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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Rente und Rohertrag

an Arbeit bisher auf die Reinhaltung des Ackers, auf seine "Anreicherung." auf
seine Entwässerung verwendet ist. dieses Kapital kommt nicht wieder, wenn er
aufhören muß, diesen Acker zu bebauen. Thuner schildert das, was kommen
muß, wenn eine neue Abgabe auf den Landbau gelegt wird, in folgender Weife
(es gilt das aber ebenso für jeden Rückgang der Rente): "Durch den Ausfall
der Einnahmen kann der Pächter die Pacht, der verschuldete Eigentümer die
Zinsen nicht mehr aus den Gutseinkünften entnehmen, und das Fehlende muß
dann häufig durch Verminderung des Betriebskapitals und des Jnventarii
herbeigeschafft werden. Mit dem verminderten Inventar ist dann die gute Be¬
stellung des Feldes ganz unmöglich geworden. Aber die Macht der Gewohnheit
ist so groß, die Überzeugung, daß schlechter Acker, der noch bemerkbaren Roh¬
ertrag giebt, keinen Reinertrag mehr, sondern nur Verlust bringt, so schwer zu
gewinnen, daß man auch in einem solchen Falle lieber das ganze Feld schlecht
bestellt, als einen Teil desselben liegen läßt, wodurch dann aber die Einkünfte
des ganzen Gutes vernichtet werden können." Es ist nämlich eine äußerst
schwierige Aufgabe, wenn sich die Verhältnisse verändert haben, auszurechnen,
welcher Boden noch und auf welche Art er bebaut werden soll. Für gewöhnlich
wird sie mit großen Verlusten durch die Praxis gelöst. Schließlich ist der
Bankrott die einzige Hilfe, Ansprüche und Leistungen wieder ins Gleichgewicht
zu setzen. Aber nicht etwa in dem Sinne, daß der Nachfolger nun mehr
leisten könnte; im Gegenteil, er wird weniger Ertrag erzielen, weil ihm die
Kenntnisse und teuern Erfahrungen seines Vorgängers fehlen. Aber es wird
weniger von ihm verlangt. Darum bedeutet Besitzwechsel aus solchen Ur¬
sache" allgemeinen Rückgangs niemals eine Verbesserung im Interesse der
Volkswirtschaft, wie man so oft behaupten hört.

Bisher habe ich das Entstehen und Vergehen der Rente dargestellt in der
Ausdrucksweise und den Formeln des Kapitalismus. Aber gegen diese Formeln:
Kapital, Zins und Marktpreis ist einiges Mißtrauen verbreitet. Der Volks¬
wirt fragt, ob denn für die allgemeine Wohlfahrt etwas bewiesen sei, wenn
der Kapitalwert oder der Zinsfuß oder die Marktpreise fallen oder steigen,
Umstände, die immerhin für die Einzelwirtschaft von großer Bedeutung sein
mögen. Die Rente sinkt? Nun gut, so haben jetzt einige Leute Verlust, die
früher Gewinn hatten. Aber gereicht das nicht vielleicht gerade dem Volke
zum Vorteil? Die Marktpreise sinken? Mögen sie doch! Das Volk lebt
nicht vom Gelde, sondern von Gütern. Das Charakteristische an der kapita¬
listischen Produktionsweise ist, daß sie für den Markt arbeitet. Aber das ist
nur ein Einzelfall unter allen möglichen Arten der Produktion, und noch dazu
ein sehr moderner. Versuchen wir es doch einmal ohne die Formeln des
Kapitalismus. Dann müssen wir die Sache folgendermaßen darstellen.

Jeder Boden wird einen Bebciuer finden, wenn er den mindesten Bedarf
seines Bebcmers noch hergiebt, worunter natürlich nicht bloß der Mundbcdarf
zu verstehen ist, sondern so viel, daß davon durch Tauschhandel alle Bedürf-


Rente und Rohertrag

an Arbeit bisher auf die Reinhaltung des Ackers, auf seine „Anreicherung." auf
seine Entwässerung verwendet ist. dieses Kapital kommt nicht wieder, wenn er
aufhören muß, diesen Acker zu bebauen. Thuner schildert das, was kommen
muß, wenn eine neue Abgabe auf den Landbau gelegt wird, in folgender Weife
(es gilt das aber ebenso für jeden Rückgang der Rente): „Durch den Ausfall
der Einnahmen kann der Pächter die Pacht, der verschuldete Eigentümer die
Zinsen nicht mehr aus den Gutseinkünften entnehmen, und das Fehlende muß
dann häufig durch Verminderung des Betriebskapitals und des Jnventarii
herbeigeschafft werden. Mit dem verminderten Inventar ist dann die gute Be¬
stellung des Feldes ganz unmöglich geworden. Aber die Macht der Gewohnheit
ist so groß, die Überzeugung, daß schlechter Acker, der noch bemerkbaren Roh¬
ertrag giebt, keinen Reinertrag mehr, sondern nur Verlust bringt, so schwer zu
gewinnen, daß man auch in einem solchen Falle lieber das ganze Feld schlecht
bestellt, als einen Teil desselben liegen läßt, wodurch dann aber die Einkünfte
des ganzen Gutes vernichtet werden können." Es ist nämlich eine äußerst
schwierige Aufgabe, wenn sich die Verhältnisse verändert haben, auszurechnen,
welcher Boden noch und auf welche Art er bebaut werden soll. Für gewöhnlich
wird sie mit großen Verlusten durch die Praxis gelöst. Schließlich ist der
Bankrott die einzige Hilfe, Ansprüche und Leistungen wieder ins Gleichgewicht
zu setzen. Aber nicht etwa in dem Sinne, daß der Nachfolger nun mehr
leisten könnte; im Gegenteil, er wird weniger Ertrag erzielen, weil ihm die
Kenntnisse und teuern Erfahrungen seines Vorgängers fehlen. Aber es wird
weniger von ihm verlangt. Darum bedeutet Besitzwechsel aus solchen Ur¬
sache» allgemeinen Rückgangs niemals eine Verbesserung im Interesse der
Volkswirtschaft, wie man so oft behaupten hört.

