch Thalsperreu zu schütze" gewesen Petersdorf
und zum Teil auch Hirschberg, dagegen nicht Schmiedeberg und Laudeshnt.

Wo sich die Anlage von Thalsperren ermöglichen läßt, sollte man sie ohne
Säumen in Angriff nehmen. Durch sie allein könnten bei einer Hochwasser¬
gefahr Millionen erhalten bleiben, und für das Anlagekapital würde durch
die Verpachtung der Wasserkraft, durch Abgabe des Wassers für Berieselungs¬
zwecke wenigstens eine kleine Verzinsung zu erreichen sein; auch könnten durch
die Sperren und ihre überschüssige mechanische Kraft neue industrielle Unter¬
nehmungen ins Leben gerufen werden.


Grenzboten III 1807 7"
Die Hochwassergefahr und ihre Bekämpfung

ausnutzen. Allerdings ist bei Anlage und Unterhaltung einer Thalsperre die
größte Vorsicht erforderlich. Geben die Mauern dem ständigen Druck der auf
ihnen lastenden Wassermassen nach, so kann durch die plötzliche Überflutung
der unterhalb gelegnen Ortschaften, wie es vor mehreren Jahren in Nord¬
frankreich geschah, unermeßliches Unglück angerichtet werden- Bei der nötigen
Vorsicht aber sind Thalsperren vorzüglich geeignet, einen Landstrich von mäßiger
Ausdehnung vor Überschwemmungen zu sichern. Nur muß die Örtlichkeit für
die Anlegung der Thalsperre günstig sein: der zu schützende Landstrich muß
unterhalb eines engen Flußthales liegen. Eine solche Lage ist aber nicht gerade
häufig. In der Regel ist sie anzutreffen, wo ein Gebirgsbach aus einem
höhern Gelände in ein tieferes, aus dem Gebirge in die Ebne tritt, am
häufigsten, wo er zuvor einen ihm entgegenstehenden Bergzug durchbrochen
hat. Seine Wassermenge muß schon vorher so groß gewesen sein, daß er sich
tief in das Gebirge eingebettet hat. Weiter ist nötig, daß der Oberlauf des
Baches oder Flusses, da wo man die Sperre anzulegen beabsichtigt, auf eine
große Strecke uicht stark besiedelt ist. Diese Bedingung wird nur dann erfüllt
sein, wenn die Thalsohle genügend schmal ist und die Thalwände genügend steil
sind; in solchen steilen Engthälern hat man es in der Regel nur mit einzelnen
Gehöften, nicht mit ganzen Ortschaften zu thun, und einzelne Besitzer kann
man schon entschädigen, ohne daß die Kosten der Anlage unverhältnismäßig
hoch würden. Wenn wir uns auf das Riesengebirge beschränken, so sind
z. B. geeignete Örtlichkeiten vorhanden am Zacken oberhalb Petersdorf vor
seinem Eintritt ins Hirschberger Thal, am Bober in der Gegend von Jannowitz
und dann wieder unterhalb Hirschberg, an der Katzbach zwischen Neukirch und
Goldberg, am Oberlaufe der Elbe zwischen Spindelmühle und Hohenelbe.
Nicht möglich sind Thalsperren, wo das Wasser in breiten Rinnen von ver-
schiednen Seiten ins Thal herunterkommt, und namentlich da, wo sich an diesen
Rinnen Ortschaften auf die Berge hinaufziehen; doch würden hier Teiche teil¬
weise als Ersatz dienen können. Im allgemeinen sind Thalsperren weniger
zweckmäßig anzubringen an den höhern Teilen des Gebirges, wo sich die
Wassermassen erst sammeln, als beim Übergange aus dem Gebirgsland ins
Flachland, wo die Thäler in der Regel enger und tiefer werden. Bei dem
letzten Hochwasser wären durch Thalsperreu zu schütze» gewesen Petersdorf
und zum Teil auch Hirschberg, dagegen nicht Schmiedeberg und Laudeshnt.

