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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Die Hochwassergefahr "ut ihre Bekämpfung

Bäche aus, mau liest auch die Steine ans dem Wasser heraus, um sie zu
Banzwecken zu verwenden. Aber vollständig hält die Arbeit des Menschen
mit der der Natur nicht gleichen Schritt, hier so wenig wie dort. In der
Nähe der Mündungen ist im Laufe der Jahrhunderte eine ständige .Uebung
des Wasserspiegels wahrzunehmen, der oft, wie bei der Weichsel, auch bei
niedrigem Wasserstande schon höher steht, als die nur durch gewaltige Dämme
vor der Überflutung geschützten Niederungen. Und auch im Gebirge wird das
Bett der Flußläufe immer flacher, jedes Hochwasser setzt neues Geröll ab, und
bei den gelegentlichen Räumungsarbeiten geht man keineswegs mit der nötigen
Gründlichkeit vor. Bietet doch das Flußbett für das kleine Rinnsal, als das
der Gebirgsbach in gewöhnlichen Zeiten erscheint, immer noch genügend Platz!

Wenn wir uns also nach Mitteln und Wegen umsehen, den häusigen
Überschwemmungen Einhalt zu thun, so wäre natürlich das Sicherste die Auf¬
forstung des Gebirges und die Vertiefung der Flußbetten. Aber keine von
beiden läßt sich bei unserm heutigen Kulturzustande so ausführen, daß damit die
Hvchwnsfergefahr vollständig zu beseitigen wäre. Die Aufforstung würde nur
dann ausreichen, wenn wir ganze Provinzen mit Wald bepflanzten und die
Bevölkerung, die bisher dort ihren Unterhalt gefunden hat, hinausdrängten,
was natürlich ein Unding ist. Aber wenn wir nicht das Übel mit der Wurzel
beseitigen können, so wäre schon eine Aufforstung in müßigen Grenzen immer¬
hin geeignet, den Überschwemmungen etwas zu steuern, und eine mäßige Auf¬
forstung ließe sich auch unter den heutigen Verhältnissen recht wohl durch¬
führen. Wir haben in den Gebirgen viel Abhänge, die den Besitzern durch
die Wegschwemmung des fruchtbaren Mutterbodcns von Geschlecht zu Geschlecht
immer geringere Ertrüge bringen, und an denen man nach anhaltenden Regen¬
güssen wirkliche Erdrutsche beobachten kann, sodaß an manchen Stellen that¬
sächlich das nackte Gestein zu Tage tritt. Wir haben aber auch heute, wo
infolge der Getreidezufuhr aus dem Auslande die Preise der landwirtschaft¬
lichen Erzeugnisse gedrückt sind, zahlreiche Kulturflächen, die wegen des
rauhen Klimas den Anbau nicht mehr lohnen und kaum die Arbeit bezahlt
wachen, die man auf ihre Bewirtschaftung verwendet. Solche Ländereien sind
in den höhern Strichen des Gebirges schon für achtzig bis hundert Mark der
Morgen zu haben, das Urpflanzen der jungen Bäumchen stellt sich einschließlich
der Kosten für die Nachbesseruug in deu ersten vier Jahren auf etwa vierzig
Mark, und nehmen wir auch an, daß der Morgen mit Anpflanzung im Durch¬
schnitt auf zweihundertfunfzig Mark zu stehen käme, so ließen sich für eine
Million schon viertausend schlesische Morgen aufforsten. Der Staat könnte,
wenn zwei oder drei Millionen jährlich für diesen Zweck ausgesetzt würden,
dort, wo es sich um zusammenhängende Lündereien handelt, und wo er selbst
schon Forsten und Forstbeamte in der Nähe hat, Land aufkaufen und für
eigne Rechnung bepflanzen, er könnte im übrigen für Aufforstung wenig Ertrag


Die Hochwassergefahr »ut ihre Bekämpfung

Bäche aus, mau liest auch die Steine ans dem Wasser heraus, um sie zu
Banzwecken zu verwenden. Aber vollständig hält die Arbeit des Menschen
mit der der Natur nicht gleichen Schritt, hier so wenig wie dort. In der
Nähe der Mündungen ist im Laufe der Jahrhunderte eine ständige .Uebung
des Wasserspiegels wahrzunehmen, der oft, wie bei der Weichsel, auch bei
niedrigem Wasserstande schon höher steht, als die nur durch gewaltige Dämme
vor der Überflutung geschützten Niederungen. Und auch im Gebirge wird das
Bett der Flußläufe immer flacher, jedes Hochwasser setzt neues Geröll ab, und
bei den gelegentlichen Räumungsarbeiten geht man keineswegs mit der nötigen
Gründlichkeit vor. Bietet doch das Flußbett für das kleine Rinnsal, als das
der Gebirgsbach in gewöhnlichen Zeiten erscheint, immer noch genügend Platz!

