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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

es 4 Millionen Besitzer, jetzt giebt es 8 ^ Millionen. Und dieser Grundbesitz ist
nicht überschüttet, die gesamte Hypothekenschnld in Frankreich wird auf 14369 Mil¬
lionen Franks geschätzt; davon lastet jedoch der bei weitem größte Teil auf städtischen
Gebäuden, auf dem ländlichen Grundbesitz nur Milliarden. "Weitaus die
meisten Hypotheken befinden sich in den Händen von Verwandten der Landbesitzer
und siud° nichts weiter als Abfindung bei der Erbteiinng; mit dem Großkapital
haben sie nichts zu schaffen." < ^ r

Wir lassen es dahingestellt sein, ob sich ein Kornzoll von sieben Franks auf die
Dauer vorteilhaft erweisen wird, und ob die französischen Agrarier nicht zu guter-
letzt dieselben Enttäuschungen erleben werden wie unsre deutschen. Wir wollen hier
mich uicht untersuchen, was hohe Getreidepreise den französischen Kleinbauern nützen
sollen. wenn diese, wie der Korrespondent selbst gelegentlich bemerkt, hauptsächlich
Gemüse, Obst und Wein bauen; es wird wohl in Frankreich so sein wie in Deutsch¬
land, wo das Wort Landwirtschaft nur den größer" Grundbesitz bedeutet. Hier
kommt es uns nur darauf an, hervorzuheben, daß in Frankreich die Gesellschafts-
ordnung uicht bedroht ist. weil die Gesellschaft größtenteils ans kleinen Grund¬
besitzern besteht, und daß ans demselben Grunde die Mehrheit des französischen
Volkes den Frieden will. Das zweite wird dann noch einmal in Ur. 610 von dem¬
selben Korrespondenten ausgeführt. Der Jubel über die "Allianz" mit Rußland
entspringe einerseits der Befriedigung einer kindlichen oder kindischen Eitelkeit und
andrerseits der Gewißheit, daß "um der Friede wieder einmal gesichert sei. "Be¬
wundernd steht jetzt die Nation vor der imposanten Silhouette, in der sie sich weit
über lebensgroß Hand in Hand mit Rußland erkennt. Ihre verschiedensten Wünsche
und Bestrebungen^ werden von diesem Anblick befriedigt; das lange entbehrte Prestige
ist wieder da, die Revancheniänner meinen sogar, daß Elsaß-Lothringe" beinahe schon
wieder französisch sei; zugleich aber wissen die Staatsmänner der Republik, daß der
Krieg, der das Regime mit allen seinen Nutznießern ruiniren würde, ferner liegt
als jemals; und die große Mehrzahl des Volkes, die vor allem Ruhe wünscht, blickt
vertrauensvoll auf das Friedcnsmotiv, das die Allianzgruppe ornamental nmschnörkelt."
Und in einem Fenilletvubericht über das Allianzfest in Ur. 619 erzählt derselbe
Korrespondent, auf dem Opernplatz, wo die Geschäftswelt dem Staatsoberhaupte
einen Pruukvvllcu Empfang bereitet hatte, habe ringsum das Wort ?aix in Rieseu-
buchstabeii geprangt, die angekündigte patriotische Kundgebung an der Straßbnrg-
statne dagegen sei kläglich 'verunglückt. Man darf anch nicht übersehen, was zu
erwähnen der Korrespondent keine Gelegenheit hatte, daß das Expansionsbedürfnis
der Franzosen, oder vielmehr, da eine Nation mit stabiler Bevölkerungszahl eigentlich
keins hat, ihr Thätigkeits- und Nnternehmungsdrang in ihrem Kolonialreiche einen
ausreichenden Spielraum findet, sodaß schon ein undenkbarer Grad von Narrheit
dazu gehören würde, wenn sie sich, anstatt sich dort gefahrlos zu tummeln, an den
Nvgesen die Köpfe einrennen wollten. Und es ist dabei zu beachten, daß das fran¬
zösische Kolonialreich -- wir meinen nicht Aram, sondern Nordafrika -- als ein
unmittelbar vor ihrer Thür liegendes und nicht wesentlich anders als der Süden
Frankreichs zu bebauendes Land einen sehr viel sicherern und behaglichem Besitz
bedeutet, als die überseeischen Besitzungen der andern europäischen Staaten; Al¬
gerien mil Tunis verhält sich zu Frankreich kaum anders als Sizilien zu Italien
oder Jütland zu den Däueninselu.


Die Zionisten.