Wo sich die Anlage von Thalsperren ermöglichen läßt, sollte man sie ohne
Säumen in Angriff nehmen. Durch sie allein könnten bei einer Hochwasser¬
gefahr Millionen erhalten bleiben, und für das Anlagekapital würde durch
die Verpachtung der Wasserkraft, durch Abgabe des Wassers für Berieselungs¬
zwecke wenigstens eine kleine Verzinsung zu erreichen sein; auch könnten durch
die Sperren und ihre überschüssige mechanische Kraft neue industrielle Unter¬
nehmungen ins Leben gerufen werden.


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[0609] Die Hochwassergefahr und ihre Bekämpfung ausnutzen. Allerdings ist bei Anlage und Unterhaltung einer Thalsperre die größte Vorsicht erforderlich. Geben die Mauern dem ständigen Druck der auf ihnen lastenden Wassermassen nach, so kann durch die plötzliche Überflutung der unterhalb gelegnen Ortschaften, wie es vor mehreren Jahren in Nord¬ frankreich geschah, unermeßliches Unglück angerichtet werden- Bei der nötigen Vorsicht aber sind Thalsperren vorzüglich geeignet, einen Landstrich von mäßiger Ausdehnung vor Überschwemmungen zu sichern. Nur muß die Örtlichkeit für die Anlegung der Thalsperre günstig sein: der zu schützende Landstrich muß unterhalb eines engen Flußthales liegen. Eine solche Lage ist aber nicht gerade häufig. In der Regel ist sie anzutreffen, wo ein Gebirgsbach aus einem höhern Gelände in ein tieferes, aus dem Gebirge in die Ebne tritt, am häufigsten, wo er zuvor einen ihm entgegenstehenden Bergzug durchbrochen hat. Seine Wassermenge muß schon vorher so groß gewesen sein, daß er sich tief in das Gebirge eingebettet hat. Weiter ist nötig, daß der Oberlauf des Baches oder Flusses, da wo man die Sperre anzulegen beabsichtigt, auf eine große Strecke uicht stark besiedelt ist. Diese Bedingung wird nur dann erfüllt sein, wenn die Thalsohle genügend schmal ist und die Thalwände genügend steil sind; in solchen steilen Engthälern hat man es in der Regel nur mit einzelnen Gehöften, nicht mit ganzen Ortschaften zu thun, und einzelne Besitzer kann man schon entschädigen, ohne daß die Kosten der Anlage unverhältnismäßig hoch würden. Wenn wir uns auf das Riesengebirge beschränken, so sind z. B. geeignete Örtlichkeiten vorhanden am Zacken oberhalb Petersdorf vor seinem Eintritt ins Hirschberger Thal, am Bober in der Gegend von Jannowitz und dann wieder unterhalb Hirschberg, an der Katzbach zwischen Neukirch und Goldberg, am Oberlaufe der Elbe zwischen Spindelmühle und Hohenelbe. Nicht möglich sind Thalsperren, wo das Wasser in breiten Rinnen von ver- schiednen Seiten ins Thal herunterkommt, und namentlich da, wo sich an diesen Rinnen Ortschaften auf die Berge hinaufziehen; doch würden hier Teiche teil¬ weise als Ersatz dienen können. Im allgemeinen sind Thalsperren weniger zweckmäßig anzubringen an den höhern Teilen des Gebirges, wo sich die Wassermassen erst sammeln, als beim Übergange aus dem Gebirgsland ins Flachland, wo die Thäler in der Regel enger und tiefer werden. Bei dem letzten Hochwasser wären durch Thalsperreu zu schütze» gewesen Petersdorf und zum Teil auch Hirschberg, dagegen nicht Schmiedeberg und Laudeshnt. Wo sich die Anlage von Thalsperren ermöglichen läßt, sollte man sie ohne Säumen in Angriff nehmen. Durch sie allein könnten bei einer Hochwasser¬ gefahr Millionen erhalten bleiben, und für das Anlagekapital würde durch die Verpachtung der Wasserkraft, durch Abgabe des Wassers für Berieselungs¬ zwecke wenigstens eine kleine Verzinsung zu erreichen sein; auch könnten durch die Sperren und ihre überschüssige mechanische Kraft neue industrielle Unter¬ nehmungen ins Leben gerufen werden. Grenzboten III 1807 7»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/609>, abgerufen am 24.07.2024.