Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Rente und Rohertrag

Produktionskosten an dem schlechtesten und fernstem Boden betragen, der noch
bebaut werden muß; denn sonst würde man es mit Gewinn unternehmen
können, noch schlechter" oder fernern Boden zu bebauen, ohne daß diese Waren¬
vermehrung zur Befriedigung der Nachfrage nötig wäre, die Nachfrage würde
also überboten werden, und der Preis würde sinken. Der Preis wird demnach
immer gleich sein den Beschaffungskosten der Ware von dem ungünstigsten
Boden, der zur Befriedigung der Nachfrage noch benutzt werden muß.

Auf Land aber, das fruchtbar ist und dem Markte nahe liegt, hat man
für dieselbe Menge Getreide weniger Beschaffungskosten und erhält doch den¬
selben Preis. Es besteht also eine Differenz zwischen Preis und Kosten, und
diese nennt man Rente. Wird mehr Getreide verlangt, so muß es von schlech-
teren oder fernerm Lande geholt werden, die Produktionskosten steigen, und
damit auch der Preis. Auf den alten Ländern erhält man nun für seine Ware
mehr Geld und giebt doch nur ebenso wenig aus wie früher; die Differenz
zwischen Preis und Kosten wird also größer, das heißt: die Rente steigt.
Sinkt dagegen der Preis, wie er z. B. jetzt bei uns sinkt, weil infolge der
Verbilligung des Wasserweges die fruchtbaren Äcker Amerikas unsre Nachfrage
befriedigen können, und darum unter unsern eignen Ackern die anspruchsvollsten,
die das Korn teuer gemacht haben, nicht mehr gebraucht werden, so bekommt
jeder deutsche Landwirt weniger für das Getreide, das er liefert, und hat doch
noch dieselben Ausgaben. Die Rente sinkt also, und zwar nicht nur auf ein¬
zelnen Ackern, sondern auf allen, guten wie schlechten; auf den schlechtesten
und fernsten aber, z. V. auf manchen ostdeutschen, bringt die Bebauung
geradezu Verlust.

Man kann also mit Recht sagen: die deutsche Landwirtschaft ist unrentabel
geworden, nämlich bei der Ausdehnung und dem Arbeitsaufwand wie bisher.
Damit ist natürlich nicht gesagt, daß überhaupt auf keinem Acker mehr Rente
zu erzielen wäre. Das würde erst eintreten, wenn nur die ganz wenigen ciller-
fruchtbarsten Äcker noch bestellt werden könnten und 99 Prozent wüst lügen.

Man kann aber nicht behaupten, daß die deutsche Landwirtschaft nur
deshalb nicht rentire, weil die Güterwerte zu hoch seien, und erst dann "ge¬
sunden" könne, wenn die Güterwerte auf die "normale" Höhe herunterge¬
gangen seien. Warum sind sie denn so hoch? Etwa nur deshalb, weil mau
bei Kauf und Übernahme zu leichtsinnig war? Die Landwirte sind nicht leicht¬
sinniger als andre Menschen. Nein, darum, weil der Ackerbau früher besser
rentirte. Die ganze Weisheit läuft also darauf hinaus, daß die Landwirtschaft
heute zu wenig einbringt, weil sie früher mehr einbrachte. Der Kapitalwert
der Güter ist noch mehr als jeder andre eine Einbildung, ein rechnerischer
Ausdruck, wie das schou oft genug dargethan worden ist. Man kann also
nicht die Rente erhöhen, indem man den Kapitalwert heruntersetzt. Denn was
real ist, das ist die Rente: sie steigt und fällt. Der Kapitalwert ist nur


Rente und Rohertrag

Produktionskosten an dem schlechtesten und fernstem Boden betragen, der noch
bebaut werden muß; denn sonst würde man es mit Gewinn unternehmen
können, noch schlechter» oder fernern Boden zu bebauen, ohne daß diese Waren¬
vermehrung zur Befriedigung der Nachfrage nötig wäre, die Nachfrage würde
also überboten werden, und der Preis würde sinken. Der Preis wird demnach
immer gleich sein den Beschaffungskosten der Ware von dem ungünstigsten
Boden, der zur Befriedigung der Nachfrage noch benutzt werden muß.

Auf Land aber, das fruchtbar ist und dem Markte nahe liegt, hat man
für dieselbe Menge Getreide weniger Beschaffungskosten und erhält doch den¬
selben Preis. Es besteht also eine Differenz zwischen Preis und Kosten, und
diese nennt man Rente. Wird mehr Getreide verlangt, so muß es von schlech-
teren oder fernerm Lande geholt werden, die Produktionskosten steigen, und
damit auch der Preis. Auf den alten Ländern erhält man nun für seine Ware
mehr Geld und giebt doch nur ebenso wenig aus wie früher; die Differenz
zwischen Preis und Kosten wird also größer, das heißt: die Rente steigt.
Sinkt dagegen der Preis, wie er z. B. jetzt bei uns sinkt, weil infolge der
Verbilligung des Wasserweges die fruchtbaren Äcker Amerikas unsre Nachfrage
befriedigen können, und darum unter unsern eignen Ackern die anspruchsvollsten,
die das Korn teuer gemacht haben, nicht mehr gebraucht werden, so bekommt
jeder deutsche Landwirt weniger für das Getreide, das er liefert, und hat doch
noch dieselben Ausgaben. Die Rente sinkt also, und zwar nicht nur auf ein¬
zelnen Ackern, sondern auf allen, guten wie schlechten; auf den schlechtesten
und fernsten aber, z. V. auf manchen ostdeutschen, bringt die Bebauung
geradezu Verlust.

