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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Die Hochwassergefahr und ihre Bekämpfung

allein noch möglich, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich, daß eine Explosion
in Paris alles wieder in Frage stellt, denn die Franzosen sind ein ehrgeiziges
und leicht erregbares Volt, dessen Politik zu seinem eignen Schaden oft nicht
von klugen Staatsmännern, sondern von unverantwortlichen, durch die augen-
blickliche Volksgunst empvrgehobneu Führern gemacht worden ist.

Vorläufig stehen die Aussichten für den Zusammenschluß der europäischen
Festlaudmächte sehr günstig, und wenn man bei uns die Pnrteibrillcn ablegen
und klar in die Verhältnisse sehen wollte, könnte man stolz darauf sein, daß
unserm Kaiser und seinem Reichskanzler ein wesentliches Verdienst, wenn nicht
das größte dabei zufällt. Wie sich England dazu stellen wird, kann vor der
Hand gleichgiltig sein, bisher hat es nicht versucht, sich dem europäischen
Konzert in den griechisch-türkischen Wirren zu entziehen, und es wird auch
später nicht gut anders handeln können, solange die europäischen Mächte einig
bleiben. Auch Frankreich würde in einem einigen Europa seine Befriedigung
haben und sein gebeugtes Selbstvertrauen wiederfinden. Es konnte für seine
Weltausstellung von 1900 keinen größern olnu ersinnen, als wenn es die
europäischen Friedensmächte als ihr Teilhaber zu sich zu Gaste inde. Wir
wollen das hoffen.




Die Hochwassergefahr und ihre Bekämpfung
v "Lrnst Airchberg on

user Vaterland hat im verflossenen Sommer schwere Heim¬
suchungen erlitten. Wolkenbruche von einer Ausdehnung und
einer Wasserstelle, wie sie seit Jahrzehnten nicht dagewesen waren,
sind über unsre Mittelgebirge von der Grafschaft Glatz bis weit
nach Baiern hinein niedergegangen. Die ungezügelten Wasser-
massen stürzten, Bäume entwurzelnd und Steinblöcke mit sich fortführend, von
den Bergen in unsre Gebirgsthäler hinab, sie überfluteten in wildem Strudel
Felder und Wiesen, Dorfschaften und Städte und rissen alles mit sich fort,
was ihnen im Wege stand. Es war schwarze Nacht, als sich die Schleusen
des Himmels öffneten, als der Sturm heulte, die Wasser gurgelten, die Mauern
unsrer Wohnstätten in ihren Grundfesten erzitterten, die Luft widerhallte von
dem Getöse zusammenbrechender und einstürzender Mauern, berstender, split¬
ternder Balken, und als nach dieser bang durchwachten Schreckensnacht die


Die Hochwassergefahr und ihre Bekämpfung

allein noch möglich, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich, daß eine Explosion
in Paris alles wieder in Frage stellt, denn die Franzosen sind ein ehrgeiziges
und leicht erregbares Volt, dessen Politik zu seinem eignen Schaden oft nicht
von klugen Staatsmännern, sondern von unverantwortlichen, durch die augen-
blickliche Volksgunst empvrgehobneu Führern gemacht worden ist.

Vorläufig stehen die Aussichten für den Zusammenschluß der europäischen
Festlaudmächte sehr günstig, und wenn man bei uns die Pnrteibrillcn ablegen
und klar in die Verhältnisse sehen wollte, könnte man stolz darauf sein, daß
unserm Kaiser und seinem Reichskanzler ein wesentliches Verdienst, wenn nicht
das größte dabei zufällt. Wie sich England dazu stellen wird, kann vor der
Hand gleichgiltig sein, bisher hat es nicht versucht, sich dem europäischen
Konzert in den griechisch-türkischen Wirren zu entziehen, und es wird auch
später nicht gut anders handeln können, solange die europäischen Mächte einig
bleiben. Auch Frankreich würde in einem einigen Europa seine Befriedigung
haben und sein gebeugtes Selbstvertrauen wiederfinden. Es konnte für seine
Weltausstellung von 1900 keinen größern olnu ersinnen, als wenn es die
europäischen Friedensmächte als ihr Teilhaber zu sich zu Gaste inde. Wir
wollen das hoffen.