Wenn wir uns also nach Mitteln und Wegen umsehen, den häusigen
Überschwemmungen Einhalt zu thun, so wäre natürlich das Sicherste die Auf¬
forstung des Gebirges und die Vertiefung der Flußbetten. Aber keine von
beiden läßt sich bei unserm heutigen Kulturzustande so ausführen, daß damit die
Hvchwnsfergefahr vollständig zu beseitigen wäre. Die Aufforstung würde nur
dann ausreichen, wenn wir ganze Provinzen mit Wald bepflanzten und die
Bevölkerung, die bisher dort ihren Unterhalt gefunden hat, hinausdrängten,
was natürlich ein Unding ist. Aber wenn wir nicht das Übel mit der Wurzel
beseitigen können, so wäre schon eine Aufforstung in müßigen Grenzen immer¬
hin geeignet, den Überschwemmungen etwas zu steuern, und eine mäßige Auf¬
forstung ließe sich auch unter den heutigen Verhältnissen recht wohl durch¬
führen. Wir haben in den Gebirgen viel Abhänge, die den Besitzern durch
die Wegschwemmung des fruchtbaren Mutterbodcns von Geschlecht zu Geschlecht
immer geringere Ertrüge bringen, und an denen man nach anhaltenden Regen¬
güssen wirkliche Erdrutsche beobachten kann, sodaß an manchen Stellen that¬
sächlich das nackte Gestein zu Tage tritt. Wir haben aber auch heute, wo
infolge der Getreidezufuhr aus dem Auslande die Preise der landwirtschaft¬
lichen Erzeugnisse gedrückt sind, zahlreiche Kulturflächen, die wegen des
rauhen Klimas den Anbau nicht mehr lohnen und kaum die Arbeit bezahlt
wachen, die man auf ihre Bewirtschaftung verwendet. Solche Ländereien sind
in den höhern Strichen des Gebirges schon für achtzig bis hundert Mark der
Morgen zu haben, das Urpflanzen der jungen Bäumchen stellt sich einschließlich
der Kosten für die Nachbesseruug in deu ersten vier Jahren auf etwa vierzig
Mark, und nehmen wir auch an, daß der Morgen mit Anpflanzung im Durch¬
schnitt auf zweihundertfunfzig Mark zu stehen käme, so ließen sich für eine
Million schon viertausend schlesische Morgen aufforsten. Der Staat könnte,
wenn zwei oder drei Millionen jährlich für diesen Zweck ausgesetzt würden,
dort, wo es sich um zusammenhängende Lündereien handelt, und wo er selbst
schon Forsten und Forstbeamte in der Nähe hat, Land aufkaufen und für
eigne Rechnung bepflanzen, er könnte im übrigen für Aufforstung wenig Ertrag


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[0607] Die Hochwassergefahr »ut ihre Bekämpfung Bäche aus, mau liest auch die Steine ans dem Wasser heraus, um sie zu Banzwecken zu verwenden. Aber vollständig hält die Arbeit des Menschen mit der der Natur nicht gleichen Schritt, hier so wenig wie dort. In der Nähe der Mündungen ist im Laufe der Jahrhunderte eine ständige .Uebung des Wasserspiegels wahrzunehmen, der oft, wie bei der Weichsel, auch bei niedrigem Wasserstande schon höher steht, als die nur durch gewaltige Dämme vor der Überflutung geschützten Niederungen. Und auch im Gebirge wird das Bett der Flußläufe immer flacher, jedes Hochwasser setzt neues Geröll ab, und bei den gelegentlichen Räumungsarbeiten geht man keineswegs mit der nötigen Gründlichkeit vor. Bietet doch das Flußbett für das kleine Rinnsal, als das der Gebirgsbach in gewöhnlichen Zeiten erscheint, immer noch genügend Platz! Wenn wir uns also nach Mitteln und Wegen umsehen, den häusigen Überschwemmungen Einhalt zu thun, so wäre natürlich das Sicherste die Auf¬ forstung des Gebirges und die Vertiefung der Flußbetten. Aber keine von beiden läßt sich bei unserm heutigen Kulturzustande so ausführen, daß damit die Hvchwnsfergefahr vollständig zu beseitigen wäre. Die Aufforstung würde nur dann ausreichen, wenn wir ganze Provinzen mit Wald bepflanzten und die Bevölkerung, die bisher dort ihren Unterhalt gefunden hat, hinausdrängten, was natürlich ein Unding ist. Aber wenn wir nicht das Übel mit der Wurzel beseitigen können, so wäre schon eine Aufforstung in müßigen Grenzen immer¬ hin geeignet, den Überschwemmungen etwas zu steuern, und eine mäßige Auf¬ forstung ließe sich auch unter den heutigen Verhältnissen recht wohl durch¬ führen. Wir haben in den Gebirgen viel Abhänge, die den Besitzern durch die Wegschwemmung des fruchtbaren Mutterbodcns von Geschlecht zu Geschlecht immer geringere Ertrüge bringen, und an denen man nach anhaltenden Regen¬ güssen wirkliche Erdrutsche beobachten kann, sodaß an manchen Stellen that¬ sächlich das nackte Gestein zu Tage tritt. Wir haben aber auch heute, wo infolge der Getreidezufuhr aus dem Auslande die Preise der landwirtschaft¬ lichen Erzeugnisse gedrückt sind, zahlreiche Kulturflächen, die wegen des rauhen Klimas den Anbau nicht mehr lohnen und kaum die Arbeit bezahlt wachen, die man auf ihre Bewirtschaftung verwendet. Solche Ländereien sind in den höhern Strichen des Gebirges schon für achtzig bis hundert Mark der Morgen zu haben, das Urpflanzen der jungen Bäumchen stellt sich einschließlich der Kosten für die Nachbesseruug in deu ersten vier Jahren auf etwa vierzig Mark, und nehmen wir auch an, daß der Morgen mit Anpflanzung im Durch¬ schnitt auf zweihundertfunfzig Mark zu stehen käme, so ließen sich für eine Million schon viertausend schlesische Morgen aufforsten. Der Staat könnte, wenn zwei oder drei Millionen jährlich für diesen Zweck ausgesetzt würden, dort, wo es sich um zusammenhängende Lündereien handelt, und wo er selbst schon Forsten und Forstbeamte in der Nähe hat, Land aufkaufen und für eigne Rechnung bepflanzen, er könnte im übrigen für Aufforstung wenig Ertrag

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/607>, abgerufen am 24.07.2024.