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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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auch für den eigentlichen Verwaltungsbeamten, daß bei einer Abwägung der
Vorbildung des Baumeisters und des Assessors von einer bessern Befähigung
des Juristen nicht die Rede sein kann, aber eine völlige Auslieferung
der Betriebsleitung an die Techniker wird dadurch nicht gerechtfertigt; auch
die Erfahrungen, die man bisher in Preußen mit den Eisenbahnjuristen gemacht
hat, sprechen nicht dafür. Wohl aber ist eine Bevorzugung der Juristen in
der Verwaltung ungerechtfertigt, unbillig und schon deshalb schädlich; wir
können, ohne hier auf die einzelnen Beschwerden der Baumeister einzugehen, die
völlige Gleichstellung beider Beamtenklassen nur als dringendes Bedürfnis
bezeichnen. Ja wir gehen noch weiter, indem wir die Zulassung auch ander¬
weitig vorgebildeter geeigneter Leute befürworten, wenn auch im Augenblick
ein solcher Vorschlag wohl kaum ernstlich in Frage kommen, sondern nur als
frommer Wunsch für die Zukunft geäußert werden kann.

Wenn man sich die Mühe nimmt, den Stand der Dinge ohne jede Vor¬
eingenommenheit zu untersuchen, so wird man sagen müssen, daß unsre Zeit
im allgemeinen, von dem Staatsbeamtentum abgesehen, eher an einer Über¬
schätzung der Ingenieurkunst als der Rechtswissenschaft leidet, und daß die
sozialen Ansprüche der Ingenieure, wieder abgesehen von ihrer etwaigen Ve-
amtenstellung, weit über die der Juristen hinausgehen. Der Ingenieur als
Nichtbeamter hat sich gewohnt, seine Leistungen auf Tausende zu schätzen, wo der
juristische höhere Beamte kaum jemals uach Hunderten rechnen darf. Daher
kommt es, daß sich der Ingenieur als Beamter leicht als verkanntes, unter¬
drücktes Genie fühlt und in dieser Unzufriedenheit seine vielleicht berechtigten
Interessen in einer Weise vertritt, die dem Staat gegenüber nicht angebracht
lst- Die preußische Staatsbnhnverwaltung hat in kurzer Zeit ein ganzes Heer
akademisch gebildeter Architekten und Ingenieure zu Beamten gestempelt, Herren,
die vorher die Anwartschaft wenn nicht auf die Million, so doch auf die
Hunderttausende in der Tasche zu haben glaubten. Nun sollen sie als Be¬
amte nicht einmal den lumpigen Gehalt eines Untcrstantssekretärs im Eisen-
bahnministerinm für ihre außerhalb der Beamtenwelt so glänzend geschätzten
Arbeiten erwarten können! Der akademische Techniker als Beamter bei der
Stantseisenbahn wie beim Patentamt usw. sollte in dem Kampf gegen die
Stellung der Juristen solche Gefühle nicht die Oberhand gewinnen lassen.
Sonst schießt er eben über das Ziel hinaus, wird ungerecht und zeigt leicht
Seiten, die sich nicht als gute Beamteneigenschaften aufnehmen. Es ist in
dieser Beziehung viel gesündigt worden, freilich auch von Staatsbehörden, die
den Anschauungen dieser neuen Beamtenart nicht genug Rechnung trugen, sie
oft verletzten und es ihnen dadurch unnötig erschwerten, sich in das Beamten¬
tum einzuleben. Auch das füllt bei den Angriffen der Ingenieure gegen die
Juristen auf, daß sie die eigne akademische Vorbildung sowohl anderweitig vor¬
gebildeten Technikern wie namentlich Kaufleuten u. dergl. gegenüber ungeheuer


Grenzboten III IM? 71

auch für den eigentlichen Verwaltungsbeamten, daß bei einer Abwägung der
Vorbildung des Baumeisters und des Assessors von einer bessern Befähigung
des Juristen nicht die Rede sein kann, aber eine völlige Auslieferung
der Betriebsleitung an die Techniker wird dadurch nicht gerechtfertigt; auch
die Erfahrungen, die man bisher in Preußen mit den Eisenbahnjuristen gemacht
hat, sprechen nicht dafür. Wohl aber ist eine Bevorzugung der Juristen in
der Verwaltung ungerechtfertigt, unbillig und schon deshalb schädlich; wir
können, ohne hier auf die einzelnen Beschwerden der Baumeister einzugehen, die
völlige Gleichstellung beider Beamtenklassen nur als dringendes Bedürfnis
bezeichnen. Ja wir gehen noch weiter, indem wir die Zulassung auch ander¬
weitig vorgebildeter geeigneter Leute befürworten, wenn auch im Augenblick
ein solcher Vorschlag wohl kaum ernstlich in Frage kommen, sondern nur als
frommer Wunsch für die Zukunft geäußert werden kann.