Man kann also mit Recht sagen: die deutsche Landwirtschaft ist unrentabel
geworden, nämlich bei der Ausdehnung und dem Arbeitsaufwand wie bisher.
Damit ist natürlich nicht gesagt, daß überhaupt auf keinem Acker mehr Rente
zu erzielen wäre. Das würde erst eintreten, wenn nur die ganz wenigen ciller-
fruchtbarsten Äcker noch bestellt werden könnten und 99 Prozent wüst lügen.

Man kann aber nicht behaupten, daß die deutsche Landwirtschaft nur
deshalb nicht rentire, weil die Güterwerte zu hoch seien, und erst dann „ge¬
sunden" könne, wenn die Güterwerte auf die „normale" Höhe herunterge¬
gangen seien. Warum sind sie denn so hoch? Etwa nur deshalb, weil mau
bei Kauf und Übernahme zu leichtsinnig war? Die Landwirte sind nicht leicht¬
sinniger als andre Menschen. Nein, darum, weil der Ackerbau früher besser
rentirte. Die ganze Weisheit läuft also darauf hinaus, daß die Landwirtschaft
heute zu wenig einbringt, weil sie früher mehr einbrachte. Der Kapitalwert
der Güter ist noch mehr als jeder andre eine Einbildung, ein rechnerischer
Ausdruck, wie das schou oft genug dargethan worden ist. Man kann also
nicht die Rente erhöhen, indem man den Kapitalwert heruntersetzt. Denn was
real ist, das ist die Rente: sie steigt und fällt. Der Kapitalwert ist nur