Bisher habe ich das Entstehen und Vergehen der Rente dargestellt in der
Ausdrucksweise und den Formeln des Kapitalismus. Aber gegen diese Formeln:
Kapital, Zins und Marktpreis ist einiges Mißtrauen verbreitet. Der Volks¬
wirt fragt, ob denn für die allgemeine Wohlfahrt etwas bewiesen sei, wenn
der Kapitalwert oder der Zinsfuß oder die Marktpreise fallen oder steigen,
Umstände, die immerhin für die Einzelwirtschaft von großer Bedeutung sein
mögen. Die Rente sinkt? Nun gut, so haben jetzt einige Leute Verlust, die
früher Gewinn hatten. Aber gereicht das nicht vielleicht gerade dem Volke
zum Vorteil? Die Marktpreise sinken? Mögen sie doch! Das Volk lebt
nicht vom Gelde, sondern von Gütern. Das Charakteristische an der kapita¬
listischen Produktionsweise ist, daß sie für den Markt arbeitet. Aber das ist
nur ein Einzelfall unter allen möglichen Arten der Produktion, und noch dazu
ein sehr moderner. Versuchen wir es doch einmal ohne die Formeln des
Kapitalismus. Dann müssen wir die Sache folgendermaßen darstellen.

Jeder Boden wird einen Bebciuer finden, wenn er den mindesten Bedarf
seines Bebcmers noch hergiebt, worunter natürlich nicht bloß der Mundbcdarf
zu verstehen ist, sondern so viel, daß davon durch Tauschhandel alle Bedürf-


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[0498] Rente und Rohertrag an Arbeit bisher auf die Reinhaltung des Ackers, auf seine „Anreicherung." auf seine Entwässerung verwendet ist. dieses Kapital kommt nicht wieder, wenn er aufhören muß, diesen Acker zu bebauen. Thuner schildert das, was kommen muß, wenn eine neue Abgabe auf den Landbau gelegt wird, in folgender Weife (es gilt das aber ebenso für jeden Rückgang der Rente): „Durch den Ausfall der Einnahmen kann der Pächter die Pacht, der verschuldete Eigentümer die Zinsen nicht mehr aus den Gutseinkünften entnehmen, und das Fehlende muß dann häufig durch Verminderung des Betriebskapitals und des Jnventarii herbeigeschafft werden. Mit dem verminderten Inventar ist dann die gute Be¬ stellung des Feldes ganz unmöglich geworden. Aber die Macht der Gewohnheit ist so groß, die Überzeugung, daß schlechter Acker, der noch bemerkbaren Roh¬ ertrag giebt, keinen Reinertrag mehr, sondern nur Verlust bringt, so schwer zu gewinnen, daß man auch in einem solchen Falle lieber das ganze Feld schlecht bestellt, als einen Teil desselben liegen läßt, wodurch dann aber die Einkünfte des ganzen Gutes vernichtet werden können." Es ist nämlich eine äußerst schwierige Aufgabe, wenn sich die Verhältnisse verändert haben, auszurechnen, welcher Boden noch und auf welche Art er bebaut werden soll. Für gewöhnlich wird sie mit großen Verlusten durch die Praxis gelöst. Schließlich ist der Bankrott die einzige Hilfe, Ansprüche und Leistungen wieder ins Gleichgewicht zu setzen. Aber nicht etwa in dem Sinne, daß der Nachfolger nun mehr leisten könnte; im Gegenteil, er wird weniger Ertrag erzielen, weil ihm die Kenntnisse und teuern Erfahrungen seines Vorgängers fehlen. Aber es wird weniger von ihm verlangt. Darum bedeutet Besitzwechsel aus solchen Ur¬ sache» allgemeinen Rückgangs niemals eine Verbesserung im Interesse der Volkswirtschaft, wie man so oft behaupten hört. Bisher habe ich das Entstehen und Vergehen der Rente dargestellt in der Ausdrucksweise und den Formeln des Kapitalismus. Aber gegen diese Formeln: Kapital, Zins und Marktpreis ist einiges Mißtrauen verbreitet. Der Volks¬ wirt fragt, ob denn für die allgemeine Wohlfahrt etwas bewiesen sei, wenn der Kapitalwert oder der Zinsfuß oder die Marktpreise fallen oder steigen, Umstände, die immerhin für die Einzelwirtschaft von großer Bedeutung sein mögen. Die Rente sinkt? Nun gut, so haben jetzt einige Leute Verlust, die früher Gewinn hatten. Aber gereicht das nicht vielleicht gerade dem Volke zum Vorteil? Die Marktpreise sinken? Mögen sie doch! Das Volk lebt nicht vom Gelde, sondern von Gütern. Das Charakteristische an der kapita¬ listischen Produktionsweise ist, daß sie für den Markt arbeitet. Aber das ist nur ein Einzelfall unter allen möglichen Arten der Produktion, und noch dazu ein sehr moderner. Versuchen wir es doch einmal ohne die Formeln des Kapitalismus. Dann müssen wir die Sache folgendermaßen darstellen. Jeder Boden wird einen Bebciuer finden, wenn er den mindesten Bedarf seines Bebcmers noch hergiebt, worunter natürlich nicht bloß der Mundbcdarf zu verstehen ist, sondern so viel, daß davon durch Tauschhandel alle Bedürf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/498>, abgerufen am 24.07.2024.