Die Hochwassergefahr und ihre Bekämpfung
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suchungen erlitten. Wolkenbruche von einer Ausdehnung und
einer Wasserstelle, wie sie seit Jahrzehnten nicht dagewesen waren,
sind über unsre Mittelgebirge von der Grafschaft Glatz bis weit
nach Baiern hinein niedergegangen. Die ungezügelten Wasser-
massen stürzten, Bäume entwurzelnd und Steinblöcke mit sich fortführend, von
den Bergen in unsre Gebirgsthäler hinab, sie überfluteten in wildem Strudel
Felder und Wiesen, Dorfschaften und Städte und rissen alles mit sich fort,
was ihnen im Wege stand. Es war schwarze Nacht, als sich die Schleusen
des Himmels öffneten, als der Sturm heulte, die Wasser gurgelten, die Mauern
unsrer Wohnstätten in ihren Grundfesten erzitterten, die Luft widerhallte von
dem Getöse zusammenbrechender und einstürzender Mauern, berstender, split¬
ternder Balken, und als nach dieser bang durchwachten Schreckensnacht die


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[0602] Die Hochwassergefahr und ihre Bekämpfung allein noch möglich, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich, daß eine Explosion in Paris alles wieder in Frage stellt, denn die Franzosen sind ein ehrgeiziges und leicht erregbares Volt, dessen Politik zu seinem eignen Schaden oft nicht von klugen Staatsmännern, sondern von unverantwortlichen, durch die augen- blickliche Volksgunst empvrgehobneu Führern gemacht worden ist. Vorläufig stehen die Aussichten für den Zusammenschluß der europäischen Festlaudmächte sehr günstig, und wenn man bei uns die Pnrteibrillcn ablegen und klar in die Verhältnisse sehen wollte, könnte man stolz darauf sein, daß unserm Kaiser und seinem Reichskanzler ein wesentliches Verdienst, wenn nicht das größte dabei zufällt. Wie sich England dazu stellen wird, kann vor der Hand gleichgiltig sein, bisher hat es nicht versucht, sich dem europäischen Konzert in den griechisch-türkischen Wirren zu entziehen, und es wird auch später nicht gut anders handeln können, solange die europäischen Mächte einig bleiben. Auch Frankreich würde in einem einigen Europa seine Befriedigung haben und sein gebeugtes Selbstvertrauen wiederfinden. Es konnte für seine Weltausstellung von 1900 keinen größern olnu ersinnen, als wenn es die europäischen Friedensmächte als ihr Teilhaber zu sich zu Gaste inde. Wir wollen das hoffen. Die Hochwassergefahr und ihre Bekämpfung v «Lrnst Airchberg on user Vaterland hat im verflossenen Sommer schwere Heim¬ suchungen erlitten. Wolkenbruche von einer Ausdehnung und einer Wasserstelle, wie sie seit Jahrzehnten nicht dagewesen waren, sind über unsre Mittelgebirge von der Grafschaft Glatz bis weit nach Baiern hinein niedergegangen. Die ungezügelten Wasser- massen stürzten, Bäume entwurzelnd und Steinblöcke mit sich fortführend, von den Bergen in unsre Gebirgsthäler hinab, sie überfluteten in wildem Strudel Felder und Wiesen, Dorfschaften und Städte und rissen alles mit sich fort, was ihnen im Wege stand. Es war schwarze Nacht, als sich die Schleusen des Himmels öffneten, als der Sturm heulte, die Wasser gurgelten, die Mauern unsrer Wohnstätten in ihren Grundfesten erzitterten, die Luft widerhallte von dem Getöse zusammenbrechender und einstürzender Mauern, berstender, split¬ ternder Balken, und als nach dieser bang durchwachten Schreckensnacht die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/602>, abgerufen am 29.12.2024.