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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr.

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Aus unsrer Vstmark

-- nicht zu erwartende -- Wendung zum bessern eintreten, so wäre die Auf¬
gabe kaum halb so schwer; schnell würden sich die Ostprovinzen wieder mit zu¬
wandernden Deutschen füllen und die eingebornen wieder gedeihen; ja sie
würden wieder Mut fassen und sich von selbst unter die Kämpfer reihen. Wie
die Verhältnisse liegen, kann die Zahl der Kämpfer zunächst nur gering sein.
Werden sie alle geeignet und tüchtig sein?

Die Polen verfügen über eine beträchtliche Anzahl uneigennütziger, in der
Praxis nationaler Arbeit geschulter Männer, die, ohne Aufsehen zu erregen,
ohne viel zu reden, unverdrossen ihre Pflicht thun, durch den Gedanken ge¬
stärkt, daß dadurch die Zeit abgekürzt werde, während der die Stammesgenossen
die Luft der "Dantehöllc" atmen, die nach Herrn von Skarzynski der preußische
Staat seinen polnischen Unterthanen geschaffen hat. Jeder Stand und alle
Berufe sind bei den Polen in zahllosen Vereinen unter geistlicher Oberleitung
vorzüglich organistrt; sie verfügen über bedeutende Kapitalien, die teils opfer¬
willig von der wenig bemittelten Bevölkerung aufgebracht werden, teils über
die russische, österreichische und italienische Grenze in ihre Kassen fließen mögen.
Da sie entweder weniger individualistisch angelegt, mehr "Herdentiere" als
die Deutschen sind, oder die durch den Klerus durchgesetzte Ultramontanisirung
der Massen wie der Gebildeten sie gehorsam, gefügig und zu willigen, willen¬
losen Werkzeugen gemacht hat, so sind Hemmungen und Reibungen innerhalb
ihrer Organisation selten. Die Maschine arbeitet prompt, geräuschlos und
leistet die Arbeit, die nach der Zahl der Kräfte möglich ist. Es wäre eine
Freude, dieser Arbeit zuzusehen, wenn sie nicht auf Kosten und zum Schaden
der Deutschen geschähe.

Wird auf deutscher Seite gleich gute und gleichwertige Arbeit geleistet
werden und geleistet werden können? Wir haben mir wenig Männer der be¬
zeichneten Art auszuweisen, nicht bloß, weil uus die Erfahrung fehlt und wir
zu eigenwillig, dem bei uns überwiegenden Bekenntnis entsprechend zu indivi¬
dualistisch sind, sondern auch weil nur wenige von uns den Ernst der Lage
erfassen und es Menschenart ist. erst dann alle Kraft zusammenzunehmen, wenn
das Wasser bis an den Hals geht. Möchten die Männer aber, so viel oder so
wenig es sein mögen, die die Sache der Deutschen führen, sich stets bewußt
sein, daß ihre Arbeit nur dann Erfolg haben kann, wenn sie sie nach polnischem
Muster zäh, geräuschlos und ohne Vcdenklichkeit, selbstlos und opferfreudig,
nicht viel redend, sondern handelnd thun, denn wie jener Deutschböhme sagte:
"Es wird noch vieles und manches Schöne gesprochen, allein mit Worten wird
der nationalen Sache nicht gedient, und die schönste Kommersrede verfliegt in
den Wind. Wirkliche nationale Arbeit selbst in den geringfügigsten Einzelheiten
und Verhältnissen, wirkliches Mühen, das von deutscher Gesinnung getragen
ist und deutsches Interesse verfolgt, kann unser Volkstum allein schützen und
befestigen." Es lohnt, ans Werk zu gehen, die Aufgabe von vielen Punkten


Aus unsrer Vstmark

— nicht zu erwartende — Wendung zum bessern eintreten, so wäre die Auf¬
gabe kaum halb so schwer; schnell würden sich die Ostprovinzen wieder mit zu¬
wandernden Deutschen füllen und die eingebornen wieder gedeihen; ja sie
würden wieder Mut fassen und sich von selbst unter die Kämpfer reihen. Wie
die Verhältnisse liegen, kann die Zahl der Kämpfer zunächst nur gering sein.
Werden sie alle geeignet und tüchtig sein?

Die Polen verfügen über eine beträchtliche Anzahl uneigennütziger, in der
Praxis nationaler Arbeit geschulter Männer, die, ohne Aufsehen zu erregen,
ohne viel zu reden, unverdrossen ihre Pflicht thun, durch den Gedanken ge¬
stärkt, daß dadurch die Zeit abgekürzt werde, während der die Stammesgenossen
die Luft der „Dantehöllc" atmen, die nach Herrn von Skarzynski der preußische
Staat seinen polnischen Unterthanen geschaffen hat. Jeder Stand und alle
Berufe sind bei den Polen in zahllosen Vereinen unter geistlicher Oberleitung
vorzüglich organistrt; sie verfügen über bedeutende Kapitalien, die teils opfer¬
willig von der wenig bemittelten Bevölkerung aufgebracht werden, teils über
die russische, österreichische und italienische Grenze in ihre Kassen fließen mögen.
Da sie entweder weniger individualistisch angelegt, mehr „Herdentiere" als
die Deutschen sind, oder die durch den Klerus durchgesetzte Ultramontanisirung
der Massen wie der Gebildeten sie gehorsam, gefügig und zu willigen, willen¬
losen Werkzeugen gemacht hat, so sind Hemmungen und Reibungen innerhalb
ihrer Organisation selten. Die Maschine arbeitet prompt, geräuschlos und
leistet die Arbeit, die nach der Zahl der Kräfte möglich ist. Es wäre eine
Freude, dieser Arbeit zuzusehen, wenn sie nicht auf Kosten und zum Schaden
der Deutschen geschähe.