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0495" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/226081"/>
          <fw type="header" place="top"> Rente und Rohertrag</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1223" prev="#ID_1222"> Produktionskosten an dem schlechtesten und fernstem Boden betragen, der noch<lb/>
bebaut werden muß; denn sonst würde man es mit Gewinn unternehmen<lb/>
können, noch schlechter» oder fernern Boden zu bebauen, ohne daß diese Waren¬<lb/>
vermehrung zur Befriedigung der Nachfrage nötig wäre, die Nachfrage würde<lb/>
also überboten werden, und der Preis würde sinken. Der Preis wird demnach<lb/>
immer gleich sein den Beschaffungskosten der Ware von dem ungünstigsten<lb/>
Boden, der zur Befriedigung der Nachfrage noch benutzt werden muß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1224"> Auf Land aber, das fruchtbar ist und dem Markte nahe liegt, hat man<lb/>
für dieselbe Menge Getreide weniger Beschaffungskosten und erhält doch den¬<lb/>
selben Preis. Es besteht also eine Differenz zwischen Preis und Kosten, und<lb/>
diese nennt man Rente. Wird mehr Getreide verlangt, so muß es von schlech-<lb/>
teren oder fernerm Lande geholt werden, die Produktionskosten steigen, und<lb/>
damit auch der Preis. Auf den alten Ländern erhält man nun für seine Ware<lb/>
mehr Geld und giebt doch nur ebenso wenig aus wie früher; die Differenz<lb/>
zwischen Preis und Kosten wird also größer, das heißt: die Rente steigt.<lb/>
Sinkt dagegen der Preis, wie er z. B. jetzt bei uns sinkt, weil infolge der<lb/>
Verbilligung des Wasserweges die fruchtbaren Äcker Amerikas unsre Nachfrage<lb/>
befriedigen können, und darum unter unsern eignen Ackern die anspruchsvollsten,<lb/>
die das Korn teuer gemacht haben, nicht mehr gebraucht werden, so bekommt<lb/>
jeder deutsche Landwirt weniger für das Getreide, das er liefert, und hat doch<lb/>
noch dieselben Ausgaben. Die Rente sinkt also, und zwar nicht nur auf ein¬<lb/>
zelnen Ackern, sondern auf allen, guten wie schlechten; auf den schlechtesten<lb/>
und fernsten aber, z. V. auf manchen ostdeutschen, bringt die Bebauung<lb/>
geradezu Verlust.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1225"> Man kann also mit Recht sagen: die deutsche Landwirtschaft ist unrentabel<lb/>
geworden, nämlich bei der Ausdehnung und dem Arbeitsaufwand wie bisher.<lb/>
Damit ist natürlich nicht gesagt, daß überhaupt auf keinem Acker mehr Rente<lb/>
zu erzielen wäre. Das würde erst eintreten, wenn nur die ganz wenigen ciller-<lb/>
fruchtbarsten Äcker noch bestellt werden könnten und 99 Prozent wüst lügen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1226" next="#ID_1227"> Man kann aber nicht behaupten, daß die deutsche Landwirtschaft nur<lb/>
deshalb nicht rentire, weil die Güterwerte zu hoch seien, und erst dann &#x201E;ge¬<lb/>
sunden" könne, wenn die Güterwerte auf die &#x201E;normale" Höhe herunterge¬<lb/>
gangen seien. Warum sind sie denn so hoch? Etwa nur deshalb, weil mau<lb/>
bei Kauf und Übernahme zu leichtsinnig war? Die Landwirte sind nicht leicht¬<lb/>
sinniger als andre Menschen. Nein, darum, weil der Ackerbau früher besser<lb/>
rentirte. Die ganze Weisheit läuft also darauf hinaus, daß die Landwirtschaft<lb/>
heute zu wenig einbringt, weil sie früher mehr einbrachte. Der Kapitalwert<lb/>
der Güter ist noch mehr als jeder andre eine Einbildung, ein rechnerischer<lb/>
Ausdruck, wie das schou oft genug dargethan worden ist. Man kann also<lb/>
nicht die Rente erhöhen, indem man den Kapitalwert heruntersetzt. Denn was<lb/>
real ist, das ist die Rente: sie steigt und fällt.  Der Kapitalwert ist nur</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0495] Rente und Rohertrag Produktionskosten an dem schlechtesten und fernstem Boden betragen, der noch bebaut werden muß; denn sonst würde man es mit Gewinn unternehmen können, noch schlechter» oder fernern Boden zu bebauen, ohne daß diese Waren¬ vermehrung zur Befriedigung der Nachfrage nötig wäre, die Nachfrage würde also überboten werden, und der Preis würde sinken. Der Preis wird demnach immer gleich sein den Beschaffungskosten der Ware von dem ungünstigsten Boden, der zur Befriedigung der Nachfrage noch benutzt werden muß. Auf Land aber, das fruchtbar ist und dem Markte nahe liegt, hat man für dieselbe Menge Getreide weniger Beschaffungskosten und erhält doch den¬ selben Preis. Es besteht also eine Differenz zwischen Preis und Kosten, und diese nennt man Rente. Wird mehr Getreide verlangt, so muß es von schlech- teren oder fernerm Lande geholt werden, die Produktionskosten steigen, und damit auch der Preis. Auf den alten Ländern erhält man nun für seine Ware mehr Geld und giebt doch nur ebenso wenig aus wie früher; die Differenz zwischen Preis und Kosten wird also größer, das heißt: die Rente steigt. Sinkt dagegen der Preis, wie er z. B. jetzt bei uns sinkt, weil infolge der Verbilligung des Wasserweges die fruchtbaren Äcker Amerikas unsre Nachfrage befriedigen können, und darum unter unsern eignen Ackern die anspruchsvollsten, die das Korn teuer gemacht haben, nicht mehr gebraucht werden, so bekommt jeder deutsche Landwirt weniger für das Getreide, das er liefert, und hat doch noch dieselben Ausgaben. Die Rente sinkt also, und zwar nicht nur auf ein¬ zelnen Ackern, sondern auf allen, guten wie schlechten; auf den schlechtesten und fernsten aber, z. V. auf manchen ostdeutschen, bringt die Bebauung geradezu Verlust. Man kann also mit Recht sagen: die deutsche Landwirtschaft ist unrentabel geworden, nämlich bei der Ausdehnung und dem Arbeitsaufwand wie bisher. Damit ist natürlich nicht gesagt, daß überhaupt auf keinem Acker mehr Rente zu erzielen wäre. Das würde erst eintreten, wenn nur die ganz wenigen ciller- fruchtbarsten Äcker noch bestellt werden könnten und 99 Prozent wüst lügen. Man kann aber nicht behaupten, daß die deutsche Landwirtschaft nur deshalb nicht rentire, weil die Güterwerte zu hoch seien, und erst dann „ge¬ sunden" könne, wenn die Güterwerte auf die „normale" Höhe herunterge¬ gangen seien. Warum sind sie denn so hoch? Etwa nur deshalb, weil mau bei Kauf und Übernahme zu leichtsinnig war? Die Landwirte sind nicht leicht¬ sinniger als andre Menschen. Nein, darum, weil der Ackerbau früher besser rentirte. Die ganze Weisheit läuft also darauf hinaus, daß die Landwirtschaft heute zu wenig einbringt, weil sie früher mehr einbrachte. Der Kapitalwert der Güter ist noch mehr als jeder andre eine Einbildung, ein rechnerischer Ausdruck, wie das schou oft genug dargethan worden ist. Man kann also nicht die Rente erhöhen, indem man den Kapitalwert heruntersetzt. Denn was real ist, das ist die Rente: sie steigt und fällt. Der Kapitalwert ist nur

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/495
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/495>, abgerufen am 29.12.2024.