Eine Gruppe internationaler Juden hat sich unter dem
Namen "Zionisten" zusammengethan und vor kurzem in Basel den "ersten inter-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

es 4 Millionen Besitzer, jetzt giebt es 8 ^ Millionen. Und dieser Grundbesitz ist
nicht überschüttet, die gesamte Hypothekenschnld in Frankreich wird auf 14369 Mil¬
lionen Franks geschätzt; davon lastet jedoch der bei weitem größte Teil auf städtischen
Gebäuden, auf dem ländlichen Grundbesitz nur Milliarden. „Weitaus die
meisten Hypotheken befinden sich in den Händen von Verwandten der Landbesitzer
und siud° nichts weiter als Abfindung bei der Erbteiinng; mit dem Großkapital
haben sie nichts zu schaffen." < ^ r

Wir lassen es dahingestellt sein, ob sich ein Kornzoll von sieben Franks auf die
Dauer vorteilhaft erweisen wird, und ob die französischen Agrarier nicht zu guter-
letzt dieselben Enttäuschungen erleben werden wie unsre deutschen. Wir wollen hier
mich uicht untersuchen, was hohe Getreidepreise den französischen Kleinbauern nützen
sollen. wenn diese, wie der Korrespondent selbst gelegentlich bemerkt, hauptsächlich
Gemüse, Obst und Wein bauen; es wird wohl in Frankreich so sein wie in Deutsch¬
land, wo das Wort Landwirtschaft nur den größer» Grundbesitz bedeutet. Hier
kommt es uns nur darauf an, hervorzuheben, daß in Frankreich die Gesellschafts-
ordnung uicht bedroht ist. weil die Gesellschaft größtenteils ans kleinen Grund¬
besitzern besteht, und daß ans demselben Grunde die Mehrheit des französischen
Volkes den Frieden will. Das zweite wird dann noch einmal in Ur. 610 von dem¬
selben Korrespondenten ausgeführt. Der Jubel über die „Allianz" mit Rußland
entspringe einerseits der Befriedigung einer kindlichen oder kindischen Eitelkeit und
andrerseits der Gewißheit, daß »um der Friede wieder einmal gesichert sei. „Be¬
wundernd steht jetzt die Nation vor der imposanten Silhouette, in der sie sich weit
über lebensgroß Hand in Hand mit Rußland erkennt. Ihre verschiedensten Wünsche
und Bestrebungen^ werden von diesem Anblick befriedigt; das lange entbehrte Prestige
ist wieder da, die Revancheniänner meinen sogar, daß Elsaß-Lothringe» beinahe schon
wieder französisch sei; zugleich aber wissen die Staatsmänner der Republik, daß der
Krieg, der das Regime mit allen seinen Nutznießern ruiniren würde, ferner liegt
als jemals; und die große Mehrzahl des Volkes, die vor allem Ruhe wünscht, blickt
vertrauensvoll auf das Friedcnsmotiv, das die Allianzgruppe ornamental nmschnörkelt."
Und in einem Fenilletvubericht über das Allianzfest in Ur. 619 erzählt derselbe
Korrespondent, auf dem Opernplatz, wo die Geschäftswelt dem Staatsoberhaupte
einen Pruukvvllcu Empfang bereitet hatte, habe ringsum das Wort ?aix in Rieseu-
buchstabeii geprangt, die angekündigte patriotische Kundgebung an der Straßbnrg-
statne dagegen sei kläglich 'verunglückt. Man darf anch nicht übersehen, was zu
erwähnen der Korrespondent keine Gelegenheit hatte, daß das Expansionsbedürfnis
der Franzosen, oder vielmehr, da eine Nation mit stabiler Bevölkerungszahl eigentlich
keins hat, ihr Thätigkeits- und Nnternehmungsdrang in ihrem Kolonialreiche einen
ausreichenden Spielraum findet, sodaß schon ein undenkbarer Grad von Narrheit
dazu gehören würde, wenn sie sich, anstatt sich dort gefahrlos zu tummeln, an den
Nvgesen die Köpfe einrennen wollten. Und es ist dabei zu beachten, daß das fran¬
zösische Kolonialreich — wir meinen nicht Aram, sondern Nordafrika — als ein
unmittelbar vor ihrer Thür liegendes und nicht wesentlich anders als der Süden
Frankreichs zu bebauendes Land einen sehr viel sicherern und behaglichem Besitz
bedeutet, als die überseeischen Besitzungen der andern europäischen Staaten; Al¬
gerien mil Tunis verhält sich zu Frankreich kaum anders als Sizilien zu Italien
oder Jütland zu den Däueninselu.


Die Zionisten.