Wird auf deutscher Seite gleich gute und gleichwertige Arbeit geleistet
werden und geleistet werden können? Wir haben mir wenig Männer der be¬
zeichneten Art auszuweisen, nicht bloß, weil uus die Erfahrung fehlt und wir
zu eigenwillig, dem bei uns überwiegenden Bekenntnis entsprechend zu indivi¬
dualistisch sind, sondern auch weil nur wenige von uns den Ernst der Lage
erfassen und es Menschenart ist. erst dann alle Kraft zusammenzunehmen, wenn
das Wasser bis an den Hals geht. Möchten die Männer aber, so viel oder so
wenig es sein mögen, die die Sache der Deutschen führen, sich stets bewußt
sein, daß ihre Arbeit nur dann Erfolg haben kann, wenn sie sie nach polnischem
Muster zäh, geräuschlos und ohne Vcdenklichkeit, selbstlos und opferfreudig,
nicht viel redend, sondern handelnd thun, denn wie jener Deutschböhme sagte:
„Es wird noch vieles und manches Schöne gesprochen, allein mit Worten wird
der nationalen Sache nicht gedient, und die schönste Kommersrede verfliegt in
den Wind. Wirkliche nationale Arbeit selbst in den geringfügigsten Einzelheiten
und Verhältnissen, wirkliches Mühen, das von deutscher Gesinnung getragen
ist und deutsches Interesse verfolgt, kann unser Volkstum allein schützen und
befestigen." Es lohnt, ans Werk zu gehen, die Aufgabe von vielen Punkten


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[0464] Aus unsrer Vstmark — nicht zu erwartende — Wendung zum bessern eintreten, so wäre die Auf¬ gabe kaum halb so schwer; schnell würden sich die Ostprovinzen wieder mit zu¬ wandernden Deutschen füllen und die eingebornen wieder gedeihen; ja sie würden wieder Mut fassen und sich von selbst unter die Kämpfer reihen. Wie die Verhältnisse liegen, kann die Zahl der Kämpfer zunächst nur gering sein. Werden sie alle geeignet und tüchtig sein? Die Polen verfügen über eine beträchtliche Anzahl uneigennütziger, in der Praxis nationaler Arbeit geschulter Männer, die, ohne Aufsehen zu erregen, ohne viel zu reden, unverdrossen ihre Pflicht thun, durch den Gedanken ge¬ stärkt, daß dadurch die Zeit abgekürzt werde, während der die Stammesgenossen die Luft der „Dantehöllc" atmen, die nach Herrn von Skarzynski der preußische Staat seinen polnischen Unterthanen geschaffen hat. Jeder Stand und alle Berufe sind bei den Polen in zahllosen Vereinen unter geistlicher Oberleitung vorzüglich organistrt; sie verfügen über bedeutende Kapitalien, die teils opfer¬ willig von der wenig bemittelten Bevölkerung aufgebracht werden, teils über die russische, österreichische und italienische Grenze in ihre Kassen fließen mögen. Da sie entweder weniger individualistisch angelegt, mehr „Herdentiere" als die Deutschen sind, oder die durch den Klerus durchgesetzte Ultramontanisirung der Massen wie der Gebildeten sie gehorsam, gefügig und zu willigen, willen¬ losen Werkzeugen gemacht hat, so sind Hemmungen und Reibungen innerhalb ihrer Organisation selten. Die Maschine arbeitet prompt, geräuschlos und leistet die Arbeit, die nach der Zahl der Kräfte möglich ist. Es wäre eine Freude, dieser Arbeit zuzusehen, wenn sie nicht auf Kosten und zum Schaden der Deutschen geschähe. Wird auf deutscher Seite gleich gute und gleichwertige Arbeit geleistet werden und geleistet werden können? Wir haben mir wenig Männer der be¬ zeichneten Art auszuweisen, nicht bloß, weil uus die Erfahrung fehlt und wir zu eigenwillig, dem bei uns überwiegenden Bekenntnis entsprechend zu indivi¬ dualistisch sind, sondern auch weil nur wenige von uns den Ernst der Lage erfassen und es Menschenart ist. erst dann alle Kraft zusammenzunehmen, wenn das Wasser bis an den Hals geht. Möchten die Männer aber, so viel oder so wenig es sein mögen, die die Sache der Deutschen führen, sich stets bewußt sein, daß ihre Arbeit nur dann Erfolg haben kann, wenn sie sie nach polnischem Muster zäh, geräuschlos und ohne Vcdenklichkeit, selbstlos und opferfreudig, nicht viel redend, sondern handelnd thun, denn wie jener Deutschböhme sagte: „Es wird noch vieles und manches Schöne gesprochen, allein mit Worten wird der nationalen Sache nicht gedient, und die schönste Kommersrede verfliegt in den Wind. Wirkliche nationale Arbeit selbst in den geringfügigsten Einzelheiten und Verhältnissen, wirkliches Mühen, das von deutscher Gesinnung getragen ist und deutsches Interesse verfolgt, kann unser Volkstum allein schützen und befestigen." Es lohnt, ans Werk zu gehen, die Aufgabe von vielen Punkten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_225585/464>, abgerufen am 24.07.2024.