Wenn man sich die Mühe nimmt, den Stand der Dinge ohne jede Vor¬
eingenommenheit zu untersuchen, so wird man sagen müssen, daß unsre Zeit
im allgemeinen, von dem Staatsbeamtentum abgesehen, eher an einer Über¬
schätzung der Ingenieurkunst als der Rechtswissenschaft leidet, und daß die
sozialen Ansprüche der Ingenieure, wieder abgesehen von ihrer etwaigen Ve-
amtenstellung, weit über die der Juristen hinausgehen. Der Ingenieur als
Nichtbeamter hat sich gewohnt, seine Leistungen auf Tausende zu schätzen, wo der
juristische höhere Beamte kaum jemals uach Hunderten rechnen darf. Daher
kommt es, daß sich der Ingenieur als Beamter leicht als verkanntes, unter¬
drücktes Genie fühlt und in dieser Unzufriedenheit seine vielleicht berechtigten
Interessen in einer Weise vertritt, die dem Staat gegenüber nicht angebracht
lst- Die preußische Staatsbnhnverwaltung hat in kurzer Zeit ein ganzes Heer
akademisch gebildeter Architekten und Ingenieure zu Beamten gestempelt, Herren,
die vorher die Anwartschaft wenn nicht auf die Million, so doch auf die
Hunderttausende in der Tasche zu haben glaubten. Nun sollen sie als Be¬
amte nicht einmal den lumpigen Gehalt eines Untcrstantssekretärs im Eisen-
bahnministerinm für ihre außerhalb der Beamtenwelt so glänzend geschätzten
Arbeiten erwarten können! Der akademische Techniker als Beamter bei der
Stantseisenbahn wie beim Patentamt usw. sollte in dem Kampf gegen die
Stellung der Juristen solche Gefühle nicht die Oberhand gewinnen lassen.
Sonst schießt er eben über das Ziel hinaus, wird ungerecht und zeigt leicht
Seiten, die sich nicht als gute Beamteneigenschaften aufnehmen. Es ist in
dieser Beziehung viel gesündigt worden, freilich auch von Staatsbehörden, die
den Anschauungen dieser neuen Beamtenart nicht genug Rechnung trugen, sie
oft verletzten und es ihnen dadurch unnötig erschwerten, sich in das Beamten¬
tum einzuleben. Auch das füllt bei den Angriffen der Ingenieure gegen die
Juristen auf, daß sie die eigne akademische Vorbildung sowohl anderweitig vor¬
gebildeten Technikern wie namentlich Kaufleuten u. dergl. gegenüber ungeheuer


Grenzboten III IM? 71
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[0569] auch für den eigentlichen Verwaltungsbeamten, daß bei einer Abwägung der Vorbildung des Baumeisters und des Assessors von einer bessern Befähigung des Juristen nicht die Rede sein kann, aber eine völlige Auslieferung der Betriebsleitung an die Techniker wird dadurch nicht gerechtfertigt; auch die Erfahrungen, die man bisher in Preußen mit den Eisenbahnjuristen gemacht hat, sprechen nicht dafür. Wohl aber ist eine Bevorzugung der Juristen in der Verwaltung ungerechtfertigt, unbillig und schon deshalb schädlich; wir können, ohne hier auf die einzelnen Beschwerden der Baumeister einzugehen, die völlige Gleichstellung beider Beamtenklassen nur als dringendes Bedürfnis bezeichnen. Ja wir gehen noch weiter, indem wir die Zulassung auch ander¬ weitig vorgebildeter geeigneter Leute befürworten, wenn auch im Augenblick ein solcher Vorschlag wohl kaum ernstlich in Frage kommen, sondern nur als frommer Wunsch für die Zukunft geäußert werden kann. Wenn man sich die Mühe nimmt, den Stand der Dinge ohne jede Vor¬ eingenommenheit zu untersuchen, so wird man sagen müssen, daß unsre Zeit im allgemeinen, von dem Staatsbeamtentum abgesehen, eher an einer Über¬ schätzung der Ingenieurkunst als der Rechtswissenschaft leidet, und daß die sozialen Ansprüche der Ingenieure, wieder abgesehen von ihrer etwaigen Ve- amtenstellung, weit über die der Juristen hinausgehen. Der Ingenieur als Nichtbeamter hat sich gewohnt, seine Leistungen auf Tausende zu schätzen, wo der juristische höhere Beamte kaum jemals uach Hunderten rechnen darf. Daher kommt es, daß sich der Ingenieur als Beamter leicht als verkanntes, unter¬ drücktes Genie fühlt und in dieser Unzufriedenheit seine vielleicht berechtigten Interessen in einer Weise vertritt, die dem Staat gegenüber nicht angebracht lst- Die preußische Staatsbnhnverwaltung hat in kurzer Zeit ein ganzes Heer akademisch gebildeter Architekten und Ingenieure zu Beamten gestempelt, Herren, die vorher die Anwartschaft wenn nicht auf die Million, so doch auf die Hunderttausende in der Tasche zu haben glaubten. Nun sollen sie als Be¬ amte nicht einmal den lumpigen Gehalt eines Untcrstantssekretärs im Eisen- bahnministerinm für ihre außerhalb der Beamtenwelt so glänzend geschätzten Arbeiten erwarten können! Der akademische Techniker als Beamter bei der Stantseisenbahn wie beim Patentamt usw. sollte in dem Kampf gegen die Stellung der Juristen solche Gefühle nicht die Oberhand gewinnen lassen. Sonst schießt er eben über das Ziel hinaus, wird ungerecht und zeigt leicht Seiten, die sich nicht als gute Beamteneigenschaften aufnehmen. Es ist in dieser Beziehung viel gesündigt worden, freilich auch von Staatsbehörden, die den Anschauungen dieser neuen Beamtenart nicht genug Rechnung trugen, sie oft verletzten und es ihnen dadurch unnötig erschwerten, sich in das Beamten¬ tum einzuleben. Auch das füllt bei den Angriffen der Ingenieure gegen die Juristen auf, daß sie die eigne akademische Vorbildung sowohl anderweitig vor¬ gebildeten Technikern wie namentlich Kaufleuten u. dergl. gegenüber ungeheuer Grenzboten III IM? 71

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/569>, abgerufen am 24.07.2024.