Eine Gruppe internationaler Juden hat sich unter dem
Namen „Zionisten" zusammengethan und vor kurzem in Basel den „ersten inter-


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[0525] Maßgebliches und Unmaßgebliches es 4 Millionen Besitzer, jetzt giebt es 8 ^ Millionen. Und dieser Grundbesitz ist nicht überschüttet, die gesamte Hypothekenschnld in Frankreich wird auf 14369 Mil¬ lionen Franks geschätzt; davon lastet jedoch der bei weitem größte Teil auf städtischen Gebäuden, auf dem ländlichen Grundbesitz nur Milliarden. „Weitaus die meisten Hypotheken befinden sich in den Händen von Verwandten der Landbesitzer und siud° nichts weiter als Abfindung bei der Erbteiinng; mit dem Großkapital haben sie nichts zu schaffen." < ^ r Wir lassen es dahingestellt sein, ob sich ein Kornzoll von sieben Franks auf die Dauer vorteilhaft erweisen wird, und ob die französischen Agrarier nicht zu guter- letzt dieselben Enttäuschungen erleben werden wie unsre deutschen. Wir wollen hier mich uicht untersuchen, was hohe Getreidepreise den französischen Kleinbauern nützen sollen. wenn diese, wie der Korrespondent selbst gelegentlich bemerkt, hauptsächlich Gemüse, Obst und Wein bauen; es wird wohl in Frankreich so sein wie in Deutsch¬ land, wo das Wort Landwirtschaft nur den größer» Grundbesitz bedeutet. Hier kommt es uns nur darauf an, hervorzuheben, daß in Frankreich die Gesellschafts- ordnung uicht bedroht ist. weil die Gesellschaft größtenteils ans kleinen Grund¬ besitzern besteht, und daß ans demselben Grunde die Mehrheit des französischen Volkes den Frieden will. Das zweite wird dann noch einmal in Ur. 610 von dem¬ selben Korrespondenten ausgeführt. Der Jubel über die „Allianz" mit Rußland entspringe einerseits der Befriedigung einer kindlichen oder kindischen Eitelkeit und andrerseits der Gewißheit, daß »um der Friede wieder einmal gesichert sei. „Be¬ wundernd steht jetzt die Nation vor der imposanten Silhouette, in der sie sich weit über lebensgroß Hand in Hand mit Rußland erkennt. Ihre verschiedensten Wünsche und Bestrebungen^ werden von diesem Anblick befriedigt; das lange entbehrte Prestige ist wieder da, die Revancheniänner meinen sogar, daß Elsaß-Lothringe» beinahe schon wieder französisch sei; zugleich aber wissen die Staatsmänner der Republik, daß der Krieg, der das Regime mit allen seinen Nutznießern ruiniren würde, ferner liegt als jemals; und die große Mehrzahl des Volkes, die vor allem Ruhe wünscht, blickt vertrauensvoll auf das Friedcnsmotiv, das die Allianzgruppe ornamental nmschnörkelt." Und in einem Fenilletvubericht über das Allianzfest in Ur. 619 erzählt derselbe Korrespondent, auf dem Opernplatz, wo die Geschäftswelt dem Staatsoberhaupte einen Pruukvvllcu Empfang bereitet hatte, habe ringsum das Wort ?aix in Rieseu- buchstabeii geprangt, die angekündigte patriotische Kundgebung an der Straßbnrg- statne dagegen sei kläglich 'verunglückt. Man darf anch nicht übersehen, was zu erwähnen der Korrespondent keine Gelegenheit hatte, daß das Expansionsbedürfnis der Franzosen, oder vielmehr, da eine Nation mit stabiler Bevölkerungszahl eigentlich keins hat, ihr Thätigkeits- und Nnternehmungsdrang in ihrem Kolonialreiche einen ausreichenden Spielraum findet, sodaß schon ein undenkbarer Grad von Narrheit dazu gehören würde, wenn sie sich, anstatt sich dort gefahrlos zu tummeln, an den Nvgesen die Köpfe einrennen wollten. Und es ist dabei zu beachten, daß das fran¬ zösische Kolonialreich — wir meinen nicht Aram, sondern Nordafrika — als ein unmittelbar vor ihrer Thür liegendes und nicht wesentlich anders als der Süden Frankreichs zu bebauendes Land einen sehr viel sicherern und behaglichem Besitz bedeutet, als die überseeischen Besitzungen der andern europäischen Staaten; Al¬ gerien mil Tunis verhält sich zu Frankreich kaum anders als Sizilien zu Italien oder Jütland zu den Däueninselu. Die Zionisten. Eine Gruppe internationaler Juden hat sich unter dem Namen „Zionisten" zusammengethan und vor kurzem in Basel den „ersten inter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/525>, abgerufen am 29.12.2024.